Kleine Anfrage 233
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 28.07.2022
Wie kann die Ernährung nordrhein-westfälischer Heimtiere sichergestellt werden?
Infolge der dramatischen wirtschaftlichen Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg ist es insbesondere in Deutschland aufgrund des andauernden Sanktionskrieges immer mehr zu Gasknappheiten gekommen, die die heimische Industrie hart treffen. Die sehr hitzeaufwendige Produktion von Heimtiernahrung hat einen überdurchschnittlich hohen Bedarf an eben diesem Gas, um ihre Herstellung gewährleisten zu können.
Infolge dieser bereits bestehenden Gasknappheit und in der Erwartung, dass diese sich in naher Zukunft nicht mindern wird, warnt der Chef des Industrieverbandes Heimtierbedarf vor einer Produktionseinstellung.1
In der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit mindestens 27.000.000 Hunde und Katzen, die davon direkt betroffen wären. Außerdem leben weitere 4.600.000 Kleintiere in deutschen Haushalten, die ebenfalls teilweise auf diese Art von Tiernahrung angewiesen sind.
In Anbetracht dieser Lage ergibt sich das Risiko, dass diese Heimtiere bei einer unkontrollierten Preisexplosion oder einem einfachen Mangel an Tiernahrung massenhaft ausgesetzt werden, an Tierheime abgegeben werden oder verhungern.
Die Tierheime in NRW wiederum sind bereits jetzt an ihrer Belastungsgrenze. So warnt der deutsche Tierschutzbund, dass bereits einige Tierheime Aufnahmestopps beschließen mussten.2
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
- Wie bewertet die Landesregierung die Situation der heimischen Produktion von Tiernahrung vor dem Hintergrund von Gasknappheit bzw. steigenden Produktionskosten?
- Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Situation von Tierheimen, insbesondere in Bezug auf geringe Kapazitäten bzw. steigende Kosten?
- Wie viele Haustiere in NRW leben in einkommenstechnisch in Armut lebenden bzw. von Armut bedrohten Haushalten?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Versorgung mit Heimtiernahrung in NRW sicherzustellen?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um Tierheime angesichts steigender Preise für Futter und Energie zu unterstützen?
Zacharias Schalley
Andreas Keith
Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 233 mit Schreiben vom 25. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie bewertet die Landesregierung die Situation der heimischen Produktion von Tiernahrung vor dem Hintergrund von Gasknappheit bzw. steigenden Produktionskosten?
In Nordrhein-Westfalen sind insgesamt 343 Unternehmen für die Herstellung von Mischfuttermitteln für Nutztiere und/oder Heimtiere registriert bzw. zugelassen. Damit liegt Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich bei der Erzeugung von Mischfuttermitteln hinter Niedersachsen auf Platz 2. Die Produktion von Mischfuttermitteln durch in Nordrhein-Westfalen ansässige Betriebe ist über die Landesgrenzen hinaus von Bedeutung und bildet eine gute Grundlage für die Versorgung der heimischen Nutz- und Heimtiere. Dies gilt auch für den Fall einer potentiellen Gasknappheit und daraus resultierenden steigenden Produktionskosten. Versorgungsengpässe sind nach Auffassung der Landesregierung im Hinblick auf die Fütterung von Heimtieren aktuell nicht zu erwarten, jedoch ist eine deutliche Preissteigerung nicht auszuschließen. Die Landesregierung ist sich der derzeitigen Situation bewusst und verfolgt das Geschehen laufend.
Im Rahmen der angespannten Situation bei der Gasversorgung werden manche Betriebe aus diversen Sektoren in den Kreis der geschützten Kunden im Sinne des § 53a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) eingeordnet, damit auch bei einer Gasmangellage die Arbeitsfähigkeit der Betriebe gesichert ist. Geschützte Kunden sind im EnWG in Verbindung mit Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/1938 folgende Personen und Unternehmen:
– Haushaltskunden, weitere Letztverbraucher im Erdgasverteilernetz oder Letztverbraucher im Erdgasverteilernetz, bei denen standardisierte Lastprofile anzuwenden sind (hierzu zählen auch kleine oder mittlere Unternehmen) oder Letztverbraucher, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern.
– grundlegende soziale Dienste (Dienst in den Bereichen Gesundheitsversorgung, grundlegende soziale Versorgung, Notfall, Sicherheit, Bildung oder öffentliche Verwaltung)
– Fernwärmeanlagen, die Wärme an oben genannte Kundenkreise ausliefern und keinen Brennstoffwechsel vornehmen können.
In den Kreis der geschützten Kunden könnten auch Unternehmen im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft bedingt als Bestandteil der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) eingeordnet werden. Je nach Entwicklung aktueller Ereignisse ergibt sich somit die Möglichkeit, einen drohenden Engpass zu verhindern. Die endgültige Entscheidung hierfür obliegt der Bundesnetzagentur.
- Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Situation von Tierheimen, insbesondere in Bezug auf geringe Kapazitäten bzw. steigende Kosten?
Der Landesregierung liegen derzeit keine konkreten Zahlen und Informationen vor, die eine Bewertung der aktuellen Situation von Tierheimen und ihrer Kapazitäten vor dem Hintergrund allgemeiner Kostensteigerungen ermöglichen.
- Wie viele Haustiere in NRW leben in einkommenstechnisch in Armut lebenden bzw. von Armut bedrohten Haushalten?
Eine amtliche Erfassung der Gesamtzahl an Heimtieren wird weder auf Bundesebene noch von Behörden in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Auch wird von amtlicher Seite keine Statistik über die Haltung von Heimtieren in Haushalten, welche von Armut bedroht sind, geführt.
Für die Beantwortung der vorliegenden Frage sei daher auf die Daten des Industrieverbandes Heimtier (IVH) und des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe e.V. (ZZF) verwiesen. Diese Verbände führen jährlich eine Datenerfassung auf Grundlage einer repräsentativen Befragung durch3.
Nach den Daten des IVH und des ZZF wird in 47 Prozent der bundesdeutschen Haushalte mindestens ein Heimtier gehalten. Am beliebtesten sind Katzen (26 Prozent der Haushalte), gefolgt von Hunden, die in 21 Prozent der Haushalte gehalten werden. Bezüglich anderer Tierarten sei auf die Tabelle im Anhang verwiesen.
IVH und ZZF haben zusätzlich weitere Daten zur Verteilung der Heimtiere in den Bundesländern erfasst. Nach diesen wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 insgesamt 2,4 Millionen Hunde und 3,4 Millionen Katzen gehalten.
Die Datenerhebung von IVH und ZZF beinhaltet zudem Angaben zum Nettoeinkommen der Haushalte, welche Heimtiere halten. Es zeigt sich für das Jahr 2021 im Vergleich zu 2020, dass Tierhalter in der Tendenz im Schnitt ein höheres Einkommen zur Verfügung haben als Nicht-Tierhalter. Die Statistik von IVH und ZZF schlüsselt aber nicht nach Anzahl der Personen im Haushalt auf. Eine Aussage zur genauen Anzahl der Heimtiere, die in von Armut bedrohten Haushalten leben, lässt sich damit nicht beziffern. Nach den Zahlen der Verbände haben 10 Prozent der Tierhalter ein Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 1000 Euro zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass für Haushalte in diversen Städten Tiertafeln existieren, bei denen einkommensschwache Tierbesitzer Tiernahrung erhalten können.
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Versorgung mit Heimtiernahrung in NRW sicherzustellen?
Wie in der Antwort zu Frage 1 erläutert, ist ein Versorgungsengpass aktuell nicht zu erwarten. Besondere Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung von Heimtieren sind deshalb derzeit nicht geplant. Die Landesregierung wird die Situation aber weiter aufmerksam beobachten.
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um Tierheime angesichts steigender Preise für Futter und Energie zu unterstützen?
Bereits seit 2013 gibt es ein Förderprogramm für bauliche Maßnahmen an Tierheimen, womit auch energetische Verbesserungen und somit nachhaltige Energiekosteneinsparungen umgesetzt werden können. Grundlage dieses Förderprogramms ist die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung baulicher Maßnahmen von Tierheimen.
Zusätzlich zu diesen Bauförderungsmöglichkeiten ist ab dem Jahr 2023 eine spezifische projektbezogene Fördermöglichkeit für Tierheime geplant. Eine entsprechende Richtlinie wird aktuell im Büro der Landestierschutzbeauftragten erarbeitet.
Spezielle Förderprogramme für Tierheime vor dem Hintergrund der aktuellen Preissteigerungen sind seitens der Landesregierung derzeit nicht in Planung.