Wie steht es um den Sanierungsbedarf der Talsperren in Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1592

des Abgeordneten Andreas Keith vom 23.03.2023

Wie steht es um den Sanierungsbedarf der Talsperren in Nordrhein-Westfalen?

In der aktuellen Fassung des Stauanlagenverzeichnisses vom 07.09.20171 beläuft sich die Anzahl der großen Stauanlagen in NRW, zu denen auch die Talsperren zählen, auf 210. Einige davon – wie etwa die Eschbach- und die Panzertalsperre bei Remscheid – sind bereits seit langem (1891 bzw. 1893) in Betrieb. Talsperren müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden.2 Zu diesem Zweck werden sie in angemessenen Zeitabständen, d. h. etwa alle 10 Jahre (DVWK-Merkblatt 231), einer vertieften Prüfung gemäß DIN 19700 unterzogen. Wie aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 52993 hervorgeht, sind die dafür von der Bezirksregierung Köln in der Vergangenheit festgesetzten Fristen im Fall einiger Talsperren um mehrere Jahre überschritten worden.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Stand der vertieften Überprüfungen nach DIN 19700 für alle Talsperren und Staustufen in Nordrhein-Westfalen? (Bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirken, Bearbeitungsstand, Aufforderungsdatum, Vorlagefrist, Überprüfungsergebnis, Sanierungsfrist und Datum des geplanten Unterlageneingangs bei Verfristung)
  2. Wann wurden bei den unter 1) aufgelisteten großen Stauanlagen zuletzt (grundlegende) Sanierungsmaßnahmen durchgeführt?
  3. Wie viele Anlagen, bei denen bisher keine vertiefte Überprüfung stattgefunden hat, wurden optisch geprüft bzw. gar nicht geprüft?
  4. Welche baulichen bzw. materiellen Mängel konnten dabei festgestellt werden?
  5. Auf welchen Umfang schätzt die Landesregierung die Mittel, die für die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen aller aktuell sanierungsbedürftigen Stauanlagen in NRW nötig wären?

Andreas Keith

 

Anfrage als PDF

 

1 Siehe Stauanlagenverzeichnis NRW unter: https:// recht .nrw.de/lmi/owa/br_show_anlage?p_id=35261

2 Vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz, § 76 Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz NRW

3 Vgl. Drucksache Nr. 13753


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1592 mit Schrei­ben vom 26. April 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Stauanlagen (Talsperren, Staustufen, Hochwasserrückhaltebecken, Pumpspeicherbecken, Sedimentationsbecken) prägen in einigen Landesteilen Nordrhein-Westfalens den Wasser­haushalt. Aufgrund des Gefährdungspotentials großer Stauanlagen erfüllen diese Anlagen in Deutschland und somit auch in Nordrhein-Westfalen einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Das Überwachungssystem ist entsprechend mehrschichtig aufgebaut.

So sind durch den Betreiber dauerhaft Messungen und Kontrollen durch qualifiziertes Stauan-lagenpersonal im Rahmen der Eigenüberwachung durchzuführen, regelmäßige Sicherheits­berichte zu erstellen und der zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die zuständige Aufsichtsbehörde prüft die Sicherheitsberichte und führt im Rahmen der Anlagenüberwachung regelmäßig Vor-Ort-Überprüfungen durch. In Ergänzung sind durch den Betreiber in angemes­senen Zeitabständen sogenannte vertiefte Überprüfungen vorzunehmen und der Aufsichtsbe­hörde vorzulegen. Im Zuge dieser vertieften Überprüfungen werden mit erheblichem Aufwand alle erforderlichen Sicherheitsnachweise erhoben und bewertet. Die vertiefte Überprüfung um­fasst Nachweise hinsichtlich der Hydrologie/Hydraulik, der Geotechnik, des Massivbaus, des Stahlwasserbaus und des Betriebs der jeweiligen Anlage. Werden im Rahmen der Überwa­chung oder der vertieften Überprüfung Mängel festgestellt, sind diese abzustellen. Die Aufsicht über die großen Stauanlagen obliegt in Nordrhein-Westfalen den Bezirksregierungen.

  1. Wie ist der aktuelle Stand der vertieften Überprüfungen nach DIN 19700 für alle Talsperren und Staustufen in Nordrhein-Westfalen? (Bitte aufschlüsseln nach Re­gierungsbezirken, Bearbeitungsstand, Aufforderungsdatum, Vorlagefrist, Über­prüfungsergebnis, Sanierungsfrist und Datum des geplanten Unterlageneingangs bei Verfristung)

Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen gemäß dem Stauanlagenverzeichnis in der Fassung vom 07.09.2017 insgesamt 109 Anlagen zum dauernden Speichern von Wasser nach § 75 Abs. 1 Landeswassergesetz (Talsperren und Staustufen). Den Stand der vertieften Überprü­fungen nach DIN 19700 für diese Anlagen ist der beigefügten Anlage 1 zu entnehmen. Sie enthält u.a. den aktuellen Stand für alle großen Talsperren und Staustufen, aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Bearbeitungsstand, Aufforderungsdatum, Vorlagefrist, Überprü­fungsergebnis, Sanierungsfrist und Datum des geplanten Unterlageneingangs bei Verfristung.

Die Kategorisierung des Überprüfungsergebnisses richtet sich nach der Anlage des fortge­schriebenen Erlasses zur risikobasierten Planung und Durchführung von medienübergreifen­den Umweltinspektionen (Umweltinspektionserlass4 vom 20.09.2021). Entsprechend der Be­griffsdefinition des Erlasses stellen geringfügige und erhebliche Mängel Verstöße gegen ma­terielle oder formelle Anforderungen dar. Je nach Art der Mängel sind diese Mängel innerhalb einer festgesetzten Frist zu beseitigen. Darüber hinaus definiert der Erlass die Kategorie schwerwiegende Mängel, die Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen darstel­len und die – im Gegensatz zu geringfügigen und erheblichen Mängel – zu akuten, gravieren­den Umweltbeeinträchtigungen führen können. Aus diesem Grund sind schwerwiegende Män­gel unverzüglich zu beseitigen. Bei Stauanlagen sind akute Gefährdungen der Standsicherheit als schwerwiegende Mängel zu kategorisieren.

Das Prüfergebnis der bereits abgeschlossenen vertieften Überprüfungen ergibt sich aus der Spalte „Überprüfungsergebnis“ der Anlage 1, wonach bislang bei keiner Anlage schwerwie­gende Mängel festgestellt wurden und dementsprechend die Standsicherheit dieser Anlagen gegeben ist.

  1. Wann wurden bei den unter 1) aufgelisteten großen Stauanlagen zuletzt (grundle­gende) Sanierungsmaßnahmen durchgeführt?

Die Antwort ist der tabellarischen Übersicht in Anlage 1, Spalte „Datum letzte (grundlegende) Sanierungsmaßnahmen“, zu entnehmen.

  1. Wie viele Anlagen, bei denen bisher keine vertiefte Überprüfung stattgefunden hat, wurden optisch geprüft bzw. gar nicht geprüft?

Die Bezirksregierungen überprüfen im Rahmen der Regelüberwachung regelmäßig alle gro­ßen Stauanlagen, die die Kriterien nach § 75 Absatz 1 Landeswassergesetz NRW erfüllen. Hierzu gehören alle in der Antwort zu Frage 1 geführten Talsperren und Staustufen. Bei diesen vor-Ort-Überprüfungen wird die jeweilige Stauanlage in Augenschein genommen und die Be­triebssicherheit stichprobenartig überprüft.

Für Anlagen, für die noch keine vertiefte Überprüfung abgeschlossen worden sind (s. Anlage 1), ist der Anlagenzustand entsprechend häufiger vor Ort in Augenschein zu nehmen.

  1. Welche baulichen bzw. materiellen Mängel konnten dabei festgestellt werden?

Die Antwort ist der tabellarischen Übersicht in Anlage 1, Spalte „Bauliche/Materielle Mängel letzte Anlagenschau“ zu entnehmen. In Ergänzung wird in der Spalte „Bemerkung“ der Um­gang mit erheblichen Mängeln dolumentiert.

  1. Auf welchen Umfang schätzt die Landesregierung die Mittel, die für die notwendi­gen Instandsetzungsmaßnahmen aller aktuell sanierungsbedürftigen Stauanlagen in NRW nötig wären?

Stauanlagen sind vom ihrem Betreiber nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Die Unterhaltungslast trägt der Anlagenbetreiber. Der Landesregierung liegt daher keine belastbare Aufstellung über den Umfang der Kos­ten für Instandsetzungsmaßnahmen vor. In der Kürze des Bearbeitungszeitraum kann dieser Stand darüber hinaus auch nicht ermittelt werden.

 

Antwort samt Anlage als PDF

Beteiligte:
Andreas Keith