Kleine Anfrage 4704
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Wie steht es um die zielscharfe Seuchenerfassung und Maßnahmen zum Seuchenschutz von bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen sowie diesbezüglichen Härtefallregelungen?
Das in allen EU-Mitgliedstaaten seit dem 21. April 2021 geltende neue Tiergesundheitsrecht (Animal Health Law, kurz AHL) ermöglicht zwar eine höhere Flexibilität bei der Auswahl von Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung, definiert aber alle Tierhalter vor dem Gesetz als Unternehmer. Dies bedeutet für Tierhalter eine Erweiterung ihres Pflichtenkataloges, insbesondere auf Ebene der Biosicherheitsmaßnahmen, um die Tiergesundheit zu erhalten.
Es ist diese gesetzliche Neuregelung, die gerade Nebenerwerbslandwirte und Hobbyhalter, die im Bereich des Erhalts bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen eine wichtige Rolle spielen, vor große Herausforderungen stellt.1
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie hoch ist die Mortalität in Beständen gefährdeter Nutztierrassen durch anzeige- und meldepflichtige Tierseuchen? (Bitte nach einzelnen bedrohten Tierrassen und Seuchen zahlenmäßig aufschlüsseln)
- Wie hoch ist die Impfquote bei bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen im Vergleich zu modernen Hochleistungsrassen? (Bitte aufschlüsseln nach Haupt- und Nebenerwerb der Betriebe und nach Rassen)
- Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob bei einem Ausbruch einer anzeigenpflichtigen Seuche in einem Stall zur Verhinderung der weiteren Verbreitung auch Tiere in benachbarten Ställen zu töten sind?
- Wie hoch fallen die Zuschüsse durch mögliche Förderprogramme des Landes bei Impfungen zur Vorbeugung anzeige-pflichtiger Tierseuchen aus? (Bitte nach alten und bedrohten Nutztierrassen und anderen Rassen aufschlüsseln)
- Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund des Schutzes bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen den grundsätzlichen Vorzug von Quarantänemaßnahmen gegenüber Keulungen im Seuchengeschehen?
Zacharias Schalley
1 Vgl. als stellvertretendes Beispiel https://www.nwzonline.de/friesland/sorge-vor-afrikanische-schweinepest-in-zetel-ehepaar-hat-aerger-mit-dem-veterinaeramt_a_4,0,266401164.html
Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4704 mit Schreiben vom 21. November 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Bereich der Nutztiere waren im Jahr 2024 Schweine, Geflügel, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Bienen und Fische sowie gegebenenfalls Gebrauchshunde von in der Europäischen Union meldepflichtigen Tierseuchen betroffen.
- Wie hoch ist die Mortalität in Beständen gefährdeter Nutztierrassen durch anzeige-und meldepflichtige Tierseuchen? (Bitte nach einzelnen bedrohten Tierrassen und Seuchen zahlenmäßig aufschlüsseln)
Dem Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2002 sind die in der Europäischen Union zu meldenden Seuchen zu entnehmen. In diesem Jahr sind in Nordrhein-Westfalen bei gehaltenen Nutztieren folgende Tierseuchen aufgetreten, die nach EU-Recht innerhalb der Union gemeldet werden müssen (Stand 7. November 2024, Tierseuchen-Nachrichtensystem):
– Hochpathogene Aviäre Influenza: 1 Ausbruch
– West-Nil-Fieber: 1 Ausbruch
– Infektiöse bovine Rhinotracheitis/infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis (IBR/IPV): 25 Ausbrüche
– Bovine Virus Diarrhö (BVD): 2 Ausbrüche
– Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3: 3344 Ausbrüche
Aktuelle Ausbruchszahlen können im TierSeuchenInformationsSystem (TSIS) unter https://tsis.fli.de/cadenza/ abgerufen werden.
Aus den verfügbaren Daten lassen sich allein schon für die Gesamtpopulation der einzelnen Tierarten für die meisten in der Union zu meldenden Tierseuchen keine Mortalitätsraten berechnen. Sobald Tötungen erfolgen, ist darüber hinaus keine Aussage hinsichtlich des Anteils der Tiere, die eine Infektion überleben würden, mehr möglich. Zum anderen erfordern derartige Berechnungen einen angemessenen Umfang an Beobachtungen.
- Wie hoch ist die Impfquote bei bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen im Vergleich zu modernen Hochleistungsrassen? (Bitte aufschlüsseln nach Haupt- und Nebenerwerb der Betriebe und nach Rassen)
Davon ausgehend, dass die Fragestellung darauf abzielt, inwieweit Tiere durch eine Impfung vor klinischen Erscheinungen der aktuell in Nordrhein-Westfalen auftretenden Tierseuchen geschützt sind, ist die Beantwortung dadurch limitiert, dass Impfungen nur gegen Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3 und das West-Nil-Fieber erlaubt und routinemäßig möglich sind. Im Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere, in dem Impfungen dokumentiert werden müssen, ist allerdings lediglich bei Rindern die Rasse hinterlegt und kann mit erfolgten Impfungen verknüpft werden. Bei Schweinen und kleinen Wiederkäuern wird nur die Anzahl der Tiere gemeldet, bei Pferden hingegen die Farbe.
Eine Aufschlüsselung nach Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben ist nicht möglich.
Dies bedeutet im Einzelnen:
– Hochpathogene Aviäre Influenza: Die Impfung gegen H5N1-Viren ist nicht möglich. Daher beträgt die Impfquote bei Geflügel – ungeachtet der Rasse – 0 %.
– West-Nil-Fieber: Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt die Impfung für Pferde. Daten zur Impfung werden in den einschlägigen Datenbanken nicht hinterlegt. Für die ebenfalls empfänglichen Vögel ist kein Impfstoff zugelassen. Hier liegt die Impfquote folglich bei 0 %.
– Infektiöse bovine Rhinotracheitis/infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis (IBR/IPV): Die Impfung ist seit dem 1. Juli 2015 verboten und nur unter bestimmten Auflagen anzuordnen
(Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689).
– Bovine Virus Diarrhö (BVD): Nordrhein-Westfalen ist bis auf wenige Kreise frei von Bo-
viner Virus Diarrhoe. In freien Kreisen ist die Impfung gegen Bovine Virus Diarrhö grundsätzlich verboten und nur unter bestimmten Bedingungen möglich (Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689). In nicht-freien Kreisen, die sich noch in der Tilgung befinden, werden derzeit in wenigen Betrieben auf amtliche Anordnung hin Impfungen durchgeführt um die Tilgung zu erreichen.
– Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3: Der Tabelle 1 können
die Zahlen der Rinder mit abgeschlossener Immunisierung gegen das Virus der Blau-zungenkrankheit vom Serotyp, aufgeschlüsselt nach der Rasse entnommen werden.
Tabelle 1: Rinder in Nordrhein-Westfalen mit abgeschlossener Grundimmunisierung ge-
gen Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3, aufgeschlüsselt nach Rasse (Herkunftssicherungs- und Informationssysteme für Tiere (HI-Tier), Stand 7. November 2024).
Rasse | Anzahl der Tiere | Impf-
quote (%) |
|
Gesamt | Grundimmunisie- rung | ||
Holstein Schwarzbunt | 509648 | 177624 | 34,9 |
Holstein Rotbunt | 116201 | 31826 | 27,4 |
Jersey | 4102 | 1610 | 39,2 |
Braunvieh | 9590 | 1828 | 19,1 |
Angler | 886 | 191 | 21,6 |
Rotvieh alter Angler Zuchtrichtung |
200 | 30 | 15,0 |
Doppelnutzung Rotbunt | 4273 | 326 | 7,6 |
Deutsches Schwarzbuntes Niede- rungsrind | 1020 | 57 | 5,6 |
Fleckvieh | 196753 | 8962 | 4,6 |
Gelbvieh | 263 | 0 | – |
Pinzgauer | 408 | 40 | 9,8 |
Hinterwälder | 222 | 14 | 6,3 |
Murnau-Werdenfelser | 5 | 0 | – |
Vorderwälder | 290 | 2 | 0,7 |
Lipurger Rind | 3 | 0 | – |
Braunvieh alte Zuchtrichtung | 182 | 14 | 7,7 |
Ayrshire | 5 | 4 | 80,0 |
Vogesen-Rind | 10 | 0 | – |
Charolais | 22009 | 754 | 3,4 |
Limousin | 48802 | 1938 | 4,0 |
Weißblaue Belgier | 1013 | 22 | 2,2 |
Blonde d’Aquitaine | 7339 | 304 | 4,1 |
Maine-Anjou | 245 | 42 | 17,1 |
Salers | 345 | 5 | 1,4 |
Montbeliard | 34 | 20 | 58,8 |
Aubrac | 1124 | 32 | 2,8 |
Piemonteser | 777 | 52 | 6,7 |
Chianina | 115 | 27 | 23,5 |
Marchigiana | 38 | 10 | 26,3 |
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 18. Wahlperiode | Drucksache 18/11532 | ||
White Park | 11 | 0 | – |
Angus | 9208 | 432 | 4,7 |
Angus/AA | 2070 | 148 | 7,1 |
Hereford | 1623 | 129 | 7,9 |
Deutsches Shorthorn | 224 | 7 | 3,1 |
Highland Cattle | 6489 | 313 | 4,8 |
Welsh-Black | 554 | 69 | 12,5 |
Galloway | 5309 | 273 | 5,1 |
Licoln Red | 2 | 0 | – |
Belted Galloway | 1069 | 85 | 8,0 |
Luing | 13 | 0 | – |
Normanne | 65 | 16 | 24,6 |
Ungarisches Steppenrind | 20 | 2 | 10,0 |
Zwerg-Zebus | 898 | 21 | 2,3 |
Grauvieh | 191 | 50 | 26,2 |
Fortsetzung Tabelle 1
Rasse | Anzahl der Tiere | Impf-
quote (%) |
|
Gesamt | Grundimmunisie- rung | ||
Dexter | 1588 | 144 | 9,1 |
White Galloway | 844 | 35 | 4,1 |
Longhorn | 508 | 142 | 28,0 |
Fjäll-Rind | 62 | 8 | 12,9 |
Tuxer | 13 | 0 | – |
Fleckvieh-Simmental | 11661 | 293 | 2,5 |
Uckermärker | 5207 | 40 | 0,8 |
Blaarkop | 2 | 0 | – |
Witrug | 23 | 5 | 21,7 |
Rotes Höhenvieh | 1334 | 55 | 4,1 |
Ansbach-Triesdorfer | 115 | 5 | 4,3 |
Glanrind | 2021 | 38 | 1,9 |
Pinzgauer Fleischnutzung | 1001 | 79 | 7,9 |
Pustertaler | 172 | 17 | 9,9 |
Gelbvieh Fleischnutzung | 488 | 30 | 6,1 |
Braunvieh Fleischnutzung | 54 | 4 | 7,4 |
Rotbunt Fleischnutzung | 328 | 15 | 4,6 |
Hinterwälder Fleischnutzung | 166 | 4 | 2,4 |
Vorderwälder Fleischnutzung | 3 | 0 | – |
Heckrind (Rückzüchtung) | 667 | 21 | 3,1 |
Beefalo | 8 | 0 | – |
Wasserbüffel | 1021 | 10 | 1,0 |
Bison/Wisent | 179 | 25 | 14,0 |
Yak | 54 | 4 | 7,4 |
Texas Longhorn | 63 | 0 | – |
Murray Grey | 1 | 0 | – |
Eringer | 1 | 0 | – |
Parthenaise | 8 | 0 | – |
Sonstige Rassen | 8268 | 333 | 4,0 |
Sonstige taurine Rinder taurus) | (Bos 317 | 66 | 20,8 |
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 18. Wahlperiode | Drucksache 18/11532 | |
Sonstige Zebu-Rinder (Bos indi- 35 cus)
Sonstige taur-indicus Rinder 42 Wagyu 2829 Kreuzungen ohne Angabe der 244000 Rasse |
5
9 274 14506 |
14,3
21,4 9,7 5,9 |
- Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob bei einem Ausbruch einer anzeigenpflichtigen Seuche in einem Stall zur Verhinderung der weiteren Verbreitung auch Tiere in benachbarten Ställen zu töten sind?
Die kleinste Einheit der Tierseuchenbekämpfung ist in Nordrhein-Westfalen der Kreis. Die zuständige Kreisordnungsbehörde entscheidet, gegebenenfalls in Rücksprache mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes, welche Maßnahmen im Fall des Ausbruchs einer in der Europäischen Union zu meldenden Tierseuche getroffen werden. Der Entscheidung liegen stets die einschlägigen Rechtsnormen (Verordnung (EU) 2016/429 sowie Folgeverordnungen) sowie wissenschaftliche Erkenntnisse zu den einzelnen Seuchen und die aktuelle epidemiologische Situation zu Grunde. Eine pauschale Beantwortung der Frage ohne konkretes Szenario ist nicht möglich.
- Wie hoch fallen die Zuschüsse durch mögliche Förderprogramme des Landes bei Impfungen zur Vorbeugung anzeige-pflichtiger Tierseuchen aus? (Bitte nach alten und bedrohten Nutztierrassen und anderen Rassen aufschlüsseln)
Unabhängig von der Rasse können bei der Tierseuchenkasse Nordrhein-Westfalen Beihilfen für bestimmte Impfungen von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen beantragt werden. Dies beinhaltet auch Impfungen gegen in der Europäischen Union zu meldende Tierseuchen. Die aktuellen Beihilferichtlinien sind unter https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirt-schaft/tierseuchenkasse/leistungen/beihilfen/index.htm zu finden.
- Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund des Schutzes bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen den grundsätzlichen Vorzug von Quarantänemaßnahmen gegenüber Keulungen im Seuchengeschehen?
Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
Vorgesehene Bekämpfungsmaßnahmen orientieren sich an der Einteilung der Seuchen in verschiedene Kategorien (siehe Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882). Im Europäischen Recht ist bei einem Ausbruch einer sogenannten A-Seuche durch die zuständige Kreisordnungsbehörde grundsätzlich die Tötung aller Tiere im Betrieb, mindestens aber der betroffenen epidemiologischen Einheit anzuordnen (Artikel 12 und 13 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/687). Sofern die epidemiologische Situation es erfordert, können auch in Betrieben, bei denen der Verdacht auf eine Seuche der Kategorie A besteht, Präventivtötungen angeordnet werden (Artikel 7 derselben Verordnung). Anderseits kann in begründeten Fällen von einer Sonderregelung Gebrauch gemacht werden, so dass auch in Ausbruchsbetrieben eine Quarantäne ansteckungsverdächtiger Tiere möglich ist (Artikel 13 derselben Verordnung,). Welche Maßnahmen angeordnet werden, ist im Einklang mit europäischem Recht unter anderem von der jeweiligen Seuche und der epidemiologischen Situation abhängig zu machen. Eine pauschale Beantwortung der Frage ohne konkretes Szenario ist nicht möglich.