Wie steht es um die zielscharfe Seuchenerfassung und Maßnahmen zum Seuchenschutz von bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen sowie diesbezüglichen Härtefallregelungen?

Kleine Anfrage
vom 31.10.2024

Kleine Anfrage 4704

des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD

Wie steht es um die zielscharfe Seuchenerfassung und Maßnahmen zum Seuchenschutz von bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen sowie diesbezüglichen Härtefallregelungen?

Das in allen EU-Mitgliedstaaten seit dem 21. April 2021 geltende neue Tiergesundheitsrecht (Animal Health Law, kurz AHL) ermöglicht zwar eine höhere Flexibilität bei der Auswahl von Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung, definiert aber alle Tierhalter vor dem Gesetz als Unternehmer. Dies bedeutet für Tierhalter eine Erweiterung ihres Pflichtenkataloges, insbesondere auf Ebene der Biosicherheitsmaßnahmen, um die Tiergesundheit zu erhalten.

Es ist diese gesetzliche Neuregelung, die gerade Nebenerwerbslandwirte und Hobbyhalter, die im Bereich des Erhalts bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen eine wichtige Rolle spielen, vor große Herausforderungen stellt.1

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie hoch ist die Mortalität in Beständen gefährdeter Nutztierrassen durch anzeige- und meldepflichtige Tierseuchen? (Bitte nach einzelnen bedrohten Tierrassen und Seuchen zahlenmäßig aufschlüsseln)
  2. Wie hoch ist die Impfquote bei bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen im Vergleich zu modernen Hochleistungsrassen? (Bitte aufschlüsseln nach Haupt- und Nebenerwerb der Betriebe und nach Rassen)
  3. Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob bei einem Ausbruch einer anzeigenpflichtigen Seuche in einem Stall zur Verhinderung der weiteren Verbreitung auch Tiere in benachbarten Ställen zu töten sind?
  4. Wie hoch fallen die Zuschüsse durch mögliche Förderprogramme des Landes bei Impfungen zur Vorbeugung anzeige-pflichtiger Tierseuchen aus? (Bitte nach alten und bedrohten Nutztierrassen und anderen Rassen aufschlüsseln)
  5. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund des Schutzes bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen den grundsätzlichen Vorzug von Quarantänemaßnahmen gegenüber Keulungen im Seuchengeschehen?

Zacharias Schalley

 

MMD18-11259

 

1 Vgl. als stellvertretendes Beispiel https://www.nwzonline.de/friesland/sorge-vor-afrikanische-schweinepest-in-zetel-ehepaar-hat-aerger-mit-dem-veterinaeramt_a_4,0,266401164.html


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4704 mit Schreiben vom 21. November 2024 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Im Bereich der Nutztiere waren im Jahr 2024 Schweine, Geflügel, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Bienen und Fische sowie gegebenenfalls Gebrauchshunde von in der Europäischen Union meldepflichtigen Tierseuchen betroffen.

  1. Wie hoch ist die Mortalität in Beständen gefährdeter Nutztierrassen durch anzeige-und meldepflichtige Tierseuchen? (Bitte nach einzelnen bedrohten Tierrassen und Seuchen zahlenmäßig aufschlüsseln)

Dem Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2002 sind die in der Europäischen Union zu meldenden Seuchen zu entnehmen. In diesem Jahr sind in Nordrhein-Westfalen bei gehaltenen Nutztieren folgende Tierseuchen aufgetreten, die nach EU-Recht innerhalb der Union gemeldet werden müssen (Stand 7. November 2024, Tierseuchen-Nachrichtensystem):

–          Hochpathogene Aviäre Influenza: 1 Ausbruch

–          West-Nil-Fieber: 1 Ausbruch

–        Infektiöse bovine Rhinotracheitis/infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis (IBR/IPV): 25 Aus­brüche

–          Bovine Virus Diarrhö (BVD): 2 Ausbrüche

–          Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3: 3344 Ausbrüche

Aktuelle Ausbruchszahlen können im TierSeuchenInformationsSystem (TSIS) unter https://tsis.fli.de/cadenza/ abgerufen werden.

Aus den verfügbaren Daten lassen sich allein schon für die Gesamtpopulation der einzelnen Tierarten für die meisten in der Union zu meldenden Tierseuchen keine Mortalitätsraten be­rechnen. Sobald Tötungen erfolgen, ist darüber hinaus keine Aussage hinsichtlich des Anteils der Tiere, die eine Infektion überleben würden, mehr möglich. Zum anderen erfordern derartige Berechnungen einen angemessenen Umfang an Beobachtungen.

  1. Wie hoch ist die Impfquote bei bedrohten alten Haus- und Nutztierrassen im Ver­gleich zu modernen Hochleistungsrassen? (Bitte aufschlüsseln nach Haupt- und Nebenerwerb der Betriebe und nach Rassen)

Davon ausgehend, dass die Fragestellung darauf abzielt, inwieweit Tiere durch eine Impfung vor klinischen Erscheinungen der aktuell in Nordrhein-Westfalen auftretenden Tierseuchen geschützt sind, ist die Beantwortung dadurch limitiert, dass Impfungen nur gegen Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3 und das West-Nil-Fieber erlaubt und routinemäßig möglich sind. Im Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere, in dem Impfungen dokumentiert werden müssen, ist allerdings lediglich bei Rindern die Rasse hinter­legt und kann mit erfolgten Impfungen verknüpft werden. Bei Schweinen und kleinen Wieder­käuern wird nur die Anzahl der Tiere gemeldet, bei Pferden hingegen die Farbe.

Eine Aufschlüsselung nach Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben ist nicht möglich.

Dies bedeutet im Einzelnen:

–        Hochpathogene Aviäre Influenza: Die Impfung gegen H5N1-Viren ist nicht möglich. Da­her beträgt die Impfquote bei Geflügel – ungeachtet der Rasse – 0 %.

–        West-Nil-Fieber: Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt die Impfung für Pferde. Daten zur Impfung werden in den einschlägigen Datenbanken nicht hinter­legt. Für die ebenfalls empfänglichen Vögel ist kein Impfstoff zugelassen. Hier liegt die Impfquote folglich bei 0 %.

–        Infektiöse bovine Rhinotracheitis/infektiöse Pustulöse Vulvovaginitis (IBR/IPV): Die Imp­fung ist seit dem 1. Juli 2015 verboten und nur unter bestimmten Auflagen anzuordnen

(Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689).

– Bovine Virus Diarrhö (BVD): Nordrhein-Westfalen ist bis auf wenige Kreise frei von Bo-

viner Virus Diarrhoe. In freien Kreisen ist die Impfung gegen Bovine Virus Diarrhö grund­sätzlich verboten und nur unter bestimmten Bedingungen möglich (Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitte 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689). In nicht-freien Kreisen, die sich noch in der Tilgung befinden, werden derzeit in wenigen Betrieben auf amtliche Anordnung hin Impfungen durchgeführt um die Tilgung zu erreichen.

–    Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3: Der Tabelle 1 können

die Zahlen der Rinder mit abgeschlossener Immunisierung gegen das Virus der Blau-zungenkrankheit vom Serotyp, aufgeschlüsselt nach der Rasse entnommen werden.

Tabelle 1: Rinder in Nordrhein-Westfalen mit abgeschlossener Grundimmunisierung ge-

gen Infektionen mit dem Virus der Blauzungenkrankheit vom Serotyp 3, aufgeschlüsselt nach Rasse (Herkunftssicherungs- und Informationssysteme für Tiere (HI-Tier), Stand 7. November 2024).

Rasse Anzahl der Tiere Impf-

quote (%)

Gesamt Grundimmunisie- rung
Holstein Schwarzbunt 509648 177624 34,9
Holstein Rotbunt 116201 31826 27,4
Jersey 4102 1610 39,2
Braunvieh 9590 1828 19,1
Angler 886 191 21,6
Rotvieh alter Angler
Zuchtrichtung
200 30 15,0
Doppelnutzung Rotbunt 4273 326 7,6
Deutsches Schwarzbuntes Niede- rungsrind 1020 57 5,6
Fleckvieh 196753 8962 4,6
Gelbvieh 263 0
Pinzgauer 408 40 9,8
Hinterwälder 222 14 6,3
Murnau-Werdenfelser 5 0
Vorderwälder 290 2 0,7
Lipurger Rind 3 0
Braunvieh alte Zuchtrichtung 182 14 7,7
Ayrshire 5 4 80,0
Vogesen-Rind 10 0
Charolais 22009 754 3,4
Limousin 48802 1938 4,0
Weißblaue Belgier 1013 22 2,2
Blonde d’Aquitaine 7339 304 4,1
Maine-Anjou 245 42 17,1
Salers 345 5 1,4
Montbeliard 34 20 58,8
Aubrac 1124 32 2,8
Piemonteser 777 52 6,7
Chianina 115 27 23,5
Marchigiana 38 10 26,3

 

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 18. Wahlperiode Drucksache 18/11532
White Park 11 0
Angus 9208 432 4,7
Angus/AA 2070 148 7,1
Hereford 1623 129 7,9
Deutsches Shorthorn 224 7 3,1
Highland Cattle 6489 313 4,8
Welsh-Black 554 69 12,5
Galloway 5309 273 5,1
Licoln Red 2 0
Belted Galloway 1069 85 8,0
Luing 13 0
Normanne 65 16 24,6
Ungarisches Steppenrind 20 2 10,0
Zwerg-Zebus 898 21 2,3
Grauvieh 191 50 26,2

 

Fortsetzung Tabelle 1

Rasse Anzahl der Tiere Impf-

quote (%)

Gesamt Grundimmunisie- rung
Dexter 1588 144 9,1
White Galloway 844 35 4,1
Longhorn 508 142 28,0
Fjäll-Rind 62 8 12,9
Tuxer 13 0
Fleckvieh-Simmental 11661 293 2,5
Uckermärker 5207 40 0,8
Blaarkop 2 0
Witrug 23 5 21,7
Rotes Höhenvieh 1334 55 4,1
Ansbach-Triesdorfer 115 5 4,3
Glanrind 2021 38 1,9
Pinzgauer Fleischnutzung 1001 79 7,9
Pustertaler 172 17 9,9
Gelbvieh Fleischnutzung 488 30 6,1
Braunvieh Fleischnutzung 54 4 7,4
Rotbunt Fleischnutzung 328 15 4,6
Hinterwälder Fleischnutzung 166 4 2,4
Vorderwälder Fleischnutzung 3 0
Heckrind (Rückzüchtung) 667 21 3,1
Beefalo 8 0
Wasserbüffel 1021 10 1,0
Bison/Wisent 179 25 14,0
Yak 54 4 7,4
Texas Longhorn 63 0
Murray Grey 1 0
Eringer 1 0
Parthenaise 8 0
Sonstige Rassen 8268 333 4,0
Sonstige taurine Rinder taurus) (Bos 317 66 20,8

 

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 18. Wahlperiode Drucksache 18/11532
Sonstige Zebu-Rinder (Bos indi- 35 cus)

Sonstige taur-indicus Rinder              42

Wagyu                                                 2829

Kreuzungen ohne Angabe der 244000 Rasse

5

9

274

14506

14,3

21,4

9,7

5,9

 

  1. Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob bei einem Ausbruch einer anzeigenpflichtigen Seuche in einem Stall zur Verhinderung der weiteren Verbreitung auch Tiere in benachbarten Ställen zu töten sind?

Die kleinste Einheit der Tierseuchenbekämpfung ist in Nordrhein-Westfalen der Kreis. Die zu­ständige Kreisordnungsbehörde entscheidet, gegebenenfalls in Rücksprache mit dem Lan­desamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes, welche Maßnahmen im Fall des Ausbruchs einer in der Euro­päischen Union zu meldenden Tierseuche getroffen werden. Der Entscheidung liegen stets die einschlägigen Rechtsnormen (Verordnung (EU) 2016/429 sowie Folgeverordnungen) so­wie wissenschaftliche Erkenntnisse zu den einzelnen Seuchen und die aktuelle epidemiologi­sche Situation zu Grunde. Eine pauschale Beantwortung der Frage ohne konkretes Szenario ist nicht möglich.

  1. Wie hoch fallen die Zuschüsse durch mögliche Förderprogramme des Landes bei Impfungen zur Vorbeugung anzeige-pflichtiger Tierseuchen aus? (Bitte nach alten und bedrohten Nutztierrassen und anderen Rassen aufschlüsseln)

Unabhängig von der Rasse können bei der Tierseuchenkasse Nordrhein-Westfalen Beihilfen für bestimmte Impfungen von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen beantragt werden. Dies beinhaltet auch Impfungen gegen in der Europäischen Union zu meldende Tierseuchen. Die aktuellen Beihilferichtlinien sind unter https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirt-schaft/tierseuchenkasse/leistungen/beihilfen/index.htm zu finden.

  1. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund des Schutzes bedrohter alter Haus- und Nutztierrassen den grundsätzlichen Vorzug von Quarantänemaß­nahmen gegenüber Keulungen im Seuchengeschehen?

Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

Vorgesehene Bekämpfungsmaßnahmen orientieren sich an der Einteilung der Seuchen in ver­schiedene Kategorien (siehe Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882). Im Europäischen Recht ist bei einem Ausbruch einer sogenannten A-Seuche durch die zuständige Kreisord­nungsbehörde grundsätzlich die Tötung aller Tiere im Betrieb, mindestens aber der betroffe­nen epidemiologischen Einheit anzuordnen (Artikel 12 und 13 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/687). Sofern die epidemiologische Situation es erfordert, können auch in Betrieben, bei denen der Verdacht auf eine Seuche der Kategorie A besteht, Präventivtötungen angeord­net werden (Artikel 7 derselben Verordnung). Anderseits kann in begründeten Fällen von einer Sonderregelung Gebrauch gemacht werden, so dass auch in Ausbruchsbetrieben eine Qua­rantäne ansteckungsverdächtiger Tiere möglich ist (Artikel 13 derselben Verordnung,). Welche Maßnahmen angeordnet werden, ist im Einklang mit europäischem Recht unter anderem von der jeweiligen Seuche und der epidemiologischen Situation abhängig zu machen. Eine pau­schale Beantwortung der Frage ohne konkretes Szenario ist nicht möglich.

 

MMD18-11532