Wieder mehr Demokratie wagen! – Die Meinungs- und Informationsfreiheit als ein kon-stituierendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wiederherstel-len. Die Landespolitik in Nordrhein- Westfalen muss hierbei Vorreiter sein!

Antrag
vom 20.03.2025

Antrag

der Fraktion der AfD

Wieder mehr Demokratie wagen! – Die Meinungs- und Informationsfreiheit als ein kon­stituierendes Prinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wiederherstel­len. Die Landespolitik in Nordrhein- Westfalen muss hierbei Vorreiter sein!

I. Ausgangslage

Der Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert jeden Bürger das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten1. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gibt im Artikel 11 jeder „Person das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzuge­ben. Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“2. Ebenso Artikel 19 der „All­gemeine Erklärung der Menschenrechte“ der UNO spricht vom: „Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“3

Der am 17. Februar 2024 in Kraft getretene Digital Services Act der EU (DSA) möchte, laut Intention und Absichtserklärungen seiner Initiatoren angeblich diese Meinungsfreiheit auch im Internet erhalten.

So schrieb der ehemalige EU-Kommissar für den EU-Binnenmarkt, Thierry Breton: „der DSA ist da, um die Meinungsfreiheit vor willkürlichen Entscheidungen zu schützen und gleichzeitig unsere Bürger und Demokratien vor illegalen Inhalten zu bewahren.“4

Kritiker, wie das deutsche Politikmagazin Cicero, sehen in vielen schwammigen Begriffen des DSA eine Gefahr der Überzensur und sehen dabei den Bestimmtheitsgrundsatz gefährdet. Unter der Überschrift: „Die Meinungsfreiheit stirbt hinter schönen Fassaden“ übt der Autor fun­damentale Kritik am Digital Services Act: „Die Annahme liegt nahe, dass der Einsatz dieser Unschärfemethode nicht von Ungefähr kommt, befördert sie doch beim Bürger die Furcht, in Verdacht geraten zu können. Methodisch wird ein Klima des gegenseitigen Misstrauens er­zeugt.“ Und weiter schreibt das Magazin: „Die Brisanz des DSA ist für den Bürger wegen des­sen Umfang und der Komplexität der Materie nicht unmittelbar erkennbar. Die Gefahr für demokratische Grundrechte verwirklicht sich nur schleichend und ist professionell hinter einer rechtsstaatlichen Fassade versteckt.“5

Neuen Schwung in die Debatte um die Meinungs- und Informationsfreiheit in der EU und in Deutschland hat die Rede des US-Vize J.D. Vance anlässlich der Münchner Sicherheitskon­ferenz ein Jahr nach Inkrafttreten des Digital Services Acts, am 14. Februar 2025 gebracht: In Zusammenfassung seiner Rede betonte er folgende essenzielle Punkte:

–        Er sieht die Meinungsfreiheit als Grundpfeiler der Demokratie und widersprach allen Ver­suchen der Lenkung und Unterdrückung von Meinung.

–         Zensur jeglicher Art führt am Ende zur Unterdrückung der Freiheit jedes Einzelnen.

–        Er betont das die Stärke von Demokratie sich dadurch auszeichnet, dass sie unpopuläre Meinung nicht unterdrückt, sondern ihr auch Raum für Dialog und Auseinandersetzung gibt.

–        Der in der Wahl bestimmter Parteien formulierte Wunsch der Bevölkerung nach Gehör ihrer Probleme sollte niemals ignoriert, beschimpft oder gar unterdrückt werden.

–         Demokratie lebt von der offen gelebten Auseinandersetzung mit Dissens.

–         Ausgrenzung und verordneter Konsens schwächen die demokratischen Institutionen.

Diese Rede wirkte überraschenderweise wie ein Griff ins Wespennest: Die Reaktionen vieler deutscher Politiker und Regierungsmitglieder fiel sehr emotional aus.

Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sah in dieser Rede eine nicht zu verzeihende Einmi­schung in den aktuellen Wahlkampf zur Bundestagswahl.

Der deutsche Bundesminister für Verteidigung, Boris Pistorius (SPD) reagierte ebenfalls scharf auf Vance’s Rede und bezeichnete dessen Vergleich europäischer Demokratien mit autoritä­ren Regimen als „nicht akzeptabel“, ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und widersprach der Einschätzung von Vance, dass die eigentliche Gefahr für die Demokratie in Europa nicht von Russland ausgehe.6 Auch Friedrich Merz (CDU) sah die Rede von Vance kritisch: „Es ist fast schon ein übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbeson­dere mit uns Deutschen“. 7 Die ehemalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bun­destag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) meinte hingegen ablehnend auf „X“: „Die Rede von US-Vizepräsident Vance auf der #MSC2025 war ein bizarrer intellektueller Tiefflug und hat auf einer internationalen Sicherheitskonferenz nichts zu suchen.“. 8

Die Reaktionen vieler etablierter Politiker in Deutschland zeigen auf, dass auch 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Diskussionsbedarf über das Wesen der westlichen Demokratie herrscht.

Als der neue Generalsekretär der KPdSU, Michael Gorbatschow seine Visionen von Glasnost und Perestroika 1987 der breiten Öffentlichkeit vorstellte, sahen es Regierungschefs des War­schauer Paktes als Affront gegen ihr Selbstverständnis von Volks-Demokratie. Erich Ho­necker, der ehemalige Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Staatsratsvorsit­zende der DDR lehnte rundum die Reformbewegung der UdSSR ab und Verbot sogar Schrif­ten aus der UdSSR, die den Kurs von Glasnost und Perestroika propagierten.

Grund war laut Geschichtsschreibung, dass Honecker wie auch andere sozialistische Staats­chefs in dieser Reformbewegung den Führungsanspruch gefährdet sahen und dabei Opposi­tion und freie Wahlen fürchteten.

Am Ende jedoch behielt Michael Gorbatschow Recht, als er 1989 anlässlich des letzten Jah­restages der DDR-Gründung sagte „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.

Politiker des Landes Nordrhein-Westfalen haben seit jeher, vor allem auch durch ihre Ge­schichte und die räumliche Nähe zu anderen westeuropäischen Staaten ein besonders Ver­hältnis zur Freiheit und der transatlantischen Freundschaft. Mittlerweile als historisch geltende Reden zur Freiheit von NRW-Politikern von Konrad Adenauer bis hin zu Guido Westerwelle, haben immer wieder an den Wert der Freiheit und des demokratischen Diskurses appelliert. Die Rede vom US-Vize Vance soll auch als Weckruf an die hiesige Politik in NRW verstanden werden, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erneut als eine Art Nukleus die Debatte um Meinungsfreiheit, Demokratie und Gefahren der Zensur neu voranzutreiben.

Jedoch zeigt bereits das Eckpunktepapier der Sondierung zu den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD, dass dieses freiheitliche Verständnis nicht mehr in der einst bürger­lichen Partei CDU zu Hause ist. Deren in Nordrhein-Westfalen lebende Parteichef hat zuletzt noch einmal durch seine Äußerungen bewiesen, dass er als Machtpolitiker ein Freund der gelenkten Medien- und Meinungsvielfalt ist und gemeinsam mit der SPD den „Digital Services Act (DSA) der EU auf nationaler Ebene konsequent durchsetzen“ will.9

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Die Meinungsfreiheit ist eine Grundlage jeder Demokratie und muss auch im digitalen Raum absolut gewährleistet sein;
  2. Zensur und Overblocking führen zu einer Einschränkung des öffentlichen Diskurses und gefährden die Vielfalt der Meinungen;
  3. Staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit können missbraucht werden, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken;
  4. Eine offene und freie Debatte ist notwendig, um die Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu bewältigen und die Demokratie zu stärken

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Sich auf allen nationalen und europäischen Ebenen für eine kritische Überprüfung und gegebenenfalls Abschaffung des Digital Services Acts und seiner deutschen Umsetzun­gen einzusetzen
  2. Auf Ebenen der Kinder- und Erwachsenenbildung die individuelle Förderung der Medi­enkompetenz und des kritischen Denkens auszubauen.
  3. Sich deutschland- und europaweit für den Schutz von Whistleblowern und Journalisten aller Medientypen, die Missstände aufdecken, einzusetzen sowie sich Rufmordkampag-nen, Zersetzungs- und Desavouierungsversuchen von Investigativjournalisten entge­genzustellen.

Sven W. Tritschler
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose

und Fraktion

 

MMD18-13168

 

1 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html

2 https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

3 https://unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/

4 https://www.linkedin.com/posts/thierrybreton_dsa-activity-7100895644386480128-8hk7

5 https://www.cicero.de/kultur/-der-digital-services-act-im-licht-der-verfassung

6https://m.focus.de/politik/ausland/newsticker-zur-msc-groesster-feind-ist-putins-russland-baerbock-wi-derspricht-vance-in-afd-aussage_id_260720478.html

7 https://www.welt.de/politik/deutschland/article255442658/Reaktionen-auf-Vance-Rede-Kuemmere-dich-um-deinen-eigenen-Kram-poebelt-Habeck.html

8 https://x.com/MAStrackZi/status/1890477404524806238?mx=2

9 https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20250308_Sondierungspa-pier_CDU_CSU_SPD.pdf

5 https://www.cicero.de/kultur/-der-digital-services-act-im-licht-der-verfassung

6https://m.focus.de/politik/ausland/newsticker-zur-msc-groesster-feind-ist-putins-russland-baerbock-wi-derspricht-vance-in-afd-aussage_id_260720478.html

7 https://www.welt.de/politik/deutschland/article255442658/Reaktionen-auf-Vance-Rede-Kuemmere-dich-um-deinen-eigenen-Kram-poebelt-Habeck.html

8 https://x.com/MAStrackZi/status/1890477404524806238?mx=2

9 https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20250308_Sondierungspa-pier_CDU_CSU_SPD.pdf

Beteiligte:
Sven Tritschler