„Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wo deine Kinder zur Schule gehen“1 – Bedrohung von Polizeibeamten und Mitarbeitern städtischer Verwaltungen durch Mitglieder krimineller Clans in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 08.01.2020

Kleine Anfrage 3294des Abgeordneten Markus Wagner, verfasst am 08.01.2020

 

„Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wo deine Kinder zur Schule gehen“1 – Bedrohung von Polizeibeamten und Mitarbeitern städtischer Verwaltungen durch Mitglieder krimineller Clans in Nordrhein-Westfalen

Bedrohungen, ein höchstaggressives Auftreten und die Beanspruchung öffentlicher Räume gehören zum Alltagsgebaren von kriminellen Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien. Sie schüchtern die Bevölkerung ein2, wollen in den für sich selbst beanspruchten Vierteln ihr eigenes Recht durchsetzen, oder erpressen Inhaber lokaler Geschäfte. Auch städtischen Verwaltungsmitarbeitern gegenüber verhalten sich Clanmitglieder besonders offensiv, um ihren Willen durchzusetzen.3

Aggressionen, Respektlosigkeiten und Gewalt(-bereitschaft) richten sich aber stets auch gegen Einsatzkräfte im Dienst4: Beispielsweise fahren Clanmitglieder langsam an Polizeistreifen vorbei und provozieren diese durch Hupen, Gestik und Rufe. Werden dann Personen und Fahrzeuge kontrolliert, versuchen die Clanmitglieder die Beamten einzuschüchtern.

Polizeibeamte berichten zuweilen jedoch auch von ihren negativen Erfahrungen, „wenn Clanmitglieder sie bis vor die Haustür verfolgen und sie in den Rückspiegel schauen müssen, weil sie befürchten, verfolgt zu werden.“5 Jüngst berichteten mehrere Medien von besonders drastischen Fällen aus dem Nachbarbundesland Niedersachsen, über die der Osnabrücker Polizeipräsident sprach:

„die Beamten werden nicht nur im Einsatz bedroht, sondern auch im privaten Umfeld angegangen. So hätten Clan-Mitglieder die Beamten auf dem Nachhauseweg verfolgt oder vor deren Privatwohnung geparkt.“6

Ein anderer Polizist sei von einem Clanmitglied angesprochen worden, als dieser privat mit seinem Sohn in einem Fitnessstudio Sport trieb.7

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Polizeibeamte durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien im Dienst bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

2. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien im Dienst bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

3. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Polizeibeamte durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien jenseits des Dienstes in ihrem Privatleben bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

4. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien jenseits des Dienstes in ihrem Privatleben bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

5. Wie bewertet die Landesregierung die Gefährdungslage für Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr und Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen, die in ihrem Dienstalltag (regelmäßig) in Kontakt mit Clanangehörigen treten müssen?

Markus Wagner

 

Antwort als PDF laden

 

1 Der Westen (2019): Clan: Mitglied sieht Polizist mit Sohn in Fitnessstudio – dann wird’s brenzlig; onli­ne im Internet: https://www.derwesten.de/region/clan-clans-4-blocks-polizei-id227858947.html.

2 Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2019): Clankriminalität – Lagebild NRW 2018, Düsseldorf, S. 6.

3 Vgl. General-Anzeiger (2019): Kriminelle Clans bedrohen Polizisten; online im Internet: https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/panorama/kriminelle-clans-in-nrw-mitglieder-arabischer-grossfamilien-bedrohen-polizisten_aid-46111815.

4 Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2019): Clankriminalität – Lagebild NRW 2018, Düsseldorf, S. 6

5 General-Anzeiger (2019): Kriminelle Clans bedrohen Polizisten; online im Internet: https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/panorama/kriminelle-clans-in-nrw-mitglieder-arabischer-grossfamilien-bedrohen-polizisten_aid-46111815.

6 Der Westen (2019): Clan: Mitglied sieht Polizist mit Sohn in Fitnessstudio – dann wird’s brenzlig; online im Internet: https://www.derwesten.de/region/clan-clans-4-blocks-polizei-id227858947.html.

7 Vgl. ebd..


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 06.02.2020

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3294 mit Schreiben vom 6. Februar 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister der Finanzen, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Schule und Bildung, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, dem Minister der Justiz, dem Minister für Verkehr, der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

Vorbemerkungen der Landesregierung:

Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien.

Als Basis der PKS-Recherche diente der Straftatenkatalog des Lagebildes NRW „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte“.

1. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Polizeibeamte durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien im Dienst bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

Unter Zugrundelegung der im Lagebild Clankriminalität 2018 genutzten Definition weisen 49 der insgesamt 7.939 Aggressionsdelikte zum Nachteil von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten einen Clanbezug auf.

In allen 49 Fällen handelt es sich um vollendete Straftaten, die nach den jeweiligen Straftatbeständen wie folgt aufgeschlüsselt werden können:

– Abbildung in PDF –

Hinsichtlich etwaiger Sachverhalte unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen keine validen Erkenntnisse vor.

2. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien im Dienst bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

Eine PKS-Auswertung auf Basis der zur Verfügung stehenden Opferspezifika weist für das Jahr 2019 jeweils einen Vorgang z. N. von Vollstreckungsbeamten der JVA (Bedrohung), Rettungsdiensten (Bedrohung) und sonstigen Vollstreckungsbeamten (tätlicher Angriff) aus. In allen drei Fällen handelt es sich um vollendete Straftaten.

Eine valide Aussage zu Verwaltungsbeamten oder Mitarbeitern der städtischen Verwaltung ist nicht möglich, da hierzu keine separate Erfassung in der PKS erfolgt.

Hinsichtlich etwaiger Sachverhalte unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen auch hier keine validen Erkenntnisse vor.

3. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Polizeibeamte durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien jenseits des Dienstes in ihrem Privatleben bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

Alle 49 in der Antwort zu Frage 1 genannten Sachverhalte haben sich im Dienst ereignet.

4. Wie viele Sachverhalte sind der Landesregierung bekannt, in denen im Jahr 2019 nordrhein-westfälische Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen durch kriminelle Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien jenseits des Dienstes in ihrem Privatleben bedroht, angegriffen oder erpresst worden sind? (Bitte auch Versuche aufzählen)

Alle drei in der Antwort zu Frage 2 genannten Sachverhalte haben sich im Dienst ereignet.

5. Wie bewertet die Landesregierung die Gefährdungslage für Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr und Verwaltungsbeamte bzw. Mitarbeiter städtischer Verwaltungen, die in ihrem Dienstalltag (regelmäßig) in Kontakt mit Clanangehörigen treten müssen?

Gefährdungslagen für den benannten Personenkreis können nicht allgemein, sondern nur im konkreten Einzelfall bewertet werden.

Für die in Rede stehenden Personen wird bei Bekanntwerden einer möglichen Gefährdung bei der zuständigen Kreispolizeibehörde eine sogenannte Beurteilung der Gefährdungslage erstellt. Die Beurteilung der Gefährdungslage umfasst die anlassbezogene oder wiederkehrend vorgenommene Analyse und Bewertung von Informationen sowie die schlüssige Feststellung des Grades der Gefährdung.

Aus dem Grad der Gefährdung ergeben sich dann die weiteren Schutzmaßnahmen. Die dann durch die Polizei zu treffenden Maßnahmen zum Schutz von gefährdeten Personen ergeben sich grundsätzlich aus der als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) – eingestuften Polizeidienstvorschrift (PDV) 129 Personen- und Objektschutz.

Somit gibt es keine allgemeingültigen Schutzmaßnahmen für Personen, sondern alle durch die Polizei veranlassten Maßnahmen unterliegen auch hier immer einer Einzelfallprüfung.

Diese Schutzmaßnahmen werden hinsichtlich Erforderlichkeit, Dauer, Wirksamkeit und Umfang regelmäßig oder auch anlassbezogen überprüft. Mit gefährdeten Personen wird unverzüglich nach Bekanntwerden einer Gefährdung ein ausführliches und auf die Person bezogenes Sicherheitsgespräch geführt.

 

Antwort als PDF laden

Beteiligte:
Markus Wagner