Wird der Dünger für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft knapp?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 261
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 02.08.2022

 

Wird der Dünger für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft knapp?

Das Ausbringen von Gülle und anderen Wirtschaftsdüngern auf landwirtschaftliche Flächen ist Grundlage eines landwirtschaftlichen Nährstoffkreislaufs und Teil der guten fachlichen Praxis. Dadurch können Mineraldünger ersetzt und Humusverluste vermieden werden. Die Ausbringung kann im innerbetrieblichen Kreislauf oder in Zusammenarbeit zwischen tier­haltenden und viehlosen Ackerbaubetrieben überbetrieblich und auch grenzüberschreitend erfolgen.

Vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen enormen Preissteigerung bei der erdgasabhängigen Herstellung von mineralischen Stickstoffdüngern und des Ukraine-Krieges, in dessen Rahmen gegen Russland als einen der größten weltweiten Exporteure von Stickstoffdünger Sanktionen verhängt wurden wie auch ein von russischer Seite mehrfach beschlossenes Exportverbot von Düngemittel, steigt der Wert von Wirtschaftsdüngern und die Notwendigkeit eines effizienten, verlustarmen Einsatzes dieser Nährstoffe.

Darüber hinaus legte die niederländische Regierung einen Plan vor, laut dem bis 2030 der Stickstoff-Ausstoß in den Niederlanden massiv reduziert werden soll. Nach Einschätzung der niederländischen Regierung ist dazu eine drastische Reduzierung des Viehbestandes unausweichlich, und das kann zum Aus für etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in den Niederlanden führen.

Diese Pläne betreffen vor allem die niederländischen Viehhalter, die allerdings durch ihr Vieh auch ein bedeutender Produzent von organischem Dünger sind. Die Niederlande sind mit einer Menge von 8.000 bis 12.000 Tonnen in den Jahren 2014 bis 2020 der wichtigste Exporteur von Wirtschaftsdünger für Nordrhein-Westfalen, das im Saldo mehr Dünger importiert, als es exportiert.1Nach Einschätzung der niederländischen Regierung ist dazu eine drastische Reduzierung des Viehbestandes unausweichlich, und das kann zum Aus für etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in den Niederlanden führen.

Landwirtschaftliche Kulturen brauchen eine angemessene Menge an Stickstoff. Für die belebte Natur ist das Element eminent. Würde es fehlen, könnten weder Pflanzen, Tiere noch Menschen wachsen oder überleben. Stickstoff ist ein zentraler Baustein von Aminosäuren und somit von Proteinen – ebenso von Chlorophyll, dem Molekül, das Pflanzen ihre grüne Farbe verleiht und mit dem sie aus Sonnenlicht Energie gewinnen können.

Pflanzen, Tiere und Menschen können den Stickstoff nur in der reaktiven Form nutzen, etwa als Nitrate, Harnstoff oder Aminosäuren, und diese wiederum kommen vergleichsweise selten vor. In den meisten Ökosystemen auf der Erde ist reaktiver Stickstoff neben Wasser, der Temperatur und allenfalls wenigen weiteren Nährstoffen der wichtigste limitierende Faktor für das Wachstum. Auch auf unseren Äckern würde ohne genügend reaktiven Stickstoff nichts wachsen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz und grenzüberschreitenden Handel von Gülle als Wirtschaftsdünger?
  2. Wie hoch war der Gesamtbedarf an Wirtschaftsdünger für die landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich in den letzten fünf Jahren?
  3. Welche Folgen für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft erwartet die Landesregierung von dem, durch Schließungen von viehhaltenden Betrieben in den Niederlanden, bedingten Rückgang von Produktion und Export von Gülle als Wirtschaftsdünger?
  4. In welcher Höhe erwartet die Landesregierung Ernteausfälle durch gestiegene Betriebs-und Produktionskosten für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft in den nächsten Jahren?
  5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um eine günstige Versorgung mit Düngemittel für die landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen sicherzu­stellen?

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-17107.pdf Datum des Originals: 02.08.2022/Ausgegeben: 03.08.2022


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 261 mit Schreiben vom 23. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz und grenzüberschreitenden Handel von Gülle als Wirtschaftsdünger?

Grundsätzlich sind Wirtschaftsdünger wie Gülle, Hühnertrockenkot oder Festmist Düngemittel, die im Rahmen einer sinnvollen Kreislaufwirtschaft dem Boden die mit der Ernte entzogenen Nährstoffe wieder zuführen. So können Mineraldünger, die sonst mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen, ersetzt und eingespart werden.

Der Handel von Wirtschaftsdüngern unterliegt dem Grundsatz des freien Warenverkehrs und somit können sie in der EU unter bestimmten Voraussetzungen frei gehandelt und grenzüberschreitend verbracht werden. Tierseuchenrechtliche und düngerechtliche Anforderungen müssen beachtet werden. So darf Gülle nur nach entsprechender Hygienisierung (eine Stunde Erhitzung auf 70° C) verbracht werden. Alle überbetrieblichen Abgaben und Aufnahmen von Wirtschaftsdünger müssen mit Abgabemengen, Nährstoffgehalten und Empfänger in eine zentrale Wirtschaftsdüngerdatenbank der zuständigen landwirtschaftlichen Fachbehörde eingetragen werden. Die Angaben werden im Rahmen von Betriebskontrollen stets geprüft. So wird sichergestellt, dass die hier geltenden düngerechtlichen Anforderungen an die Aufbringung von Wirtschaftsdüngern auf landwirtschaftlichen Flächen eingehalten werden.

  1. Wie hoch war der Gesamtbedarf an Wirtschaftsdünger für die landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich in den letzten fünf Jahren?

Der durchschnittliche Stickstoffdüngebedarf der in Nordrhein-Westfalen angebauten Kulturen lag im Mittel der Jahre 2016-2020 bei 129 Kilogramm Stickstoff je Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Die organische Düngung deckt unter Berücksichtigung des Tierbestands und überregionaler Transporte bei der nach Düngeverordnung mindestens anzusetzenden Stickstoffverfügbarkeit etwa 38 Prozent des gesamten Bedarfs ab (siehe Nährstoffbericht 2021 der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/duengung/naehrstoffbericht/i ndex.htm).

  1. Welche Folgen für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft erwartet die Landesregierung von dem, durch Schließungen von viehhaltenden Betrieben in den Niederlanden, bedingten Rückgang von Produktion und Export von Gülle als Wirtschaftsdünger?

Der aus den Niederlanden in 2020 importierten Stickstoffmenge von 5198 Tonnen steht ein Anfall aus der nordrhein-westfälischen Tierhaltung von 133.000 Tonnen gegenüber. Die Gesamtmenge der Stickstoffimporte mit Wirtschaftsdüngern aus den Niederlanden deckten in 2020 im Durchschnitt etwa 2,7 Prozent des nordrhein-westfälischen Stickstoffdüngebedarfs ab. Der Export von Wirtschaftsdünger aus Nordrhein-Westfalen in benachbarte Länder lag 2020 mit etwa 8.000 Tonnen Stickstoff über der Importmenge aus den Niederlanden. Zwischen 2016 und 2020 sind die Importmengen aus den Niederlanden um 49 Prozent zurückgegangen. Durch mögliche Schließungen von viehhaltenden Betrieben in den Niederlanden werden daher keine relevanten Auswirkungen auf die Versorgung mit Wirtschaftsdünger in Nordrhein-Westfalen erwartet.

  1. In welcher Höhe erwartet die Landesregierung Ernteausfälle durch gestiegene Betriebs- und Produktionskosten für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft in den nächsten Jahren?

Zur Auswirkung gestiegener Produktionskosten auf die in Nordrhein-Westfalen zu erwartenden Erntemengen der nächsten Jahre sind der Landesregierung keine seriösen Schätzungen oder Berechnungen bekannt.

  1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um eine günstige Versorgung mit Düngemittel für die landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen sicherzustellen?

Die Steigerung der Stickstoffeffizienz ist entscheidend für die effektive Nutzung anfallender Wirtschaftsdünger und die Reduzierung von Nährstoffverlusten in Luft und Gewässer. Der Rückgang der Mineraldüngung um etwa 20 Prozent von 2016 bis 2020 (siehe Nährstoffbericht 2021 der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen) ist u.a. auf den effizienteren Einsatz von Wirtschaftsdüngern zurückzuführen. Die Landesregierung unterstützt ein umfangreiches Angebot zur Düngeberatung für den effizienten Einsatz von Düngemitteln. Auch die konsequente Umsetzung des Düngerechts trägt zur effizienteren Düngernutzung bei.

Die Landesregierung wird die Themen Nährstoffrückgewinnung und Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern und anderen organischen Reststoffen im Sinne einer weitgehenden geschlossenen Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln und fördern.

 

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