Wohnungsnot in Nordrhein-Westfalen wirksam bekämpfen: Neubau vorantreiben und Immobilienmarkt wiederbeleben!

Antrag
vom 21.02.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Wohnungsnot in Nordrhein-Westfalen wirksam bekämpfen: Neubau vorantreiben und Immobilienmarkt wiederbeleben!

I. Ausgangslage

Wegen der dreifachen Anspannung der vorgelagerten Ressourcenmärkte für Boden, Kapital und Bauleistungen hat sich die Erschwinglichkeit neu gebauten Wohnraums in Nordrhein-Westfalen seit Jahresanfang 2022 deutlich verschlechtert. Das gilt für das Wohneigentum ebenso wie für neu gebaute Mietwohnungen. Die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen und -fertigstellungen befindet sich im freien Fall. In NRW wurden in den ersten neun Monaten 2023 29,4 Prozent weniger Baugenehmigungen für Wohnungen als im Vorjahreszeitraum erteilt. Mit nur noch 32.648 Baugenehmigungen wurde das niedrigste Ergebnis für die ersten neun Mo­nate seit 2012 erzielt.1

Die Länderexperten des EUROCONSTRUCT-Netzwerks erwarten bis 2025 einen Rückgang der Wohnungsfertigstellungen in Deutschland um 31,8 Prozent gegenüber 2021 auf dann nur noch 200.000 Wohneinheiten. Das ist der stärkste prognostizierte Rückgang der Fertigstellun­gen in ganz Europa, und das bei einer Rekordzuwanderung und einer immer weiter zuneh­menden Marktanspannung. Zudem deutet laut den Experten „gegenwärtig nichts auf eine we­sentliche Aufhellung des hiesigen Investitionsklimas hin“.2

Auch das Transaktionsgeschehen stockt. Bereits 2022 ist die Zahl der Kauffälle von Eigen­tumswohnungen deutschlandweit um 19 Prozent auf rund 274.800 zurückgegangen. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern betrug der Rückgang 11 Prozent auf rund 218.400 Transaktio­nen. Experten sprechen von „eingefrorenen“ Immobilienmärkten. Ursächlich dafür ist neben den extrem hohen Transaktionskosten in Deutschland nicht zuletzt der starke Zinsanstieg.

Angesichts der vielerorts bereits höchst angespannten Wohnungsmärkte und der anhaltend hohen Zuwanderung bedarf es einer Konzentration der Kräfte auf den Wohnungsneubau, um die Wohnungsbautätigkeit mittelfristig wieder zu beleben und die Erschwinglichkeit von Miet­wohnungen und Eigenheimen wieder zu verbessern. Gleichzeitig muss nach Wegen gesucht werden, um die eingefrorenen Immobilienmärkte wieder aufzutauen.

Krisenhafte Zuspitzung an den Mietwohnungsmärkten

Beim Mietwohnungsneubau besteht akut und auf mittlere Sicht ein großer Handlungsbedarf, um wieder eine Marktentspannung mit normalen Leerstandniveaus in den Städten NRWs zu erreichen.

Die Mietwohnungsmärkte in NRW befinden sich in einem höchst fragilen Zustand. Laut dem Wohnungsmarktbericht NRW 2022 hat sich der Anstieg der Wiedervermietungsmieten in NRW zuletzt mit steigender Dynamik fortgesetzt. Seit 2011 ist die mittlere Wiedervermietungsmiete insgesamt um 35 Prozent gestiegen. Die Erstvermietungsmieten steigen noch schneller und liegen jetzt im NRW-Durchschnitt schon über 11 Euro. Entlang der Rheinschiene und ihrem engeren Umland, aber auch in den Städten Münster, Aachen und im Essener Süden ist die Anmietung einer Wohnung inzwischen für breite Schichten der Bevölkerung unerschwinglich geworden. In Köln lag die Angebotsmiete im ersten Halbjahr 2023 im Mittel bei 14,80 Euro, in Düsseldorf bei 13,00 Euro (plus 28 bzw. plus 17 Prozent in den letzten fünf Jahren).3

Auch nimmt die Verfügbarkeit von Wohnraum zur Anmietung immer weiter ab: Der Wohnungs-leerstand auf Basis der Bewirtschaftungsdaten von CBRE liegt NRW-weit inzwischen deutlich unter 3 Prozent und in Brennpunkten des Wohnungsbedarfs noch deutlich darunter,4 insbe­sondere bei erschwinglichen Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment. Die Nach­frage entwickelt sich aufgrund des Wanderungsgeschehens nach NRW aber weiterhin sehr dynamisch5, während die Bautätigkeit weit hinter dem Bedarf zurückbleibt: Die Fertigstellun­gen sind 2022 um 4,4 Prozent auf 47.354 Wohneinheiten zurückgegangen. Der Fehlbedarf an Wohnraum steigt immer weiter an, weil sich die Schere zwischen Baufertigstellungen und der ausschließlich zuwanderungsbedingten Nachfrageexpansion immer weiter öffnet.

Der zunehmenden Marktanspannung kann erfolgversprechend nur mit einer wesentlichen Steigerung der Neubaufertigstellungen in NRW begegnet werden. Da fallende Leerstandsquo-ten unterhalb von 3 Prozent außerdem einen Rückgang der Fluktuation nach sich ziehen, dro­hen auch die Mietwohnungsmärkte einzufrieren, und damit stellt sich auch hier das Problem der Flächenverschwendung aufgrund unterbliebener Umzüge.

Der Mietwohnungsneubau leidet jedoch unter der dreifachen Anspannung der vorgelagerten Ressourcenmärkte. Die hohen Hypothekenzinsen führen zusammen mit den hohen Boden-und Baupreisen zu kalkulatorischen Neubaumieten von über 18 Euro, die für breite Schichten unerschwinglich sind. Wichtige Neubauakteure wie Vonovia und LEG, aber auch mittelständi­sche Bauträger und Projektentwickler haben ihre Neubautätigkeit bis auf Weiteres eingestellt und wickeln nur noch die laufenden Projekte ab. In vielen Fällen gelingt nicht einmal das, weil immer mehr Projektentwickler insolvent werden und halbfertige Baustellen hinterlassen.

Wohneigentum wird immer unerschwinglicher

In einem Umfeld mit enorm gestiegenen Zinsen und Baupreisen sowie immer höheren regu-latorischen Anforderungen auf der einen Seite und nach wie vor hohen Baulandpreisen und noch kaum gesunkenen Immobilienpreisen auf der anderen Seite können sich immer weniger Haushalte in NRW ihren Wunsch nach den eigenen vier Wänden erfüllen.

Die effektiven Hypothekenzinsen für 10-jährige Zinsbindungen, die zum Jahresanfang 2022 noch bei 1,0 Prozent lagen, liegen aktuell bei 3,7 Prozent.6 Der Baupreisindex für Wohnge­bäude (Neubau, konventionelle Bauart) ist seit 2021 um rund 33 Prozent gestiegen.7 Die Preise für Wohnimmobilien lagen zum Jahresende 2022 um rund 88 Prozent über dem Niveau von 2011. Der vdp-Preisindex für selbstgenutztes Wohneigentum hat sich gegenüber 2010 um mehr als 90 Prozent erhöht.

Ein Darlehen in Höhe von 200.000 Euro hat 2010 bei einem durchschnittlichen Haushaltsnet­toeinkommen von 2.922 Euro, einem Hypothekenzins von 4,0 Prozent und 2 Prozent An­fangstilgung zu einer Belastungsquote des Einkommens von 34,2 Prozent geführt. Aktuell sind es bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 3.800 Euro 50,0 Prozent. Der Kauf eines Eigenheims ist bis weit in die Mittelschicht hinein keine realistische Option mehr.

Falsche Schwerpunktsetzung in der Wohnungsbauförderung

Die öffentliche Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen wird aus Mitteln der lan­deseigenen Förderbank NRW.BANK, Finanzmitteln des Bundes und des Landes finanziert. Im Haushaltsjahr 2023 sollen vom gesamten Programmvolumen für den sozialen Wohnungsbau in NRW in Höhe von 1,6 Mrd. Euro 1,15 Mrd. Euro für Neubaumaßnahmen verwendet werden, davon 150 Millionen Euro für Wohnheimplätze. Von einer wohnformneutralen Förderung, wie sie in etwa bis zum Jahr 2010 in NRW gegeben war, ist diese Mittelaufteilung meilenweit ent­fernt, wenn für den Mietwohnungsbau fast sechs Mal so viel (850 Millionen Euro) ausgegeben wird wie für die Wohneigentumsförderung (150 Millionen Euro).

Für Modernisierungsmaßnahmen und Quartiersförderung waren im letzten Jahr insgesamt 450 Millionen Euro vorgesehen, davon 250 Millionen Euro für die Quartiersförderung. Das ent­spricht zusammen 28,1 Prozent der gesamten Mittel im Wohnraumförderungsprogramm 2023 (Mietwohnungsbau 53,1 Prozent, Wohneigentum und Wohnheime je 9,4 Prozent).8 Die Aus­gaben für die Modernisierungsförderung hatten sich im Haushaltsjahr 2022 auf rund 272,4 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Dabei wurden 80 Prozent dieser Mittel von vdw-Mitglieds-unternehmen abgenommen.

Das Modernisierungsprogramm hat sehr attraktive Konditionen.9 Mit Darlehen von bis zu 200.000 Euro je Wohnung werden nicht nur Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizi­enz, sondern auch Instandsetzungen, Umbaumaßnahmen und Umfeldinvestitionen gefördert. Es ist zweifelhaft, ob eine derart intensive Förderung von Modernisierungen nötig ist, um die beabsichtigten Wirkungen zu erzielen.

Hinzu kommt, dass mit der Modernisierungsförderung auch Haushalte mit einem Einkommen oberhalb der Einkommensgrenzen gefördert werden, wenn sie eine geförderte Wohnung be­reits vor Erteilung der Förderzusage bewohnten. Nach Angaben der NRW.BANK halten 50 Prozent aller Haushalte, die in NRW Sozialwohnungen belegen, die Einkommensgrenzen nicht ein. Diese Haushalte kommen dann also in den Genuss niedriger Sozialmieten für ihre modernisierten Wohnungen, obwohl sie wirtschaftlich in der Lage wären, einen höheren eigenen Finanzierungsbeitrag zu leisten.10 Damit wird ein Verlust an sozialpolitischer Effizienz in Kauf genommen.

Mit der Quartiersförderung werden unter anderem kommunale Handlungskonzepte sowie so­ziale Stabilisierungs- und Wohnumfeldmaßnahmen gefördert. Es besteht eine Vorlagepflicht bei Maßnahmen mit mehr als 70 geförderten Wohneinheiten. Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung der wohnungsbezogenen Modernisierungsförderung.

Keine wirksame Entlastung von hohen Zinsen

Der frei finanzierte Mietwohnungsbau leidet ebenso wie der Erwerb von Wohneigentum unter einer wesentlich verschlechterten Erschwinglichkeit aus Nutzersicht. Das betrifft die Neubau­mieten ebenso wie die Erschwinglichkeit von Wohneigentum, unabhängig davon, ob es sich um Bestandskäufe oder Neubauten handelt.

Die – vorübergehend ausgesetzten – KfW-Programme „Klimafreundlicher Neubau – Wohnge­bäude“ (297, 298) haben zwar günstige Zinskonditionen, der Zins ist aber nur für einen Zeit­raum von 10 Jahren festgeschrieben. Außerdem wird mindestens der baukostentreibende Ef-fizienzhausstandard 40 verlangt. Der Kredithöchstbetrag beträgt 100.000 Euro pro Wohnung (150.000 Euro bei Erfüllung der Anforderungen für das Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen QNG-PLUS oder QNG-PREMIUM).

Die Herstellungskosten eines Hauses mit 140 m2 Wohnfläche im KfW 40-Standard betragen im Durchschnitt etwa 350.000 Euro. Hinzu kommen noch Grundstückskosten und Erwerbsne­benkosten von durchschnittlich rund 150.000 Euro. Bei eigenen Mitteln von 100.000 Euro und einem Förderdarlehen in derselben Höhe müssen also 300.000 Euro mit einer privaten Hypo­thek finanziert werden. Durch den Einsatz des KfW-Förderdarlehens sinkt zwar die Belastung in den ersten 10 Jahren der Finanzierung, danach gelten aber marktübliche Konditionen, die die zukünftigen Refinanzierungsbedingungen widerspiegeln. Mit der KfW-Finanzierung ist also nach Ablauf der Zinsbindung ein schwer zu kalkulierendes Zinsänderungsrisiko verbunden.

Unüberwindliche Eigenkapitalhürde

Die Eigenkapitallücke bei der Finanzierung von Wohneigentum entspricht der Differenz zwi­schen dem Eigenkapital, das ein Haushalt selbst aufbringen kann, und dem Eigenkapital, das für den Erwerb einer eigenen Immobilie erforderlich ist. Die Zinswende hat den Wohneigen-tumserwerb für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich gemacht hat. Im ersten Halbjahr 2023 mussten im deutschen Durchschnitt zuletzt 41,1 Prozent des mittleren Einkommens für die Finanzierung einer Eigentumsimmobilie mit 130 Quadratmetern Wohnfläche aufgebracht werden.

Seit 2010 sind die Preise für Wohneigentum und die Erwerbsnebenkosten in NRW wesentlich schneller gestiegen als die Einkommen. Der Steuersatz für die Grunderwerbsteuer in NRW wurde von ursprünglich 3,5 Prozent 2011 zunächst auf 5 Prozent, dann 2015 auf den aktuellen Prozentsatz von 6,5 erhöht.

Die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum sind in Deutschland seit 2010 laut dem vdp-Preisindex um rund 90 Prozent gestiegen. In NRW ist der Durchschnittspreis für Bestandsein­familienhäuser im Zeitraum 2011–2021 um 188.100 Euro (+91%) auf 394.000 Euro gestiegen.

Im Jahr 2021 kostete ein Neubau-Eigenheim in NRW im Mittel 467.600 Euro, also 222.300 Euro (+93%) mehr als zehn Jahre zuvor.11 Daraus ergibt sich bei einer Eigenkapitalquote von 20 Prozent unter Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer (nicht aber sonstiger Erwerbsne­benkosten) ein Eigenkapitalbedarf von 123.914 Euro (467.600 € * 0,2 + 467.600 € * 0,065). Im Jahr 2011 war der Kauf eines Neubau-Eigenheim dagegen bereits mit einem Eigenkapital in Höhe von 57.646 Euro möglich. Das erforderliche Eigenkapital hat sich also seitdem um 115 Prozent erhöht. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen hat dagegen seit 2010 nur um etwa 30 Prozent zugenommen. Daher konnten immer weniger Haushalte in NRW die für den Wohneigentumserwerb erforderliche Ansparleistung erbringen.

Drückende Belastung durch Erwerbsnebenkosten, insbesondere Grunderwerbsteuer

Die durchschnittliche Maklerprovision beim Hausverkauf liegt in Deutschland brutto bei 6,2 Prozent des Verkaufspreises.12 Zusammen mit der Grunderwerbsteuer und Gerichts- und No­tariatsgebühren in Höhe von etwa 1,5 Prozent des Kaufpreises ergibt sich eine zusätzliche Belastung von 14,2 Prozent: Bei einem Immobilienkaufpreis von 500.000 Euro fallen damit 71.000 Euro allein für diese drei Nebenkostenarten an.

Mit einem Grunderwerbsteuersatz von 6,5 Prozent gehört NRW im deutschen Vergleich zu der Gruppe der fünf Länder mit dem höchsten Steuersatz. Hinzu kommt, dass das Programm NRW.Zuschuss Wohneigentum zum 14.07.2022 ausgelaufen ist. Damit konnte bis zur Bemes­sungsgrenze von 500.000 Euro eine Entlastung von der Grunderwerbsteuer im Umfang von zwei Prozentpunkten erreicht werden.

Die Grunderwerbsteuer erhöht die Eigenkapitalhürde proportional zum Kaufpreis nochmals ganz wesentlich, da sie in der Regel aus eigenen Mitteln finanziert werden muss.13 Eine deut­liche Absenkung der Grunderwerbsteuerbelastung – und zwar nicht nur für Ersterwerber – wäre ein sehr wirksames Instrument zur Steigerung der Wohneigentumsquote.14

Die vom Bundesfinanzminister geplante Einführung eines zweiten Steuersatzes bei der Grund­erwerbsteuer nur für den Ersterwerb von Wohneigentum schließt diejenigen Haushalte aus, die bereits über Wohneigentum verfügen. Damit würde die flexible, bedarfs- und ressourcen-gerechte Ausstattung mit Wohneigentum im Familien-Lebenszyklus erschwert und zugleich ein wesentliches produktivitäts- und wachstumshemmendes Mobilitätshemmnis geschaffen. Davon abgesehen würde die Beschränkung auf Ersterwerbe wegen des ‚Lock-in‘-Effekts für sich genommen auch die Wohnfläche pro Kopf erhöhen. Das wäre angesichts der verbreiteten Marktanspannung ein schwerer Fehlanreiz der Besteuerung.

Der Entwurf des BMF enthält außerdem keine Entlastung für den Mietwohnungsbau, obwohl auch dieser unter der hohen Grunderwerbsteuerlast leidet. Von einer deutlichen Reduktion des Steuersatzes wird ein belebender Effekt auf die Wohnungsbautätigkeit und eine Senkung sowohl der Gestehungskosten im Neubau als auch der Neubaumieten erwartet.

Überregulierung des Bauens durch Normen und Förderstandards

Nach einer Untersuchung der AG für zeitgemäßes Bauen sind die kompletten Gestehungs­kosten von Mehrfamilienhäusern zwischen 2000 und 2020 um 68 Prozent von 2.209 auf 3.723 Euro je m2 gestiegen. Davon sind 28 Prozent auf Änderungen von Gesetzen und Normen sowie auf kommunale Auflagen, vor allem in den Bereichen Brandschutz, Schallschutz, Wär­meerzeugung und Energieeinsparung, zurückzuführen. Seitdem sind die Baupreise für Wohn­gebäude um weitere 30 Prozent gestiegen15, so dass sich seit 2000 in etwa eine Verdoppelung der Gestehungskosten ergibt. Rund 750 Euro der seit 2000 eingetretenen Steigerung der Ge­samtgestehungskosten pro m2 dürften auf regulatorische Auflagen zurückzuführen sein. Das sind bei einer Wohnfläche von 120 m2 zusätzliche Kosten in Höhe von 90.000 Euro. Die Fremdfinanzierung dieser zusätzlichen Kosten führt aktuell bei einer Annuität von 6 Prozent (4 Prozent Zins, 2 Prozent Anfangstilgung) zu einer zusätzlichen monatlichen Belastung der Ei­gentümerhaushalte von 450 Euro.

Viele der 500 DIN-Normen für das Bauen treiben zwar die Kosten, sind aber nicht für die Si­cherheit des Gebäudes notwendig. DIN-Nomen sind private technische Regelungen mit Emp­fehlungscharakter. Doch beziehen sich Gerichtsentscheidungen zu Baumängeln auf eben diese Normen im Sinne von „anerkannten Regeln der Technik“ als Mindeststandard, den der Auftraggeber einer Bauleistung erwarten darf.

Die Bundesarchitektenkammer hat daher die Schaffung eines neuen Gebäudetyps E neben den bestehenden Gebäudeklassen der Bauordnungen vorgeschlagen, wobei das „E“ für ein­fach und experimentell steht. Um Ressourcen und damit Kosten zu sparen, sollen die Anfor­derungen an Prozesse, Baumaterial und Bauteile bei diesem Gebäudetyp auf das Wesentliche reduziert werden. Gleichzeitig sollen experimentelle Spielräume eröffnet werden und innova­tives Denken soll an die Stelle engmaschiger bürokratischer Vorgaben rücken, die bestimmte technische Standards in dem Sinne fixieren, dass sie nicht mehr hinterfragt werden. An den baurechtlichen Schutzzielen, zu denen auch der Brandschutz und die Standsicherheit gehö­ren, soll jedoch festgehalten werden.

II. Der Landtag stellt fest:

Die weitere Modernisierung der vorhandenen Wohnungsbestände in NRW ist in der aktuellen Wohnungsmarktsituation nachrangig. Mit einer Neuzuteilung des größten Teils der Mittel aus der Modernisierungs- und Quartiersförderung zugunsten der Neubauförderung kann ein zu­sätzlicher Beitrag zur Entspannung der Märkte geleistet werden.

Die Verteilung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in NRW bevorzugt eindeutig den Miet­wohnungsbau gegenüber der Wohneigentumsbildung. Das ist angesichts der familien- und vermögenspolitischen Argumente für die Wohneigentumsförderung eine unausgewogene Mit­telverteilung. Diese soll sich prinzipiell nach dem Gebot der Wohnformenneutralität richten. Familien und Paare, die von der Miete ins Wohneigentum wechseln, ziehen Mietwohnungen frei und entlasten den Mietwohnungsmarkt.

Die KfW-Programme zur Förderung des Neubaus von Wohngebäuden verursachen aufgrund ihrer hohen Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäude höhere Baukosten als nötig und treiben damit die Gestehungskosten und die laufende Belastung aus den gesamten auf­genommenen Fremdmitteln wesentlich nach oben.

Der Mangel an dem für eine Immobilienfinanzierung nötigen Eigenkapital hat sich für mehr und mehr Haushalte in NRW zu einer unüberwindlichen Schwelle bei der Wohneigentumsbil-dung entwickelt. Das fehlende Eigenkapital kann zum Teil durch Kreditbürgschaften des Lan­des ersetzt werden, weil eine öffentliche Bürgschaft für einen Teil des vergebenen Hypothe­kendarlehens das Risiko des Darlehensgebers deutlich reduziert, wenn das Darlehen notlei­dend werden sollte. Die zusätzliche laufende Belastung des Kreditnehmers aus der bei verrin­gertem Eigenkapitaleinsatz höheren Fremdmittelaufnahme kann durch die zusätzliche Förder­säule ein Stück weit reduziert werden.16

Mit einer deutlichen Senkung der Grunderwerbsteuerbelastung beim Erwerb von Wohnimmo­bilien oder Baugrundstücken zum Zwecke der Selbstnutzung oder der Vermietung kann ein spürbarer Beitrag sowohl zur Senkung der Neubaupreise und Neubaumieten als auch zur Ver­besserung der Erschwinglichkeit von Wohneigentum geleistet werden.

Der Gebäudetyp E bietet eine Chance, die Kosten im Mietwohnungsbau deutlich zu senken und damit einen Beitrag zu der dringenden Wiederbelebung des Wohnungsbaus in NRW zu leisten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • die für die Wohnungsbauförderung des Landes im Jahr 2024 geplanten Mittel in Höhe von insgesamt 1,7 Milliarden Euro im Sinne einer eindeutigen Neubaupräferenz wohn-formenneutral und bedarfsgerecht neu zu verteilen;
  • ein durch die NRW.BANK auszureichendes, mit anderen öffentlichen Förderdarlehen kombinierbares Zinsgarantieprogramm mit einem Festzins als Volltilgungsdarlehen über 30 Jahre für alle Neubaumaßnahmen (Mietwohnungen und Wohneigentum) aufzulegen;
  • zur Schließung der Eigenkapitallücke bei Schwellenhaushalten ein Landesbürgschafts-programm für die Wohneigentumsbildung im Umfang von bis zu 15 Prozent des Belei­hungswertes der zu finanzierenden Immobilie aufzulegen;
  • sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Bundesländer so bald wie möglich den Erwerb angemessenen Wohneigentums oder eines angemessenen Baugrundstücks für die Zwecke der Wohneigentumsbildung gänzlich von der Grunderwerbsteuer freistellen können, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Ersterwerb handelt;
  • sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Bundesländer so bald wie möglich für einen befristeten Zeitraum den Erwerb von Grundstücken mit Mietwohngebäuden, bei denen die Bezugsfertigkeit nicht länger als ein Jahr zurückliegt, oder eines Baugrund­stücks für die Mietwohnbebauung gänzlich von der Grunderwerbsteuer freistellen oder mit einem deutlich reduzierten Steuersatz belegen können;
  • die Einsparpotenziale bei den Baukosten durch den Gebäudetyp E in NRW zu quantifi­zieren und die Einführung dieses neuen, schlanken Gebäudetyps voranzutreiben;
  • sich im Bundesrat zum Zwecke der Reduktion der Baukosten dafür einzusetzen, dass die KfW-Neubauförderung unabhängig vom Effizienzhausstandard erfolgt.

Carlo Clemens
Dr. Hartmut Beucker
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-8110

 

1 IT.NRW Pressemitteilung 373 / 23 v. 29.11.2023.

2 Dorffmeister, L.: Europäisches Bauvolumen wird bis 2024 moderat schrumpfen: Ausgewählte Ergebnisse der EUROCONSTRUCT-Sommerkonferenz 2023, in: ifo Schnelldienst 7 / 2023 76. Jahrgang 12. Juli 2023, S. 72–75.

3 JLL-Pressemitteilung v. 25.07.2023: Angebotsmieten für Berliner und Leipziger Wohnungen legen zweistellig zu: Inserierte Kaufpreise für Eigentumswohnungen geben im ersten Halbjahr 2023 zum Teil deutlich nach, https://www.jll.de/de/presse/Angebotsmieten-fuer-Berliner-und-Leipziger-Wohnungen-legen-zweistellig-zu

4 Düsseldorf 1,4 Prozent, Köln 1,0 Prozent und Münster 0,3 Prozent (Angaben jeweils für 2021).

5 Information und Technik Nordrhein-Westfalen: Wanderungen über die Grenzen Nordrhein-Westfalens 2022, https://www.it.nrw/node/511/pdf

6 https://www.finanztip.de/baufinanzierung/hypothekenzinsen/ , Abruf am 13.02.2023.

7 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr. 269 vom 10. Juli 2023: Baupreise für Wohngebäude im Mai 2023: +8,8 % gegenüber Mai 2022.

8 NRW.BANK: Wohnraumförderung NRW – Aktuelles zur Förderung, Präsentation v. 23.03.2023.

9 Es werden nur minimale Zinsen über sehr lange Zeiträume von bis zu 30 Jahren verlangt, und zusätzlich wer­den hohe Tilgungsnachlässe zwischen 25 und 55 Prozent gewährt.

10 Nach der RL Mod NRW 2023, Nr. 2.4.2.2 sind abhängig vom Mietniveau der Gemeinde Mietobergrenzen zwi­schen 6,00 und 7,10 Euro pro m2 und Monat einzuhalten, falls diese unter der zuletzt vereinbarten Kaltmiete vor Modernisierung und der Modernisierungsumlage (§ 559 bis 559d BGB) liegen. Die Modernisierungsumlage wird ihrerseits durch die intensive Förderung wesentlich gemindert.

11 NRW.BANK: Wohnungsmarktbericht Nordrhein-Westfalen 2022, S. 46 f.

12 Stoll, J.: How not to Reduce Commission Rates of Real Estate Agents: Evidence from Germany, Berlin School of Economics Discussion Paper #0026, September 2023. Fabricius, M.: Der Makler gewinnt, in: Welt am Sonntag v. 26.11.2023.

13 Parlamentarischer Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags NRW: Auswirkungen einer Grunderwerbsteu-ersatzsenkung auf 3,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 12.05.2022, Seite 13.

14 Kaas, L. / Kocharkov, G. / Preugschat, E. / Siassi, N. (2020): Reasons for the low homeownership rate in Ger-many, Deutsche Bundesbank Research Brief 30th edition – January 2020. Nach den Berechnungen des IW-Insti-tuts würde eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 0,5 Prozent die Zahl der NRW-Kommunen in denen Wohneigentum erschwinglich ist, von 47 auf 56 Prozent erhöhen.

15 Statistisches Bundesamt: Baupreisindizes für Wohngebäude und Straßenbau (2015 = 100), Pressemitteilung Nr. 011 v. 10.01.2023, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_011_61261.html

16 Das IW-Institut hat in der oben erwähnten Studie die Effekte eines öffentlichen Nachrangdarlehens von maxi­mal 150.000 Euro zu einem Zins von 2 Prozent simuliert. Die Zahl der Gemeinden in NRW, in denen ein Haushalt mit mittlerem Einkommen Wohneigentum erwerben könnte, stiege um 43 an. Insgesamt wäre damit Wohneigen­tum in 59 Prozent der Gemeinden erschwinglich (a.a.O., S. 17). Das Institut hat außerdem errechnet, dass durch eine Kombination dieser Maßnahme mit einer Absenkung der Grunderwerbsteuer auf 0,5 Prozent in zwei Dritteln der NRW-Gemeinden Wohneigentum wieder erschwinglich würde.