Zahl der ukrainischen Flüchtlinge steigt – Behält NRW den Überblick? Teil II

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 762
des Abgeordneten Markus Wagner vom 16.11.2022

Zahl der ukrainischen Flüchtlinge steigt Behält NRW den Überblick? Teil II

Im Zuge des in der Ukraine stattfindenden Krieges befinden sich Millionen Menschen seit Monaten auf der Flucht. Die meisten von ihnen suchen in Ländern der Europäischen Union Schutz, darunter auch Deutschland. Die Registrierung, Koordinierung und Unterbringung der nach Deutschland kommenden Menschen stellt eine große Kraftanstrengung dar. In den ersten Monaten des Krieges zeigte sich deutlich, dass hauptsächlich geflüchtete Kinder und Frauen nach Deutschland einreisten. Dieses Bild veränderte sich jedoch in den letzten Monaten, sodass auch die Zahl der in Deutschland aufgenommenen männlichen Flüchtlinge aus der Ukraine gestiegen ist. Diesen Umstand nahm die Berliner AfD-Fraktion zum Anlass, eine parlamentarische Anfrage zu stellen, um herauszufinden, wie viele Ukrainer nach Deutschland kamen, die im wehrfähigen Alter sind. Das ukrainische Gesetz stuft Männer im Alter zwischen 18 und 60 als wehrfähig ein. In der Antwort auf die AfD-Anfrage heißt es, dass Ende August 2022 „die Daten von rund 162.000 ukrainischen Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert gewesen“ seien.1 Bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 waren rund 39.000 Männer dieser Alterskohorte erfasst. Ende April lag diese Zahl schon bei rund 94.000.2

Mit Stand vom 17. Oktober 2022 wurden seit Ende Februar 2022 nach Angaben des Bun­desinnenministeriums 1.008.935 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister erfasst, unter ihnen rund 470.000 Frauen und 184.000 Männer.3

Bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz wurde unter anderem über das Thema der gerechten Verteilung von aus der Ukraine stammenden Schutzsuchenden gesprochen. Nach Ansicht von Ministerpräsident Hendrik Wüst funktioniere diese bisher nur mangelhaft. NRW sei in Deutschland nämlich das Bundesland, das die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen habe. Wüst betonte dabei, „dass es besser wäre, wir würden die Menschen in Europa besser verteilen“.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Um wie viele geflüchtete Personen aus der Ukraine differiert die Anzahl vom Verteilungsschlüssel unter den Bundesländern?
  2. Welche Kosten sind in NRW bisher insgesamt für ukrainische Flüchtlinge entstanden?
  3. Mit wie vielen weiteren Flüchtlingen rechnet NRW noch bis zum Ende des Jahres und im ersten Halbjahr 2023?
  4. Wie hoch ist derzeit die noch freie Kapazität in NRW, um weitere Flüchtlinge aufzunehmen? (Bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln.)
  5. Erwägt NRW den Zustrom an Flüchtlingen zu begrenzen oder gar zu stoppen?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. htt p s : / / www. H a n d e l s b l a t t .com/dpa/fluechtlinge-a u s-d e r-u k r a i n e-auch-zahl-erwachsener-m a e n n e r-steigt/ 2 8 7 4 3 3 8 6 . h t m l .

2 Ebd.

3 Vgl. htt p s : / / medien d i e n s t -integration .de/migration/ f l u c h t – a s y l /ukrainische-fluechtlinge.h t m l.

4 Vgl. htt p s : / / www. S p i e g e l .de/politik/deutschland/ n r w – c h e f – h e n d r i k – w u e s t-draengt-olaf-scholz-zu-gerechterer-verteilung-von-gefluechteten-a- e35 c23 29 -31 02 -47 13 -9e 32 – 64 84 8b 30 28 81 .


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 762 mit Schreiben vom 10. Januar 2023 namens der Landesregierung beant­wortet.

  1. Um wie viele geflüchtete Personen aus der Ukraine differiert die Anzahl vom Ver­teilungsschlüssel unter den Bundesländern?

Die länderübergreifende Erstverteilung für die aus der Ukraine geflüchteten Personen erfolgt über FREE (Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorüber­gehenden Schutz für Aufnahmen nach § 24 AufenthG) und richtet sich nach dem Königsteiner Schlüssel. Nordrhein-Westfalen hat entsprechend eine Soll-Quote von 21,08 Prozent.

Die Verteilung ukrainischer Geflüchteter zwischen den Bundesländern und die relative Quo­tenerfüllung verändert sich aufgrund des Ankunftsgeschehens, der Ankunftsorte sowie z.B. auch abhängig von Auslastung und Organisation der erfassenden Stellen im Abstand weniger Minuten und lässt sich daher nicht umfassend darstellen.

Nordrhein-Westfalen bewegt sich in FREE allerdings dauerhaft nah an seiner Aufnahmequote von 21,08 Prozent. Zum Stichtag 21.12.2022 (Tagesabschluss) lag Nordrhein-Westfalen mit 21,46 Prozent leicht über Quote.

Die aktuelle Situation und die Erfüllung der Aufnahmequoten stellt für die Bundesländer gleich­ermaßen eine Herausforderung dar. Zwischenzeitlich hatten sich mehrere Länder über unter­schiedliche Zeiträume für die Verteilung im System FREE sperren lassen. Seit Oktober beste­hen allerdings keine Sperrungen mehr und alle Länder sind um einen Ausgleich im Rahmen des Königsteiner Schlüssel bemüht.

  1. Welche Kosten sind in NRW bisher insgesamt für ukrainische Flüchtlinge entstan­den?

Diese Frage wird ausschließlich mit Blick auf im Kapitel 07 090 veranschlagten Ausgaben be­antwortet. Möglicherweise sind auch weitere Haushaltsstellen im Einzelplan 07 bzw. Einzel­pläne anderer Ressorts betroffen. Entsprechende Daten müssten hierzu abgefragt und ausge­wertet werden, was innerhalb der für eine Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Gleichermaßen liegen hier keine Daten zu den von den Kom­munen verausgabten Mitteln vor.

Soweit das Kapitel 07 090 betroffen ist, werden die Ausgaben für die Unterbringung und Ver­sorgung von aus der Ukraine geflüchteten Personen in Aufnahmeeinrichtungen des Landes nicht gesondert erfasst.

Gesondert erfasst werden die Zahlungen an die Kommunen auf der Grundlage des § 4 FlüAG. Danach wurden in diesem Jahr bislang rund 527 Mio. Euro FlüAG-Pauschale an die Kommu­nen für aus der Ukraine geflüchtete Personen ausgezahlt.

  1. Mit wie vielen weiteren Flüchtlingen rechnet NRW noch bis zum Ende des Jahres und im ersten Halbjahr 2023?

Eine genaue Prognose der weiteren Zugangszahlen ist Aufgabe des Bundes. Es ist allerdings davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten der kalten Jahreszeit nicht mit einer Entspannung der Situation zu rechnen ist. Je nach Kriegsverlauf in der Ukraine könnten sich weitere Schutzsuchende auf den Weg auch nach Nordrhein-Westfalen machen, wenn die Inf­rastruktur z. B. zur Heizung der Wohnung von den russischen Streitkräften weiter zerstört wird.

  1. Wie hoch ist derzeit die noch freie Kapazität in NRW, um weitere Flüchtlinge auf­zunehmen? (Bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln.)

Die Zahl der aktiven Plätze sowie die Auslastung der Kapazitäten des Landes kann dem mo­natlichen Newsletter entnommen werden, welcher dem Landtag zugeht und auch auf der Internetseite des MKJFGFI regelmäßig veröffentlicht wird. Die aktuelle Ausgabe wurde mit Stand zum 15.12.2022 herausgegeben.

Eine Aussage zu den Kapazitäten der Kommunen ist nicht möglich, da keine zentrale Erfas­sung von Seiten des Landes erfolgt.

  1. Erwägt NRW den Zustrom an Flüchtlingen zu begrenzen oder gar zu stoppen?

Nordrhein-Westfalen wird auch weiterhin seiner humanitären Verantwortung nachkommen, vom Angriffskrieg bedrohten Geflüchteten aus der Ukraine im Rahmen des bundeseinheitlich geregelten Verfahrens nach § 24 AufenthG eine Aufnahme im Land zu gewähren.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner