Zahllose Gewaltexzesse in Deutschland – Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage in NRW?

Kleine Anfrage
vom 10.09.2024

Kleine Anfrage 4390

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Zahllose Gewaltexzesse in Deutschland Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage in NRW?

Deutschland sieht sich einer Reihe von Gewalttaten ausgesetzt. Neben Messerübergriffen und Vergewaltigungen sind sogar Tötungsdelikte inzwischen trauriger Alltag. Die Übergriffe und Gewaltdelikte haben dabei eine neue Qualität erreicht. In Berlin wird am 18. August 2024 in die Leiche einer jungen Frau im Keller eines Wohnhauses entdeckt. In Harburg kommt es am 17. August vor einer Volksbankfiliale zu einem gefährlichen Messerangriff, bei dem der Täter dem Opfer mit einem Messer in den Bauch sticht. Am 26. Juli 2024 tritt ein 21 Jahre alter Nigerianer in Bochum auf einen obdachlosen Rumänen ein. Das Opfer wird mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.1

Vor dem Hintergrund dieser Eskalationen stellt sich die Frage, wie es um die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen bestellt ist und ob ähnliche Vorfälle in NRW zu erwarten sind oder bereits stattgefunden haben.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über ähnliche gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren?
  2. Welche Maßnahmen werden derzeit ergriffen, um derartige Gewalteskalationen im öffentlichen Raum in NRW zu verhindern?
  3. In welchem Umfang wird die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Ordnungsbehörden verstärkt, um die Sicherheit an zentralen Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen zu gewährleisten?
  4. Welche präventiven Programme werden aktuell in NRW umgesetzt, um ethnische Spannungen und daraus resultierende Gewaltkonflikte zu vermeiden?
  5. Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage an stark frequentierten Orten in NRW und welche Schritte sind geplant, um diese weiter zu verbessern?

Markus Wagner

 

MMD18-10592

 

1 Vgl. https://www.nius.de/news/19-jaehrige-von-gambier-vergewaltigt-vor-volksbank-taeter-rammt-opfer-messer-in-bauch-kinder-schlagen-im-freibad-mit-steinen-und-hammer-aufeinander-ein/458c1b27-2c8c-4edc-b3e0-8cb1207c0fbf.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4390 mit Schreiben vom 11. Oktober 2024 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfas­sung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitäts-sicherungsprozesses durch.

  1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über ähnliche gewalttätige Ausei­nandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren?

In der Polizeilichen Kriminalstatistik erfolgt keine gesonderte Erfassung der Ethnie. Eine nach ethnischen Gruppen differenzierte Auswertung zu Fällen im Bereich der Gewaltkriminalität ist auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht möglich.

  1. Welche Maßnahmen werden derzeit ergriffen, um derartige Gewalteskalationen im öffentlichen Raum in NRW zu verhindern?

Die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen erheben fortwährend sicherheitsrelevante Erkenntnisse. Darüber hinaus beobachten und bewerten die Kreispolizeibehörden die Krimi-nalitäts- und Sicherheitslage in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen fortlaufend anhand ak­tueller Entwicklungen. Auf dieser Grundlage werden erforderliche Maßnahmen aufeinander abgestimmt und im Bedarfsfall fortgeschrieben bzw. angepasst. Bei derartigen Maßnahmen handelt es sich beispielsweise um

  • die offene, uniformierte Präsenz,
  • die Initiierung bzw. Ausweitung gemeinsamer Konzeptionen und Streifen mit Ordnungs-und Netzwerkpartnern sowie behördenübergreifende Schwerpunkteinsätze,
  • den Einsatz (mobiler) Videobeobachtung an öffentlichen Wegen und Plätzen gem. §§ 15, 15a Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW),
  • die Prüfung und Einrichtung von Waffenverbotszonen,
  • die Strategische Fahndung gem. § 12a PolG NRW,
  • Verkehrskontrollen gem. § 36 Straßenverkehrsordnung.

Aufgrund der gestiegenen Fallzahlen von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum und insbeson­dere zur Eindämmung der „Messergewalt im öffentlichen Raum“ wurde durch das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Konzeptpapier mit einer ge­zielten Bekämpfungsstrategie inklusive eines „10-Punkte-Plans zur Bekämpfung der Messer­gewalt“ veröffentlicht (LT-Vorlage 18/2925). Dadurch wird ein landesweiter Gleichklang prä­ventiver und repressiver Maßnahmen sichergestellt. Zu diesen Maßnahmen zählen beispiels­weise die Durchführung von Aktionstagen zur Bekämpfung der Messergewalt, die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen an Unterbringungseinrichtungen des Landes und in kommunalen Flüchtlingsunterkünften durch Bezirksdienstbeamtinnen und -beamte oder die Anordnung von Waffentrageverboten für Intensivtäterinnen und Intensivtäter.

  1. In welchem Umfang wird die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Ord­nungsbehörden verstärkt, um die Sicherheit an zentralen Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen zu gewährleisten?

Für die Sicherheit an Bahnhöfen ist die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verkehrsbetrieben zuständig. Die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen be­finden sich im regelmäßigen Austausch mit den jeweiligen Bundespolizeiinspektionen und den Verkehrsbetrieben und stimmen sich hinsichtlich der Maßnahmen in den Bahnhöfen sowie im Bahnhofsumfeld regelmäßig ab.

Ebenso führen die Kreispolizeibehörden gemeinsame Schwerpunkteinsätze mit der Bundes­polizei durch. Diese Form der Zusammenarbeit wurde im Jahr 2022 mit Erlass des Ministeri­ums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen nochmals erweitert. Das Einsatzgebiet um­fasst hierbei beispielsweise regelmäßig die Straßen, Wege und Plätze in unmittelbarer Nähe größerer Hauptbahnhöfe sowie die nahegelegenen Plätze mit Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Hierbei unterstützen auch die entsprechenden Ordnungs- und Service­dienste der Kommunen.

Nach den Rückmeldungen der Kreispolizeibehörden werden die Maßnahmen durch die Öf­fentlichkeit positiv wahrgenommen. Der erhöhte Kontrolldruck und die Vielzahl an Maßnahmen tragen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung im Bereich des Öffentlichen Per­sonenverkehrs bei.

Darüber hinaus ist das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen als Sicher­heitspartner in dem im Jahr 2009 durch das Kompetenzcenter Sicherheit NRW (KCS) einge­richteten „Landesweiten Arbeitskreis Sicherheit“ (LAK) vertreten. Im LAK treffen sich Vertrete­rinnen und Vertreter der Bundespolizei, des Ministeriums des Innern, der Verkehrsverbünde sowie der Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen, um gemeinsam aktuelle Phänomene zu be­sprechen und Lösungsansätze zu entwickeln und koordinierte Maßnahmen, wie z.B. anläss­lich der Fußballeuropameisterschaft 2024, zu ergreifen.

  1. Welche präventiven Programme werden aktuell in NRW umgesetzt, um ethnische Spannungen und daraus resultierende Gewaltkonflikte zu vermeiden?

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen informiert im Rahmen verhaltensorientierter Be­ratung über Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität, Gefährdungseinschätzungen, Opfer­risiken sowie tatbegünstigendes Verhalten und gibt Empfehlungen zu tatreduzierenden und deeskalierenden Verhaltensweisen. Potenziellen Täterinnen und Tätern werden beispielweise im Rahmen von Gefährderansprachen die rechtlichen und gegebenenfalls weiteren Konse­quenzen ihres Handelns verdeutlicht.

Die Polizei Nordrhein-Westfalen weist zudem auf Beratungsangebote und Hilfeeinrichtungen mit speziellen Anlaufstellen hin, bei denen Menschen in Konfliktsituationen Unterstützung und Beratung erhalten können. Diese Angebote zielen darauf ab, Konflikte frühzeitig zu erkennen und gewaltfreie Lösungen zu finden. Hierzu arbeitet sie auch eng mit Schulen zusammen, um Workshops und Informationsveranstaltungen zu Themen wie Gewaltprävention, Toleranz und Respekt durchzuführen.

Darüber hinaus beteiligt sich die Polizei Nordrhein-Westfalen an spezifischen kommunalen Gremien und Netzwerken und kooperiert mit verschiedenen sozialen und kulturellen Organi­sationen, um gemeinsam präventive Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinschaften eingehen. Hierzu wird auch die Teilnahme von Polizeibeamten an Schulungen, wie zum Beispiel interkulturelle Kompetenztrainings durch die Kreispolizeibehörden unterstützt, um das Verständnis für kulturelle Unterschiede zu fördern, Vorurteile abzubauen und die Kommunikation mit Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen fortlaufend zu verbessern.

Neben den vorbenannten Maßnahmen der Kreispolizeibehörden wurden durch das Landes­kriminalamt Nordrhein-Westfalen im Kontext Gewaltkriminalität Präventionshinweise für Bür­gerinnen und Bürger entwickelt. Die Präventionshinweise zu Gewalt im öffentlichen Raum, Kriminalitätsphänomenen im öffentlichen Raum, Gefahren durch Messerangriffe sowie für Festivalbesucher und Personen des öffentlichen Lebens stehen in zehn Sprachen zur Verfü­gung.

Weitere Hinweise zur Gewaltprävention werden auf der Internetseite des Programms Polizei­liche Kriminalprävention der Länder und des Bundes zur Verfügung gestellt.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Sicherheitslage an stark frequentierten Or­ten in NRW und welche Schritte sind geplant, um diese weiter zu verbessern?

Die Sicherheitslage an stark frequentierten Örtlichkeiten in Nordrhein-Westfalen, wie Fußgän­gerzonen, Bahnhöfen, Parkanlagen und weiteren öffentlichen Plätzen, genießt hohe Priorität in der polizeilichen Lagebewertung.

Die Kreispolizeibehörden bewerten und analysieren die Sicherheitslage an stark frequentier­ten Örtlichkeiten kontinuierlich.

Um etwaigen Kriminalitätsentwicklungen wirkungsvoll begegnen zu können, werden die poli­zeilichen Konzepte und Maßnahmen erforderlichenfalls fortgeschrieben und angepasst. Hier­bei verfolgt die nordrhein-westfälische Polizei einen ganzheitlichen Ansatz, welcher sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen beinhaltet.

Zur Bekämpfung der Kriminalität im öffentlichen Raum werden durch die Kreispolizeibehörden selbstverständlich auch stark frequentierte Örtlichkeiten in den Fokus genommen. Nach indi­vidueller Bewertung der jeweils zuständigen Kreispolizeibehörde erfolgt erforderlichenfalls eine Schwerpunktsetzung bei der Festlegung spezifischer behördenstrategischer Ziele in den jeweiligen Sicherheitsprogrammen, verbunden etwa mit der Umsetzung von Präsenzkonzep­tionen. Darüber hinaus wird die polizeiliche Präsenz an stark frequentierten Orten durch den Einsatz mobiler Wachen an erkannten Kriminalitätsschwerpunkten ausgebaut. Überdies

wird der Einsatz einer Videobeobachtung an relevanten Örtlichkeiten durch die Kreispolizei­behörden fortwährend geprüft. Soweit die rechtlichen Voraussetzungen hierzu vorliegen, kann die Sicherheit an besonders kriminalitätsbelasteten Orten auch durch den Einsatz einer stati­onären oder mobilen Videobeobachtungsanlage gesteigert werden.

 

MMD18-11037

Beteiligte:
Markus Wagner