Kleine Anfrage 97
des Abgeordneten Dr. Hartmut Beucker vom 05.07.2022
Zinspolitische Wende der EZB – mögliche Folge für den Landeshaushalt NRW
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde hat eine geldpolitische Wende für die Eurozone am 9. Juni 2022 verkündet. Das ist das Ergebnis der Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank am gleichen Tag.1 Die verkündeten Maßnahmen sind angesichts einer Inflationsrate von über 8,1 Prozent im Mai 2022 bescheiden. Nichtsdestotrotz stellen die Beendigung des Anleihenkaufprogramms der EZB am 1. Juli und eine angekündigte Zinserhöhung von 25 Basispunkten im gleichen Monat eine Straffung der ultraliberalen Geldpolitik dar. Im September soll es eine weitere Zinserhöhung vielleicht sogar um 50 Basispunkte geben. Eine Zinsanhebung dieser Größenordnung gab es das letzte Mal vor 22 Jahren.2
Das Land Nordrhein-Westfalen wird auch von dieser geldpolitischen Wende betroffen sein, da die Zinszahlungen für die Schulden des Landes voraussichtlich steigen werden. Die Renditen für Bundesanleihen sind in Erwartung einer Straffung der Geldpolitik in den letzten Wochen und Monaten gestiegen.3 4
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie hoch sind die durchschnittlichen Zinsen für neu aufgenommene Schulden, die das Land Nordrhein-Westfalen seit Beginn des Jahres 2022 (Januar bis Juni) aufgenommen hat? Wir bitten hier auch um einen Vergleich zu den geplanten Werten für das Jahr 2022. Außerdem bitten wir um eine zusätzliche Aufschlüsselung der Zinsen nach den allgemeinen Schulden des Landes und den Schulden des Corona-Sondervermögens.
- Mit welchen Zinsen für neue Schulden rechnet die Landesregierung für die Monate Juli bis Dezember dieses Jahres? Wir bitten auch hier um einen Vergleich zu den geplanten Werten aus der Haushaltsplanung für das Jahr 2022. Ebenfalls bitten wir um eine Aufschlüsselung nach den allgemeinen Schulden des Landes und den Schulden des Corona-Sondervermögens.
- Wie hoch werden die Zinszahlungen für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt in diesem Jahr im Vergleich zur ursprünglichen Haushaltsplanung ausfallen? Wir bitten auch hier um eine Aufschlüsselung nach den allgemeinen Schulden und denen im sogenannten Corona-Sondervermögen. Für die Monate Januar bis Juni bitten wir um die realen Zahlen und für die noch ausstehenden Monate geplanten Zahlungen.
- In welchem Umfang hat bzw. plant die Landesregierung Schulden für das Jahr 2022 zur Refinanzierung alter Schulden aber auch neuer Schulden aufzunehmen? Wir bitten hier um eine Aufschlüsselung nach Monaten. Darüber hinaus bitten wir um eine Unterteilung nach allgemeinen Schulden und denen des Corona-Sondervermögens.
- In welchem Umfang plant die Landesregierung eine Anpassung der Mittelfristigen Finanzplanung 2021 – 2025 in Folge der geldpolitischen Wende der Europäischen Zentralbank?
Dr. Hartmut Beucker
2 https://www.welt.de/finanzen/plus239247255/EZB-So-treibt-Christine-Lagarde-die-Inflation-voran.html
Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 97 mit Schreiben vom 3. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie hoch sind die durchschnittlichen Zinsen für neu aufgenommene Schulden, die das Land Nordrhein-Westfalen seit Beginn des Jahres 2022 (Januar bis Juni) aufgenommen hat? Wir bitten hier auch um einen Vergleich zu den geplanten Werten für das Jahr 2022. Außerdem bitten wir um eine zusätzliche Aufschlüsselung der Zinsen nach den allgemeinen Schulden des Landes und den Schulden des Corona-Sondervermögens.
Der Haushaltsplan 2022 sieht keine Neuverschuldung vor. Bei ausgeglichenem Kernhaushalt dienen aufgenommene Kredite ausschließlich der Tilgung fälliger Kredite.
Zinsen für festverzinsliche Haushaltskredite werden jährlich nachschüssig gezahlt, so dass sich die Zinsentwicklung des Jahres 2022 im Wesentlichen erst ab 2023 auf den Landeshaushalt auswirkt. Bei der Veranschlagung der Zinsausgaben 2023 wurde ein Zinssatz von 1,50% für die im Jahr 2022 aufzunehmenden festverzinslichen Kredite zugrunde gelegt. Die tatsächliche Verzinsung der im ersten Halbjahr 2022 aufgenommenen festverzinslichen Kredite beträgt 1,48%.
Für Zwecke des NRW-Rettungsschirm wurden im ersten Halbjahr 2022 keine Kredite aufgenommen.
- Mit welchen Zinsen für neue Schulden rechnet die Landesregierung für die Monate Juli bis Dezember dieses Jahres? Wir bitten auch hier um einen Vergleich zu den geplanten Werten aus der Haushaltsplanung für das Jahr 2022. Ebenfalls bitten wir um eine Aufschlüsselung nach den allgemeinen Schulden des Landes und den Schulden des Corona-Sondervermögens.
Für die im zweiten Halbjahr 2022 aufzunehmenden festverzinslichen Kredite ist je nach Laufzeitgestaltung und weiterer Zinsentwicklung mit einer durchschnittlichen Verzinsung von bis zu 2,50% zu rechnen.
Bei der Veranschlagung der Zinsausgaben 2023 wurde ein Zinssatz von 1,50% für die im Jahr 2022 aufzunehmenden festverzinslichen Kredite zugrunde gelegt (siehe Frage 1).
Nach aktuellem Stand entstehen im Zusammenhang mit den für Zwecke des NRW-Rettungsschirm aufgenommenen Kredite keine Zinsausgaben (siehe Frage 3).
- Wie hoch werden die Zinszahlungen für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt in diesem Jahr im Vergleich zur ursprünglichen Haushaltsplanung ausfallen? Wir bitten auch hier um eine Aufschlüsselung nach den allgemeinen Schulden und denen im sogenannten Corona-Sondervermögen. Für die Monate Januar bis Juni bitten wir um die realen Zahlen und für die noch ausstehenden Monate geplanten Zahlungen.
Für das Jahr 2022 wurden Zinsausgaben (Obergruppe 57, Kernhaushalt und NRW-Rettungsschirm) in Höhe von 1.425 Mio. Euro veranschlagt. Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass die Zinsausgaben 2022 den veranschlagten Wert nicht überschreiten werden.
Die Zinsausgaben im Kernhaushalt im Zeitraum 01.01. bis 30.06.2022 betrugen rd. 549 Mio. Euro.
Aktuell ergeben sich aus der Verschuldung zulasten des NRW-Rettungsschirms keine Zinsausgaben. In Summe unterliegt die Gesamtheit der Kredite einer negativen Verzinsung, sodass hieraus Zinseinnahmen erzielt werden.
Die Zinseinnahmen des NRW-Rettungsschirm im Zeitraum 01.01. bis 30.06.2022 betrugen rd. 10 Mio. Euro. Für das gesamte Jahr 2022 werden Zinseinnahmen in Höhe von rd. 21 Mio. Euro erwartet.
- In welchem Umfang hat bzw. plant die Landesregierung Schulden für das Jahr 2022 zur Refinanzierung alter Schulden aber auch neuer Schulden aufzunehmen? Wir bitten hier um eine Aufschlüsselung nach Monaten. Darüber hinaus bitten wir um eine Unterteilung nach allgemeinen Schulden und denen des Corona-Sondervermögens.
Die Bruttokreditermächtigung 2022 für den Kernhaushalt beträgt rd. 14,0 Mrd. Euro. Es handelt sich ausschließlich um Anschlussfinanzierungen auslaufender Kredite (davon rd. 0,2 Mrd. vorzeitige Tilgungen).
Im ersten Halbjahr 2022 wurden für den Kernhaushalt Kredite im Volumen von rd. 12,5 Mrd. Euro beschafft, die sich folgendermaßen verteilen:
Januar 3,8 Mrd. Euro
Februar 1,2 Mrd. Euro
März 2,1 Mrd. Euro
April 0,9 Mrd. Euro
Mai 0,8 Mrd. Euro
Juni 3,7 Mrd. Euro
Im Gesamtjahr 2022 ergeben sich weder Anschlussfinanzierungen auslaufender Kredite für den NRW-Rettungsschirm noch gibt es derzeit Planungen, neue Kredite für den NRW-Rettungsschirm aufzunehmen.
- In welchem Umfang plant die Landesregierung eine Anpassung der Mittelfristigen Finanzplanung 2021 – 2025 in Folge der geldpolitischen Wende der Europäischen Zentralbank?
Die Finanzplanungen des Landes werden nach Veröffentlichung nicht angepasst. Das gilt auch für die Finanzplanung 2021-2025.
Die Finanzplanung 2022-2026 wird dem Landtag zusammen mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2023 zugeleitet werden.