Kleine Anfrage 1930
des Abgeordneten Klaus Esser AfD
Zunahme des Passagierflugverkehrs in Nordrhein-Westfalen: Aufholen nach den Corona-Beschränkungen oder doch die langfristig prognostizierte Verdopplung?
Nach der Flugflaute infolge langjähriger Corona-Maßnahmen und -beschränkungen sind Nordrhein-Westfalens Flughäfen wieder im Aufwind. Die sechs größten Airports im Land verbuchten im März 2023 1,1 Millionen abfliegende Passagiere.1 Im März 2019 waren es noch 1,6 Millionen Fluggäste. Neben dieser mutmaßlichen Normalisierung der Reisetätigkeit nach der Corona-Pandemie rücken nun auch wieder langfristige Prognosen in den Raum, die einer avisierten Verkehrswende diametral gegenüberstehen. So hatte 2019 das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine Verdopplung der Passagierzahlen vorausgesagt – von etwa vier Milliarden im Jahr 2016 auf über 9,4 Milliarden bis 2040.2 Ende 2021 wurde diese Prognose durch das DLR nochmals bestätigt.3 Der ADV liefert noch aktuellere Zahlen aus dem April 2023.4
Daher frage ich die Landesregierung:
- Wie bewertet das Land die aktualisierte Prognose des DLR?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die prognostizierten Zuwächse im Passagierflugverkehr auch für NRW frühzeitig zu antizipieren?
- Wie kann ein striktes Nachtflugverbot angesichts dieser Prognose an einzelnen Flughäfen in NRW aufrechterhalten werden?
- Warum veranlasst die Landesregierung, dass zwischen dem 12. und 23. Juni 2023 das Nachtflugverbot am Düsseldorfer Flughafen teilweise aufgehoben wird, um kompensatorische Flugslots rund um das größte Luftmanöver der Nato-Geschichte (Militärübung „Air Defender 23“) zu gewährleisten?5
- Warum hängt Deutschland bzw. insbesondere auch NRW bei der Entwicklung der Passagierzahlen in der „Nach-Corona-Aufholphase“ im europäischen Vergleich so hinterher?
Klaus Esser
1 https:// www .it.nrw/356-prozent-mehr-flugpassagiere-im-maerz-2023-nrw-125064
4 https:// www .adv.aero/wp-content/uploads/2015/11/04.2023 -ADV-Monatsstatistik.pdf
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1930 mit Schreiben vom 12. Juli 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie bewertet das Land die aktualisierte Prognose des DLR?
Nach statistischen Erhebungen des Landesbetriebs Information und Technik (IT.nrw) vom 14. Juni 2023 starteten im April 2023 rund 1,5 Mio. Passagiere von den sechs großen Flughäfen in Nordrhein-Westfalen (Dortmund, Düsseldorf, Köln/Bonn, Niederrhein, Paderborn/Lippstadt). Damit werden 78,1% der Zahlen von April 2019 erreicht. Die genannte Prognose des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR ist während der Corona-Pandemie erstellt worden. Gleichzeitig hat das DLR darauf hingewiesen, dass Langzeitprognosen in Krisenzeiten immer mit Unsicherheiten einhergehen, die das Skizzieren wahrscheinlicher Langfristentwicklungen erschweren. Wenn berücksichtigt wird, dass auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages noch im Februar 2022 davon ausging, dass sich die Flugbewegungen in Deutschland in 2023 wieder auf dem Vor-Corona-Niveau befänden, wird ersichtlich, dass die Prognose des DLR von 2019 als überholt zu bewerten ist.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die prognostizierten Zuwächse im Passagierflugverkehr auch für NRW frühzeitig zu antizipieren?
Angebot und Nachfrage werden im global liberalisierten Luftverkehrsmarkt nicht staatlich geplant oder gesteuert.
- Wie kann ein striktes Nachtflugverbot angesichts dieser Prognose an einzelnen Flughäfen in NRW aufrecht erhalten werden?
Im Rahmen der oben genannten behördlichen Zulassungsverfahren müssen sich die Landes-luftfahrtbehörden bei ihrer Entscheidung stets mit allen für und gegen das Vorhaben sprechenden Belangen beschäftigen und die einschlägigen Rechtsvorschriften anwenden. Hierzu gehört insbesondere die von einem Vorhaben verursachte Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner mit Flug- und Bodenlärm. Das bedeutet, dass im Zuge der Prüfungen der Genehmigungsbehörde auch die Nachtflugbeschränkungen in den Blick genommen werden müssen.
- Warum veranlasst die Landesregierung, dass zwischen dem 12. und 23. Juni das Nachtflugverbot am Düsseldorfer Flughafen teilweise aufgehoben wird, um kompensatorische Flugslots rund um das größte Luftmanöver der NATO-Geschichte (Militärübung „Air Defender 23“ zu gewährleisten?
Im Zeitraum vom 12. Juni bis 23. Juni 2023 fand die NATO-Luftübung „Air Defender“ in Deutschland statt. Dabei handelt es sich um die bis dato größte Verlegeübung und Übung für Luftkriegsoperationen von NATO-Bündnispartnern seit Bestehen der NATO mit bis zu 10.000 Übungsteilnehmern aus 25 Nationen und 220 Luftfahrzeugen. Zur Durchführung wurden im Zeitraum der Übung tagsüber auch Lufträume für den zivilen Luftverkehr gesperrt. Es war davon auszugehen, dass es zu Verschiebungen von Flugbewegungen in Zeiten kommen kann, in denen der Luftverkehr durch Nachtflugbeschränkungen beschränkt ist.
Die Landesregierung hat deshalb unter Abwägung der Interessen der Luftverkehrswirtschaft und der betroffenen Passagiere sowie der Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens Düsseldorf in Bezug auf die (zeitlich befristete) Übung „Air Defender 2023“ entschieden, dann ein besonderes öffentliches Interesse für eine Ausnahmegenehmigung von den Nachtflugbe-schränkungen als gegeben anzusehen, soweit eine Fluggesellschaft einen zwingenden Bezug der einzelnen verspäteten Flugbewegung zur Übung „Air Defender 2023“ hinreichend darlegen kann und es sich um planmäßigen Verkehr handelt. Dies war in der Nachschau am Flughafen Düsseldorf nur für zwei Flugbewegungen erforderlich.
- Warum hängt Deutschland bzw. insbesondere auch NRW bei der Entwicklung der Passagierzahlen in der „Nach-Corona-Aufholphase“ im europäischen Vergleich so hinterher?
Ausweislich einer prognostischen Erhebung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL steigt das Sitzplatzangebot bis zum Jahresende an allen beobachteten deutschen Flughäfen kontinuierlich an, an einigen dezentralen Flughäfen wie z.B. Dortmund liegt das Angebot mit 120 % sogar weit über dem Vergleichszeitraum vor der Corona-Pandemie.