Zunehmende Militanz in Teilen der linken Szene

Kleine Anfrage
vom 05.02.2020

Kleine Anfrage 3380des Abgeordneten Markus Wagner vom 05.02.2020

 

Zunehmende Militanz in Teilen der linken Szene

Was der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bereits in seinem Jahresbericht für das Jahr 2018 feststellen konnte, bestätigt auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Die Militanz in weiten Teilen der linksextremen Szene nimmt merklich zu.1

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Gewaltstraftaten sind im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität links im Jahr 2019 registriert worden? (Bitte den prozentualen Unterschied zu den Vorjahreszahlen angeben)

2. Wie haben sich die (theoretische) Militanzdebatte, die (verlautbarte) Gewaltbereitschaft und die Qualität der tatsächlich verübten Gewaltstraftaten im Linksextremismus in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 entwickelt?

3. Geht mit den beobachtbaren Entgrenzungsdynamiken im Phänomenbereich des Linksextremismus auch eine Entgrenzung der Akzeptanz von Militanz beziehungsweise der Gewaltbereitschaft in demokratisch-linke Milieus hinein einher?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2019): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2018, Düsseldorf, S. 158ff.; Frankfurter Allgemeine Zeitung (2020): „Bei Linksextremisten sinkt die Hemmschwelle“. Verfassungsschutzpräsident Haldenwang im Gespräch, Nr. 23, S. 2.


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 04.03.2020

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3380 mit Schreiben vom 4. März 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorberei-tungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationali-tät, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszu-sammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet. Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

1. Wie viele Gewaltstraftaten sind im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität – links im Jahr 2019 registriert worden? (Bitte den prozentualen Unterschied zu den Vorjahreszahlen angeben)

Die endgültigen Fallzahlen zu Gewaltstraftaten im Bereich PMK-links liegen für das Jahr 2019 noch nicht vor. Aufgrund der Erfassungsmodalitäten kann es noch zu geringfügigen Abweichungen kommen.

Vorläufig wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 insgesamt 200 Gewaltstraftaten im Bereich PMK-links registriert. Dies entspricht einem vorläufigen Rückgang der Fallzahlen gegenüber denen des Jahres 2018 um ca. 55 Prozent. Eine detaillierte Übersicht über die Entwicklung der Gewaltdelikte im Bereich PMK-links vom Jahr 2018 auf das Jahr 2019 ergibt sich aus Anlage 1.

2. Wie haben sich die (theoretische) Militanzdebatte, die (verlautbarte) Gewaltbereitschaft und die Qualität der tatsächlich verübten Gewaltstraftaten im Linksextremismus in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 entwickelt?

Eine eingehende Militanzdebatte im Sinne einer nennenswerten diskursiven Auseinandersetzung mit der Anwendung von Gewalt ist in der linksextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen. In der Regel werden Aussagen zur Gewaltbereitschaft schon aus Eigenschutz von der aktionsorientierten Szene im Linksextremismus vermieden. Der festgestellte Prozess einer Entgrenzung und Enthemmung bei der Anwendung von Gewalt im Bereich der Besetzerszene im Hambacher Forst hat sich jedoch fortgesetzt.

3. Geht mit den beobachtbaren Entgrenzungsdynamiken im Phänomenbereich des Linksextremismus auch eine Entgrenzung der Akzeptanz von Militanz beziehungsweise der Gewaltbereitschaft in demokratisch-linke Milieus hinein einher?

Für das Jahr 2019 ist insgesamt keine Steigerung gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz von linksextremistischer Gewalt wahrnehmbar. Jedoch werden die häufig durch Linksextremisten als Ausprägung des sogenannten „zivilen Ungehorsams“ gerechtfertigten Rechtsverstöße und Straftaten gerade auch im Spektrum des demokratischen Klimaprotestes als legitime Form der politischen Auseinandersetzung angesehen.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner