Scheitert das Entfesselungspaket für erneuerbare Energien am Machbaren?

Kleine Anfrage
vom 13.11.2017

Kleine Anfrage 533
des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

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Energieminister Pinkwart kündigte am 25. Oktober vollmundig ein Entfesselungspaket für erneuerbare Energien an.1 So wolle er sich dafür einsetzen, dass Regelungen, die Investitionen erschweren abgeschafft werden und auch das von der Windkraft-Lobby kritisierte Ausschreibungsverfahren soll vereinfacht werden.

Derzeit gibt es in NRW ca. 3500 Windkraftanlagen, die zusammen 5000 Megawatt leisten, was 6 Prozent des Stromverbrauchs in NRW entspricht. Weitere 400 sind bereits genehmigt und sollen zusätzliche 1200 Megawatt liefern.

Dessen ungeachtet hatte die Landesregierung sich gerühmt mit einer restriktiven Flächen- und Abstandsregelung die Akzeptanz für Windkraft in der Bevölkerung zu fördern.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Windkraftanlagen könnten unter Berücksichtigung aller geltenden, restriktiven Regelungen und Gesetze (Abstandsregelung, Naturschutz, etc.), sowie natürlicher Gegebenheiten, die den Bau von Windkraftanlagen ausschließen, in Nordrhein-Westfalen maximal gebaut werden?
  2. Wie viele Windkraftanlagen müssten in Nordrhein-Westfalen gebaut werden, um den gesamten Stromverbrauch Nordrhein-Westfalens nur durch Windenergie zu decken?
  3. Wie groß wäre die Fläche der dazu nötigen Infrastruktur, wie Höchstspannungsleitungen, Umspannwerke, Konverter, etc.?
  4. Wäre es möglich die nötige Infrastruktur zu bauen, ohne restriktive Regelungen, etwa den Abstand zu Wohnbebauung, abzuschwächen?

1 http://www.ruhrnachrichten.de/Nachrichten/Pinkwart-Windenergie-in-NRW-wird-nicht-ausgebremst-953971.html

Dr. Christian Blex

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 533 im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz wie folgt:

  1. Wie viele Windkraftanlagen könnten unter Berücksichtigung aller geltenden, restriktiven Regelungen und Gesetze (Abstandsrege­lung, Naturschutz, etc.), sowie natürlicher Gegebenheiten, die den Bau von Windkraftanlagen ausschließen, in Nordrhein-Westfalen maximal gebaut werden?

Die „Potentialstudie Erneuerbare Energien NRW, Teil 1 — Windenergie“ liefert die Zusammenfassung aller verfügbaren Daten zur Raumnutzung und zu Winderträgen in Nordrhein-Westfalen und die auf dieser Basis abgeleiteten Windpotentiale. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Darstellung regionaler Potentiale. Die Ergebnisse werden im Fachinfor­mationssystem Energieatlas Nordrhein-Westfalen veröffentlicht. Die Studie wird aktuell fortgeschrieben.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es kein stati sches Potential gibt, da eine stetige technische Entwicklung stattfindet. Außerdem werden Gesetze, Verordnungen, Pläne, Erlasse und Leitfäden insbesondere aufgrund aktueller Rechtsprechung sowie neuer fach­licher Erkenntnisse kontinuierlich weiterentwickelt.

  1. Wie viele Windkraftanlagen müssten in Nordrhein-Westfalen ge­baut werden, um den gesamten Stromverbrauch Nordrhein-Westfalens nur durch Windenergie zu decken?

Nordrhein-Westfalen ist Teil des deutschen Energieversorgungssystems sowie des europäischen Verbundes. Entsprechende fiktive Inselbetrach­tungen entsprechen von daher weder der technischen Realität, noch der bundesweiten wie europäischen Rechtslage.

Abgesehen davon wird es zukünftig auf eine effiziente Vernetzung von zunehmend Erneuerbaren Energien mit der konventionellen Energieer­zeugung im Gesamtsystem innerhalb von Deutschland und Europa ankommen. Auch wenn der Anteil der fossilen Energieerzeugung weiter sinkt, werden flexible Kraftwerke als Ergänzung der Erneuerbaren Ener­gien noch so lange gebraucht, bis Stromspeicher, Nachfrageflexibilisie­rung und intelligente Netze diese Rolle vollständig übernehmen können.

  1. Wie groß wäre die Fläche der dazu nötigen Infrastruktur, wie Höchstspannungsleitungen, Umspannwerke, Konverter, etc.?
  2. Wäre es möglich die nötige Infrastruktur zu bauen, ohne restrik­tive Regelungen, etwa den Abstand zu Wohnbebauung, abzu­schwächen?

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. In diesem Zusam­menhang wird auch auf die Beantwortung der Fragen 1 und 2 verwie­sen.

Die Infrastrukturbedarfe im Übertragungsnetz wurden von den Netzbe­treibern bislang bis 2035 berechnet. Insofern wird auf den Netzentwicklungsplan 2030 verwiesen. Eine Berechnung konkreter Infrastrukturbedarfe zum Zieljahr 2050 ist bislang nicht erfolgt. Da zur Berücksichtigung der fortlaufenden Entwicklungen alle zwei Jahre eine neue Berechnung vorgenommen wird, rücken mittelfristig auch weiterreichende Zieljahre in den Blick. Nordrhein-Westfalen kann jedoch im Gegensatz zu den meis­ten Ländern aufgrund der Besiedelungs- und Industriedichte den ganz überwiegenden Teil der hier erzeugten Erneuerbaren Energien relativ ortsnah oder in relativ geringer Distanz verbrauchen. insofern wird für die hiesige EE-Stromerzeugung weniger das übergeordnete Transport­netz, sondern vielmehr die Verteilnetze benötigt. Auch hier werden An­passungen mit fortschreitender Entwicklung erforderlich, die sich jedoch in Relation zu den Erfordernissen in anderen, dünner besiedelten und mit weniger Netzinfrastruktur ausgestatteten Ländern, deutlich geringer ausnehmen. Im Einzelnen wird auf die Verteilnetzstudie der Landesre­gierung verwiesen (Gutachten „Leistungsfähigkeit und Ausbaubedarf der Verteilnetze in Nordrhein-Westfalen“, https://wwvv.iand.nrw/sites/default/files/asset/document/nrw-vns abschlussbericht.pdf).

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Dr. Andreas Pinkwart