Kleine Anfrage 578
des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD
In den vergangenen Monaten berichteten immer mehr Medien über einen wachsenden Antisemitismus an deutschen Schulen. Jüdische Schüler werden Opfer von Mobbing und Gewalt. Nicht selten stammen die Täter dabei aus dem arabischen oder türkischen Kulturkreis.
Laut der Studie „Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland“ der Universität für angewandte Wissenschaften in Frankfurt am Main äußern 70 Prozent der Befragten jüdischen Glaubens die Sorge, dass Judenhass durch Zuwanderung aus dem muslimischen Kulturkreis zunehmen werde. Ebenfalls 70 Prozent der Befragten tragen aus Angst vor antijüdischen Ressentiments in der Öffentlichkeit keine jüdischen Symbole mehr.
Diese Entwicklungen sind in einem Land, das geprägt ist durch christlich-jüdische Kultur, nicht hinnehmbar.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung von antisemitischen Übergriffen an nordrhein-westfälischen Schulen?
- Gibt es eine zentrale Erfassungsstelle solcher Übergriffe?
- Werden antisemitische Übergriffe bei ihrer Erfassung nach dem Motiv (Rechtsextremismus/Islamismus/o.Ä.) differenziert?
- In welcher Form werden die Eltern der Kinder, welche Opfer von Antisemitismus geworden sind unterstützt?
- Plant die Landesregierung im Hinblick auf Antisemitismus durch Schüler mit muslimischen Glauben besondere Sensibilisierungsmaßnahmen?
Thomas Röckemann
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 578 im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern sowie der
Ministerin für Kultur und Wissenschaft wie folgt:
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Werte des Grundgesetzes gelten für alle gleichermaßen. Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres individuellen Lebensstils haben in einer offenen Gesellschaft keinen Platz. Die Landesregierung wird auch in Zukunft dem Rechts- und Linksextremismus, politisch motivierter Gewalt sowie jeglicher Art von Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, lslamophobie und Sexismus entschieden entgegentreten. Schulen sollen Orte sein, an denen Demokratie und Menschenrechte erlernt und gelebt werden, unabhängig davon, welchen Hintergrund oder welche Religionszugehörigkeit die Schülerinnen und Schüler haben. Viele Schulen haben ihre pädagogischen Ziele an Demokratie und Menschenrechten ausgerichtet und es bewusst in ihr Schulprogramm aufgenommen. Verschiedene zum Teil bundesweit angelegte Programme unterstützen Schulen bei ihrem Engagement für eine an den Werten der Demokratie ausgerichtete Bildung. Dies bedeutet neben der Thematisierung von Antisemitismus und seinen (neuen) Erscheinungsformen auch, sich den Traditionslinien antisemitischer Diskurse in Deutschland zu widmen.
Frage 1 Welche Kenntnisse hat die Landesregierung von antisemitischen Übergriffen an nordrhein-westfälischen Schulen?
Für den Zeitraum 1.1.2014 bis 5.12.2017 wurden insgesamt 61 antisemitische Straftaten an nordrhein-westfälischen Schulen gemeldet. Von den 61 Straftaten wurden 47 dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) Rechts, zehn Straftaten dem bis 2016 gültigen Phänomenbereich PMK Ausländer, drei Straftaten dem Phäno-menbereich Sonstige/ nicht zuzuordnen sowie eine dem Phänomenbe-reich PMK Links zugeordnet.
Einzelheiten entnehmen Sie der Anlage 1.
Frage 2 Gibt es eine zentrale Erfassungsstelle solcher Übergriffe?
Antisemitische Straftaten werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst.
Frage 3 Werden antisemitische Übergriffe bei ihrer Erfassung nach dem Motiv (Rechtsextremismus/Islamismus/o.Ä.) differenziert?
Politisch motivierte Straftaten werden bei ihrer statistischen Erfassung einem Phänomenbereich zugeordnet. Bis zum 31.12.2016 wurden Straftaten im Zusammenhang mit Islamismus im Phänomenbereich „Ausländer“ erfasst. Seit dem 1.1.2017 erfolgt die Erfassung dieser Straftaten unter dem neu hinzugefügten Phänomenbereich „Religiöse Ideologie“.
Frage 4 In welcher Form werden die Eltern der Kinder, welche Opfer von Antisemitismus geworden sind unterstützt?
Als wesentlicher Bestandteil der Integrationsinfrastruktur des Landes bieten die vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration geförderten Integrationsagenturen innerhalb der insgesamt 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit gezielt Unterstützung und Beratung für betroffene Eltern und Kinder an. Als eine Servicestelle mit dem besonderen Schwerpunkt Antisemitismus wurde SABRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit und Beratung bei Rassismus und Antisemitismus) im Juni 2017 in Düsseldorf gegründet. Neben der Beratung ist die Servicestelle auch in der Prävention aktiv. Sie bietet Em-powerment-Workshops für Schülerinnen und Schüler an, die für unterschiedliche Altersstufen konzipiert sind. Bei Bedarf vermittelt SABRA durch die Kooperation mit dem „Kompetenzzentrum Prävention und Empowerment“ der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST) Betroffene auch an die Opferberatungsstelle. Darüber hinaus gibt es in jedem Kreis bzw. kreisfreien Stadt schulpsychologische Beratungsstellen, die mit ihren vielfältigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten wichtige Anlaufstellen für die Schulen in Nordrhein-Westfalen und eine unverzichtbare Hilfe für alle am Schulleben Beteiligten sind. Schulpsychologie nutzt psychologische Erkenntnisse, um Schulen in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag zu unterstützen. Sie berät Eltern u.a. in Bezug auf die Unterstützung ihrer Kinder in schulischen Fragen und Problemen. Des Weiteren sind Beratungslehrkräfte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler, Eltern, aber auch ihre Kolleginnen und Kollegen.
Frage 5 Plant die Landesregierung im Hinblick auf Antisemitismus durch Schüler mit muslimischen Glauben besondere Sensibilisie-rungsmaßnahmen?
Die Landesregierung versucht mit ihren Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Antisemitismus allen Facetten der Einwanderungsgesellschaft gerecht zu werden. Das bedeutet, dass alle Artikulationsformen des aktuellen Antisemitismus thematisiert werden, wie etwa der israelbezogene oder der sekundäre Antisemitismus. Dabei richtet sich der Blick auf alle Jugendlichen.
Konkret bietet die Landeszentrale für politische Bildung u.a. die Projekttage „Aktueller Antisemitismus in Deutschland“ für Schülerinnen und Schüler ab der 9. Jahrgangsstufe. Im Rahmen des Modellprojekts „Verknüpfungen“ werden neue pädagogische Materialien zum israelbezogenen Antisemitismus entwickelt. Im Jahr 2018 wird ferner in Kooperation mit der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. eine Ausstellung zum Thema in einfacher Sprache umgesetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Gebauer