Heimkinder in NRW

Kleine Anfrage
vom 10.12.2019

Kleine Anfrage 3238der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski vom 10.12.2019

 

Heimkinder in NRW

Die erste gemeinschaftliche Fürsorge für Waisenkinder und Kinder in Not leisteten die christlichen Kirchen. Heute gibt es darüber hinaus viele weitere Organisationen und Unterbringungsmöglichkeiten, die von freien Trägern unterstützt werden.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Heimen und Wohngruppen in Deutschland ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Gründe dafür sind u.a. die steigende Zahl von minderjährigen Flüchtlingen sowie die Tatsache, dass Jugendämter mittlerweile sensibler reagieren – Kinder und Jugendliche werden deutlich schneller in Heimen untergebracht. Das betrifft 95.582 Kinder in Heimen oder betreuten Wohngruppen (Stand 2016)1 – 63% mehr als noch 2008. Im Allgemeinen wird unter dem Begriff „Heimerziehung“ die Hilfe zur Erziehung verstanden, indem Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht pädagogisch in einer Einrichtung betreut und somit in ihrer Entwicklung gefördert werden. Die Form der klassischen „Heimerziehung“ hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Immer häufiger kommt es jetzt zu Berichten, dass schwer erziehbare Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien untergebracht werden, die in abgeschiedenen Gegenden im europäischen Ausland leben. Aktuell leben circa 850 Kinder aus Deutschland in Pflegefamilien im europäischen Ausland (Stand 2019)2. Als Gründe werden u. a. die pädagogisch mutmaßlich wertvollen Einflüsse der räumlichen und psychischen Entfernung zum Problemhaushalt angegeben – viele Erfahrungsberichte der Betroffenen fallen jedoch äußerst negativ aus3.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Kinderheimen NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

2. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Pflegefamilien NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

3. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in betreuten Wohngemeinschaften NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

4. Wie viele Kinder und Jugendliche aus NRW waren im Zeitraum 2015-2019 in pädagogischen Einrichtungen der Jugendhilfe im Ausland untergebracht? (Bitte nach Land der Unterbringung, Geschlecht und Alter des Kindes/ Jugendlichen aufschlüsseln)

5. Womit werden die Inobhutnahmen der Kinder und Jugendlichen in Kinderheime oder betreute Wohngemeinschaften begründet? (Bitte nennen Sie die fünf häufigsten Gründe)

Iris Dworeck-Danielowski

 

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1 https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/heimkinder-zahl-in-deutschland-waechst-seit-jahren-stark-an-a-1207610.html

2 https://www.morgenpost.de/vermischtes/article216834927/Polizeiruf-110-Werden-Heimkinder-wirklich-zum-Geschaeft.html

3 https://www.morgenpost.de/vermischtes/article216834927/Polizeiruf-110-Werden-Heimkinder-wirklich-zum-Geschaeft.html


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 30.12.2019

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3238 mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Kinder-
heimen NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die nachfolgende Tabelle 1 verwiesen.

Tabelle 1: Minderjährige in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) (Nordrhein-Westfalen; 2013 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18-Jährigen)

  Minderjährige     in    Vollzeit-

pflege (§ 33)

Minderjährige in Heimerzie-hung und sonstigen betreu­ten

Wohnformen (§ 34)

  Absolut Pro       10.000

der unter 18-

Absolut Pro       10.000

der unter 18-

    Jährigen   Jährigen
2013 22.194 75,3 22.339 75,8
2014 22.836 78,3 22.781 78,1
2015 23.530 79,4 24.004 81,0
2016 24.690 82,8 26.939 90,3
2017 24.751 82,8 25.636 85,8
2018 24.610 82,2 24.539 81,9

Quelle: Statistisches Bundesamt und IT NRW: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Die Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor.

2. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in Pflege-
familien NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die unter Frage 1 aufgeführte Tabelle 1: Minderjährige in Voll-zeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) (Nordrhein-Westfalen; 2013 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18-Jährigen) des Statistischen Bundesamtes und IT NRW verwiesen.

3. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich im Zeitraum 2013-2019 in betreu­ten Wohngemeinschaften NRWs? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die unter Frage 1 aufgeführte Tabelle 1 verwiesen. Betreute Wohngemeinschaften sind unter „sonstige betreute Wohnformen“ erfasst und werden in der Statistik nicht gesondert ausgewiesen.

4. Wie viele Kinder und Jugendliche aus NRW waren im Zeitraum 2015-2019 in päda­gogischen Einrichtungen der Jugendhilfe im Ausland untergebracht? (Bitte nach Land der Unterbringung, Geschlecht und Alter des Kindes/ Jugendlichen auf­schlüsseln)

Zur Beantwortung wird auf die nachfolgenden Tabellen 2 und 3 verwiesen.

Eine statistische Erhebung über das jeweilige Land der Unterbringung liegt nicht vor. Eine

Aufschlüsselung nach Ländern ist daher nicht möglich.

Tabelle 2: Minderjährige in der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) und in der intensiven sozialpäda­gogischen Einzelbetreuung (ISE) (§ 35 SGB VIII) außerhalb von Deutschland (Nordrhein- Westfa­len; 2015 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 18­Jährigen)

  Minderjährige merziehung gen betreuten men

(§ 34) außerhalb Deutschland

Absolut

in           Hei-

und sonsti- Wohnfor-

von

Pro 10.000

der       unter
18-Jähri- gen

Minderjährige

(§ 35) außerhalb Deutschland

Absolut

in          ISE

von

Pro 10.000

der     unter
18-Jähri- gen

Minderjährige merziehung ISE (§ 35) von Deutschland

Absolut

in          Hei-

(§ 34) und außerhalb

Pro 10.000

der      unter
18-Jähri­gen

2015 139 0,5 124 0,4 263 0,9
2016 151 0,5 108 0,4 259 0,9
2017 132 0,4 112 0,4 244 0,8
2018 100 0,3 87 0,3 187 0,6

Quelle: Statistisches Bundesamt und IT NRW: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Tabelle 3: Minderjährige in der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) und in intensiven sozialpädago­gischen Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII) außerhalb von Deutschland nach Alter und Geschlecht (Nordrhein-Westfalen; 2015 bis 2018; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen; Angaben absolut)

  2018
Gesamt
m w 2017
Gesamt
m w 2016
Gesamt
m w 2015
Gesamt
m w
Unter 15 J. 48 28 20 55 37 18 66 46 20 67 45 22
15 bis u 18 J. 139 85 54 189 111 78 193 122 71 196 118 78
Insge­samt 187 113 74 244 148 96 259 168 91 263 163 100

Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfe, Einglie­derungshilfe, Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnun­gen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

5. Womit werden die Inobhutnahmen der Kinder und Jugendlichen in Kinderheime oder betreute Wohngemeinschaften begründet? (Bitte nennen Sie die fünf häu­figsten Gründe)

Für das Jahr 2018 weist IT NRW im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik 14.502 durchgeführte Inobhutnahmen gem. §§ 42 und 42a SGB VIII aus. Die fünf häufigsten Anlässe für die Fälle des Berichtsjahres 2018 sind der nachfolgenden Tabelle 4 zu entnehmen. Hierbei ist folgender methodischer Hinweis zu beachten: Für jeden Fall der Inobhutnahme konnten in der Erhebung bis zu 2 Anlässe angegeben werden. Die Fälle mit dem Anlass un­begleitete Einreise eines Minderjährigen beinhalten sowohl die Fälle gem. § 42a SGB VIII (vorläufige Inobhutnahme) als auch die Fälle gem. § 42 SGB VIII (Inobhutnahme). Diese Maß­nahmen folgen in der Regel im Rahmen der jugendhilferechtlichen Zuständigkeit für unbeglei­tete ausländische Minderjährige aufeinander

Tabelle 4: 5 häufigsten Anlässe für Inobhutnahmen der Jugendämter (Nordrhein-Westfalen; 2018; Angaben absolut)

  Absolut
Fallzahlen insgesamt 14.502
Anlass Überforderung eines Elternteils 4.450
Sonstige Probleme 4.334
Unbegleitete Einreise eines Minderjährigen 3.257
Anzeichen für körperliche/psychische Misshandlung 1.622
Anzeichen für Vernachlässigung 1.473

Quelle: IT NRW: Vorläufige Schutzmaßnahmen; 2018; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

 

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