Kleine Anfrage 3269der Abgeordneten Helmut Seifen, Herbert Strotebeck und Christian Loose vom 19.12.2019
Beamtenbesoldung neben gewerkschaftlicher Vergütung
Vergütete Nebentätigkeiten gehören nicht zum traditionellen Berufsbild der Landesbeamtinnen und Landesbeamten. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wo sie durch die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, etwa zur finanziellen Attraktivität des Professorenberufs und damit zur Gewinnung qualifizierter Professoren beitragen, beeinträchtigen vergütete Nebentätigkeiten in der Regel öffentliche Interessen.
Deshalb sind sie nach der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Lande Nordrhein-Westfalen (Nebentätigkeitsverordnung – NtV) von dem jeweiligen Dienstvorgesetzten zu genehmigen. Nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 b LBG NRW, die Beamte gegen Vergütung ausüben wollen, sind dem Dienstvorgesetzten vor Aufnahme schriftlich anzuzeigen; § 126 Abs. 2 LBG NRW bleibt unberührt. Die Verpflichtung besteht im Übrigen unabhängig davon, ob Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn bei der Ausübung der Nebentätigkeit in Anspruch genommen werden.
Die im Zuge der Causa Wendt 2017 von der rot-grünen Landesregierung eingeräumte Besoldungspraxis „zur Förderung der Gewerkschaftsarbeit“ in Nordrhein-Westfalen, gewerkschaftlichen Spitzenfunktionären auf Landesebene auch dann die vollen Dienstbezüge zu gewähren, wenn sie zur fraglichen Zeit überhaupt keinen Dienst verrichten oder aus Nebentätigkeiten einen erheblichen Zuverdienst erzielen, sollte zukünftig unterbunden werden.
Gewerkschaftliches Engagement ist und bleibt eine wesentliche Stütze der sozialen Marktwirtschaft und damit unserer Demokratie.
Die in Nordrhein-Westfalen geübte Praxis, dass gewerkschaftliche Spitzenfunktionäre auf Landesebene für ihre Gewerkschaftsarbeit als Nebentätigkeit teils hohe Vergütungen neben ihren, in vollem Umfang gewährten Dienstbezügen erhalten, ist aber problematisch, insbesondere wenn
- die Nebentätigkeit so umfangreich ist, dass die Wahrnehmung der Pflichten aus dem Hauptamt gefährdet oder unmöglich wird,
- zur Ausübung der Nebentätigkeit auf personelle und sächliche Ressourcen des Landes zurückgegriffen wird, ohne dass das Land dafür ein angemessenes Entgelt erhält, und
- Nebentätigkeiten dazu missbraucht werden, sich auf Kosten des Landes finanzielle Vorteile zu verschaffen.
Insbesondere der letzte Aspekt bedarf der systematischen Prüfung jeder als Nebentätigkeit zu qualifizierenden Wahrnehmung eines Vorstandsamtes in einer Gewerkschaft auf Landesebene gegen Vergütung, die sich oftmals bereits aus den Satzungen der Gewerkschaften und Verbände ergibt, auch wenn die Vergütungen nach außen – falls überhaupt! – gerne als bloße Aufwandsentschädigung oder Pauschale bezeichnet werden.
Weit verbreitet zeigt sich nämlich, dass beispielsweise die umfangreiche Freistellung von Personalratsmitgliedern dazu genutzt wird, während der Dienstzeit gewerkschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen, die dann ihrerseits von den Gewerkschaften vergütet werden, obwohl für den gleichen Zeitraum Anspruch auf die vollen Dienstbezüge besteht.
Die gesellschaftspolitisch gewünschte und oft engagiert vorgetragene Gewerkschaftsarbeit wird als Nebentätigkeit mithin dazu missbraucht, sich auf Kosten des Landes finanzielle Vorteile zu verschaffen.
Das belastet den Landeshaushalt und schadet dem Ansehen der unzähligen ehrenamtlich tätigen Gewerkschaftsmitglieder in unserem Land.
Nur durch strikte Kontrolle kann der Interessenkollision zwischen den originär privaten Interessen der Landesbeamtinnen und – beamten an einer Steigerung der Einkommenssituation und den berechtigten Interessen des Landes, denen zu dienen die Beamten verpflichtet sind, Rechnung getragen werden.
Um zu einem vernünftigen Interessenausgleich zu kommen, sind die Beamten verpflichtet, ihrem Dienstvorgesetzten Nebeneinnahmen, die eine Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, nach NtV NRW anzuzeigen; das Land ist gehalten, die Einkommenssituation seiner Beamten aus Nebentätigkeiten zumindest insoweit selbstständig zu prüfen, als sich ein Zuverdienst aufgrund der äußeren Umstände geradezu aufdrängt.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. In welchem Umfang (Beträge) haben die Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene, die verbeamtet und bezügeberechtigt sind, ihrem Dienstherrn zwischen 2015 und 2019 ihre Nebeneinnahmen von den Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene angezeigt?
2. Haben überhaupt Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene, die verbeamtet und bezügeberechtigt sind, zwischen 2015 und 2019 derartige Nebeneinnahmen angezeigt?
3. Wurden die Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene zwischen 2015 und 2019 aufgefordert, ihre Nebeneinnahmen ordnungsgemäß anzuzeigen, insbesondere nach 2017, damit es keinen „zweiten Fall Wendt in Nordrhein-Westfalen“ geben kann?
4. Welche Kenntnisse liegen dem Ministerium für Schule und Bildung in Bezug auf verbeamtete Lehrkräfte vor, die sich im schulischen Bereich gewerkschaftlich engagieren und Nebeneinnahmen generieren? (Gebeten wird um anonymisierte Auskunft über die Dauer des Engagements und Höhe der Nebeneinkünfte)
5. Sofern der Landesregierung zu 1) und 2) nur unvollständige Angaben möglich sind, schließt sich die Frage an, was die Landesregierung unternehmen wird, um die, aufgrund derartiger Einkünfte ganz oder in Teilen zu Unrecht erfolgende Besoldung von Beamten zukünftig zu vermeiden?
Helmut Seifen
Christian Loose
Herbert Strotebeck
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 24.01.2020
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3269 mit Schreiben vom 24. Januar 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.
1. In welchem Umfang (Beträge) haben die Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene, die verbeamtet und bezügeberechtigt sind, ihrem Dienstherrn zwischen 2015 und 2019 ihre Nebeneinnahmen von den Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene angezeigt?
2. Haben überhaupt Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene, die verbeamtet und bezügeberechtigt sind, zwischen 2015 und 2019 derartige Nebeneinnahmen angezeigt?
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Bei Tätigkeiten zur Wahrung von Berufsinteressen der Beamtinnen und Beamten in Gewerkschaften und Berufsverbänden handelt es sich um nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4 lit. a des Gesetzes über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW). Für diese Tätigkeiten besteht weder nach § 53 LBG NRW eine Pflicht zur Meldung noch nach § 10 Nebentätigkeitsverordnung (NtV) eine Pflicht zur Anzeige von Nebeneinnahmen.
3. Wurden die Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB auf Landesebene zwischen 2015 und 2019 aufgefordert, ihre Nebeneinnahmen ordnungsgemäß anzuzeigen, insbesondere nach 2017, damit es keinen „zweiten Fall Wendt in Nordrhein-Westfalen“ geben kann?
Sofern es die Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Gewerkschaften im DGB und DBB betrifft, ist, wie bei den Fragen 1 und 2 ausgeführt, weder eine Melde- noch eine Anzeigepflicht vorgesehen. Von daher ist auch keine entsprechende Aufforderung erfolgt.
Sofern es anderweitige Nebentätigkeiten der Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften im DGB und DBB betrifft, gelten für diese hinsichtlich der Meldung von Nebeneinnahmen die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen.
4. Welche Kenntnisse liegen dem Ministerium für Schule und Bildung in Bezug auf verbeamtete Lehrkräfte vor, die sich im schulischen Bereich gewerkschaftlich engagieren und Nebeneinnahmen generieren? (Gebeten wird um anonymisierte Auskunft über die Dauer des Engagements und Höhe der Nebeneinkünfte)
Lehrerinnen und Lehrern, die Funktionen in Gewerkschaften oder Berufsverbänden wahrnehmen, kann in Nordrhein-Westfalen – wie anderen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern – nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 Freistellungs- und Urlaubsverordnung (FrUrlV NRW) Urlaub ohne Besoldung bewilligt werden. Ein Urlaub für mehr als sechs Monate bedarf der Zustimmung der obersten Dienstbehörde, ab einer Dauer von mehr als zwei Jahren auch der Zustimmung des für Inneres zuständigen Ministeriums und des Ministeriums der Finanzen. Zudem hat sich bei einer Beurlaubung für Aufgaben bei Gewerkschaften (u.a.), die die Dauer eines Jahres überschreiten, die Landesregierung die Entscheidung über die Beurlaubung vorbehalten.
Die Frage, ob es sich bei einer im Rahmen einer Beurlaubung nach § 34 FrUrlV NRW ausgeübten Tätigkeit zur Wahrung von Berufsinteressen in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband um eine Nebentätigkeit im Sinne des LBG NRW handelt, durch die Nebeneinnahmen erzielt werden, kann dahinstehen. Selbst wenn diese Aufgabenwahrnehmung eine Nebentätigkeit wäre, wäre sie jedenfalls gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4 lit. a LBG NRW nicht genehmigungspflichtig und weder nach § 53 LBG NRW melde- noch gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 NtV anzeigepflichtig. Dies gilt jeweils auch für die Höhe möglicherweise erzielter Nebeneinnahmen.
Nach vorliegenden Unterlagen sind aktuell fünf verbeamtete Lehrkräfte für gewerkschaftliche Tätigkeiten nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 FrUrlV NRW und der Entscheidung der Landesregierung beurlaubt bzw. teilbeurlaubt. Eine weitergehende Aufschlüsselung ist aufgrund des Schutzes personenbezogener Daten nicht möglich.
5. Sofern der Landesregierung zu 1) und 2) nur unvollständige Angaben möglich sind, schließt sich die Frage an, was die Landesregierung unternehmen wird, um die, aufgrund derartiger Einkünfte ganz oder in Teilen zu Unrecht erfolgende Besoldung von Beamten zukünftig zu vermeiden?
Der Landesregierung liegen unter Berücksichtigung der vorstehenden Antworten keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Besoldung ganz oder in Teilen zu Unrecht erfolgt ist.