Kleine Anfrage 4368der Abgeordneten Christian Loose und Andreas Keith vom 17.09.2020
Wald als Kohlenstoffspeicher – Welches Potenzial gibt es in NRW?
Laut dem letzten Landeswaldbericht NRW von 2019 gibt es in NRW ca. 935.000 ha Wald, das entspricht 27% der Landesfläche. Seit 2003 nimmt die Waldfläche grundsätzlich jedes Jahr zu, obwohl ein stetig abnehmender Trend bei Waldzuwachs zu erkennen ist. Eine negative Waldbilanz wurde zuletzt für das Jahr 2010 dokumentiert. In 2010 wütete der Orkan Kyrill und hat die Waldbesitzer vor große Herausforderungen gestellt. Der Borkenkäfer und die Dürresommer 2018 und 2019 haben ebenfalls den Wäldern stark zu gesetzt. Zahlen zur Waldbilanz liegen für diese Jahre jedoch noch nicht vor.
In der Diskussion über den Klimawandel wird vom Wald immer wieder als Kohlenstoffspeicher gesprochen. Bei der Bindung des lebenswichtigen Kohlenstoffs im CO2 und der Freisetzung des Sauerstoffs unterscheiden sich die Baumarten jedoch sehr stark. Auch ist die Bindungswirkung abhängig vom Alter des Baumes. Die Landesregierung setzt sich seit dem 11. November 2019 für eine bundesweite „Baumprämie“ ein.1 Damit beabsichtigt sie, „Klimaschutz- und Ökosystemleistungen“ des Waldes zu honorieren. Damit die Baumprämie auch als Kompensationsleistung und nicht als allgemeine Subventionsleistung verstanden wird, muss die Landesregierung den Nachweis über die Potenziale der Kohlen-stoffspeicherung und ihre Nachhaltigkeit auf individueller Ebene darstellen.
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie viel Kohlenstoff (in Form von CO2 aus der Luft) speichert ein Hektar Wald pro Jahr? (bitte nach repräsentativen Baumarten über alle Altersklassen auflisten.)
- Wie hat sich die Waldflächenbilanz in NRW (Saldo aus Erstaufforstungen und Umwandlungen) seit 2010 bis dato entwickelt?
- Was kostet gegenwärtig die komplette Aufforstung eines Hektar Waldes je Baumart (bei vergleichbarer Baumdichte)?
- Wie sollen die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel ganz konkret in die Baumprämie einfließen?
- Inwiefern unterscheidet sich die Baumprämie als Kompensationsleistung von einer Dauersubventionsleistung?
Christian Loose
Andreas Keith
1 https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/der-wald-im-klimastress-landesregierung-setzt-sich-fuer-eine-bundesweite, abgerufen am 03.08.2020 um 11:00 Uhr.
Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4368 mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viel Kohlenstoff (in Form von CO2 aus der Luft) speichert ein Hektar Wald pro Jahr? (bitte nach repräsentativen Baumarten über alle Altersklassen auflisten.)
Laut Kohlenstoffinventur des Bundes (C-Inventur NRW (2017) [Quelle: bwi/info]) nimmt der nordrhein-westfälische Wald pro Jahr (a) und Hektar (ha) 11.530 kg CO2 aus der Luft auf und bindet es als Kohlenstoff.
Die Verteilung für die Periode von 2012 bis 2017 auf die verschiedenen Baumarten ist der Tabelle zu entnehmen. Eine Aufteilung des Zuwachses auf Altersklassen erfolgte bei der C-Inventur nicht.
Absorbiertes Kohlendioxid [kg/ha *a] nach Baumartengruppe in NRW
Baumartengruppe |
Einheit |
2012-2017 |
Eiche |
[kg/ha*a] |
1.863 |
Buche |
[kg/ha*a] |
2.704 |
andere Laubholz hoher Lebensdauer |
[kg/ha*a] |
1.118 |
andere Laubholz niedriger Lebensdauer |
[kg/ha*a] |
788 |
alle Laubbäume |
[kg/ha*a] |
6.473 |
Fichte |
[kg/ha*a] |
3.926 |
Tanne |
[kg/ha*a] |
64 |
Douglasie |
[kg/ha*a] |
225 |
Kiefer |
[kg/ha*a] |
506 |
Lärche |
[kg/ha*a] |
336 |
alle Nadelbäume |
[kg/ha*a] |
5.057 |
alle Baumarten |
[kg/ha*a] |
11.530 |
- Wie hat sich die Waldflächenbilanz in NRW (Saldo aus Erstaufforstungen und
Umwandlungen) seit 2010 bis dato entwickelt?
Planmäßige Aufforstungen werden durch den Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen in einer jährlichen Bilanz aus genehmigten Waldumwandlungen und Erstaufforstungen dokumentiert. Laut § 39 LFoG NRW kann Wald durch Genehmigung der Forstbehörde in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden.
Insgesamt wurde im Berichtszeitraum 340,3 ha mehr erstaufgeforstet als durch Waldumwandlung in Anspruch genommen. Durchschnittlich ergibt sich somit ein jährlicher Waldzuwachs von rund 34 ha. Zwischen den Jahren 2011 bis 2017 gab es jährlich Überhänge erstaufgeforsteter Flächen im Vergleich zur Waldumwandlungsfläche. In 2010 sowie in den letzten beiden Jahren 2018 und 2019 wurden dagegen nicht ausgeglichene Waldbilanzen erzielt. Die in den letzten Jahren entstandenen Freiflächen durch Dürre und Kalamitäten sind dagegen weiterhin Wald im Sinne des Gesetzes und haben auf die vorgelegte Waldflächenbilanz bisher keinen Einfluss gehabt.
- Was kostet gegenwärtig die komplette Aufforstung eines Hektar Waldes je Baumart (bei vergleichbarer Baumdichte)?
Auf der Grundlage verschiedener Standortbedingungen und Ziele für den zukünftigen Waldbestand werden aktuell gemäß Waldbaukonzept NRW konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für waldbaulich sinnvolle Kombinationen vorhandener Naturverjüngung und gezielter ergänzender Pflanzung gewünschter weiterer Baumarten skizziert.
Angesichts der Risiken im Klimawandel soll durch Aufbau von Mischbeständen die Stabilität und Resilienz der Bestände erhöht werden. Dies soll grundsätzlich mit mindestens vier Baumarten (inklusive Nebenbaumarten) erfolgen, wenn dies standörtlich möglich, forstfachlich sinnvoll und naturschutzrechtlich unproblematisch ist.
Die Spannen der möglichen Begründungskosten auf Fichtenkalamitätsflächen in Anlehnung an die vom Waldbesitz angestrebte Zielbestockung stellt sich wie folgt dar (Pflanzgut und Pflanzkosten, Bruttowerte):
Eichenbestände: ca. 4.000,- bis 4.700 €/ha, Buchen- bzw. Edellaubholz-dominierte Bestände: 3.500,- bis 3.700 €/ha, Nadelholz-geprägte Bestände: 2.500,- bis 4.500,- €/ha, je nach dominierender Hauptbaumart (Douglasie, Kiefer, Fichte) und Laubholzanteil in der Pflanzung.
Die auf Basis von realen Stückkosten ermittelten Kostensätze der unterschiedlichen Begründungsvarianten sind im Rahmen der Fördersätze der Förderrichtlinie Extremwetterfolgen berücksichtigt.
- Wie sollen die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel ganz konkret in die Baumprämie einfließen?
Unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde im Februar eine thematische Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eingerichtet. Im Zentrum der Überlegungen steht eine bundesweit einheitliche Honorierung der Klimaschutzleistung der Wälder, die über ein Prämienmodell erfolgen soll (Baum-/Klimaprämie). Ziel einer Honorierung ist der Erhalt des Kohlenstoffspeichers in klimastabilen Wäldern, da nur klimastabile Wälder dauerhaft in der Lage sind, auch die anderen Waldfunktionen zu erbringen. Die Prämie soll sich aus dem Sondervermögen des Energie- und Klimafonds des Bundes finanzieren, der grundsätzlich auch Ausgaben für den Sektor Landwirtschaft und Wald vorsieht. Die Gewährung der Prämie soll an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Klimaschutzleistung stehen. Aktuell werden verschiedene Prüfaufträge zur weiteren Qualifizierung von Seiten des Bundes ausgearbeitet und vergeben, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage für weitergehende Methodenvarianten zu erhalten. Parallel dazu finden Abstimmungen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit bezüglich der Finanzierung über den Energie- und Klimafonds statt.
- Inwiefern unterscheidet sich die Baumprämie als Kompensationsleistung von einer Dauersubventionsleistung?
Da aktuell noch kein konkreter, abgestimmter Fachentwurf zur Einführung und Umsetzung einer Klimaschutz- bzw. Baumprämie vorliegt, kann zu diesem Zeitpunkt kein Vergleich zu anderen monetären Leistungen, wie einer Dauersubvention, gezogen werden.