Kleine Anfrage 4500des Abgeordneten Christian Loose vom 05.10.2020
Ist die Fernwärme-Schiene Rhein/Ruhr nur ein weiteres aus Steuergeldern subventioniertes greenwash-Projekt?
Die Fernwärmeschiene Rhein/Ruhr wird als Verbindungsstück zwischen den Fernwärmeschienen Ruhr und Niederrhein gebaut.1 5.500 Haushalte sollen durch das Gasmotoren-Blockheizkraftwerk (BHKW) der Energieversorgung Oberhausen AG (evo), welches in der Karte der energieagentur.NRW als KWK aus „erneuerbaren Energien“ angegeben wird und durch Erdgas betrieben werden soll, mit Fernwärme versorgt werden.2 Laut Verbraucherzentrale werden derzeit 5,5 Mio. von 41 Mio. Haushalten in Deutschland mit Fernwärme versorgt.3 Die Fernwärmeversorgung durch das BHKW der evo entspricht demnach einer Versorgungsquote von ungefähr 0,07 Prozent aller Haushalte in NRW.
Die Subventionen für die Fernwärmeschiene Rhein/Ruhr wurden von der EU-Kommission in Höhe von bis zu 100 Mio. Euro (Landesmittel) und bis zu 52 Mio. Euro (Bundesmittelt) freigegeben.4
Der Leiter der Abteilung VI – Energie – des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW rechnete für einen Kohleaustiegsplan bis zum Jahre 2038 vor, dass dann etwa ein Drittel des Gesamtstrombedarfs des Landes NRW durch Gaskraftwerke gedeckt werden müsse.5
KWK-Anlagen mit Stromverlust werden zumeist „stromgeführt“ eingesetzt. Das heißt, die Anlagen erzeugen nur dann Wärme, wenn die Strompreise zumindest so hoch sind, dass sich unter Berücksichtigung der Wärmeerlöse noch ein positiver Deckungsbeitrag ergibt.6
Über ein Viertel der Fernwärme stammt aus Kohleenergie. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass lokale Fernwärmeschienen teilweise vollständig auf die Versorgung mit Wärmeerzeugung durch Kohle angewiesen sind.7
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Kraftwerke speisten im Jahre 2019 welche Wärmeenergiemenge in die verschiedenen Fernwärmeschienen in TWh/a ein? (Bitte nach den jeweiligen Fernwärmeschienen trennen)
- Wieviele Haushalte in NRW wurden im Jahre 2019 durch Fernwärme versorgt – prozentual gestaffelt nach Wärme aus KWK aus fossilen Energieträgern, KWK aus Müllverbrennung, aus Industrieller Abwärme und aus KWK aus erneuerbaren Energien?
- Welchen Einfluss wird die Abschaltung der Kohlekraftwerke auf die eingespeiste Wärmeenergiemenge in TWh/a haben?
- Welchen Einfluss wird die Umstellung von wärmegeführten Gaskraftwerken auf stromgeführte Gaskraftwerke auf die Wärmeenergiemenge in TWh/a haben?
- Wie sollen Gaskraftwerke zum Ausgleich der volatilen Stromerzeugung genutzt werden, wenn sie in Zeiten erhöhten Wärmebedarfs vollständig auf Wärmeführung gestellt werden müssen?
Christian Loose
1 Vgl. https://www.energieagentur.nrw/content/anlagen/Projektblatt_FWRR.pdf, abgerufen am 03.08. um 9:00 Uhr.
2 Vgl. https://www.evo-energie.de/aktuelles/news-einzelansicht/detail/News/neues-heizkraftwerk-sichert-oberhausens-energiezukunft/, abgerufen am 10.08.2020 um 10:20 Uhr.
3 Vgl. Heizen mit Fernwärme, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., 2016, S. 2. Sowie https://de.statista.com/themen/2141/haushalte-in-deutschland/, abgerufen am 10.08.2020 um 11:40 Uhr.
4 Vgl. https://kommunalwirtschaft.eu/tagesanzeiger/detail/i17240, abgerufen am 03.08.2020 um 12:00 Uhr.
5 Vgl. https://www.energate-messenger.de/news/194614/fuer-die-sektorkopplung-nrw-plant-integrierten-nep, abgerufen am 04.08.2020 um 12:15 Uhr.
6 Vgl. Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien, Bundesverband Erneuerbare Energie e.V., 2013, S. 54.
7 Vgl. Abschlussbericht Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019, S. 23 f.
Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4500 mit Schreiben vom 5. November 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Landesregierung setzt sich für einen klimafreundlichen Ausbau der Nah- und Fernwärmeversorgung ein. Dabei setzt sie Anreize, bestehende Wärmenetze zu verbinden und bedarfsgerecht auszubauen. Dazu zählt insbesondere auch die Förderung von geplanten Fernwärmeschienen an Rhein und Ruhr.
- Welche Kraftwerke speisten im Jahre 2019 welche Wärmeenergiemenge in die verschiedenen Fernwärmeschienen in TWh/a ein? (Bitte nach den jeweiligen Fernwärmeschienen trennen)
Nachstehend sind die Wärmequellen und zugehörige Wärmeeinspeisungen der Fernwärmeschiene Ruhr der STEAG Fernwärme GmbH (Nrn. 1, 2 und 3), des Fernwärmeverbundnetzes der Uniper Wärme GmbH (Nrn. 4, 5, 6 und 7) sowie der Fernwärmeschiene Niederrhein des Fernwärmeverbundes Niederrhein Duisburg/Dinslaken GmbH & Co. KG (Nrn. 8, 9 und 10) für das Jahr 2019 nach Unternehmensangaben aufgeführt:
Wärmeherkunft | Einspeisung | |
1 | Kraftwerksblock Herne 4 | 0,608 TWh |
2 | Müllheizkraftwerk RZR Herten | 0,564 TWh |
3 | Müllheizkraftwerk Essen-Karnap | 0,634 TWh |
4 | Kraftwerk Scholven | 0,902 TWh |
5 | Bezug aus STEAG-Wärmenetz | 0,430 TWh |
6 | Wärme aus Grubengas-BHKW | 0,069 TWh |
7 | Sonstige | 0,153 TWh |
8 | Industrielle Abwärme | 0,269 TWh |
9 | Biomasse | 0,066 TWh |
10 | Kraftwerk Walsum | 0,396 TWh |
Summe | 4,091 TWh |
- Wie viele Haushalte in NRW wurden im Jahre 2019 durch Fernwärme versorgt – prozentual gestaffelt nach Wärme aus KWK aus fossilen Energieträgern, KWK aus Müllverbrennung, aus Industrieller Abwärme und aus KWK aus erneuerbaren Energien?
Die aktuell verfügbaren Energiedaten auf der Grundlage der Energiebilanz von IT.NRW beziehen sich auf das Jahr 2017. Der Fernwärmeverbrauch im Sektor Gebäude/Haushalte betrugt ca. 8,7 TWh. Dies entspricht rund einem Drittel des Gesamtfernwärmeverbrauches in Nordrhein-Westfalen. Eine weitergehende Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. BDEW (BDEW) „Wie heizt Nordrhein-Westfalen?“ aus dem Jahr 2019 zeigt, dass in Nordrhein-Westfalen 5,3 Prozent der Wohngebäude (rd. 0,2 Mio. Gebäude) und 9,1 Prozent der Wohnungen (rd. 0,8 Mio. Wohnungen) mit Fernwärme versorgt werden.
Die Verteilung der Energieträger (KWK) zur Nettowärmeerzeugung insgesamt zeigt sich nach der Energiebilanz wie folgt:
Energieträger (KWK) | Nettowärmeerzeugung 2017 |
Steinkohle | 6,9 TWh |
Braunkohle | 1,6 TWh |
Mineralöl | 0,03 TWh |
Erdgas | 8,0 TWh |
Erneuerbare Energien (feste Biomasse, Biogas, Biomethan, Klärgas, Deponiegas) |
0,2 TWh |
Müllverbrennungsanlagen (Klärschlamm, Industrieabfall, Hausmüll und Siedlungsabfälle) |
2,6 TWh |
Wärme (Fremdbezug) und sonstige Energieträger | 0,1 TWh |
Summe | 19,4 TWh |
Zudem weist die Potenzialstudie „Industrielle Abwärme NRW“ für das Jahr 2018 eine genutzte Abwärmemenge von rund 3,6 TWh aus industriellen Energie- und Produktionsanlagen aus.
- Welchen Einfluss wird die Abschaltung der Kohlekraftwerke auf die eingespeiste Wärmeenergiemenge in TWh/a haben?
Der Anteil der Kohle von der KWK gestützten Nettowärmeerzeugung belief sich 2017 in Nordrhein-Westfalen auf rund 44 Prozent. Daher gilt es, auf Kraftwerksstandorten in räumlicher Nähe zu Verbrauchszentren mit Einspeisung in ein Wärmenetz neue Gaskraftwerke mit KWK zu errichten, um die Versorgungssicherheit auch weiter zu gewährleisten (siehe hierzu auch die Energieversorgungsstrategie Nordrhein-Westfalen).
- Welchen Einfluss wird die Umstellung von wärmegeführten Gaskraftwerken auf stromgeführte Gaskraftwerke auf die Wärmeenergiemenge in TWh/a haben?
Mit dem bis spätestens zum Jahr 2038 gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kohleverstromung wird in den Kraftwerken ein möglichst weitgehender Brennstoffwechsel von Kohle auf Gas erfolgen. Eine weitreichende Umstellung von wärmegeführten Gaskraftwerken auf stromgeführte Gaskraftwerke ist nicht absehbar.
- Wie sollen Gaskraftwerke zum Ausgleich der volatilen Stromerzeugung genutzt werden, wenn sie in Zeiten erhöhten Wärmebedarfs vollständig auf Wärmeführung gestellt werden müssen?
Die Herausforderungen zur Umsetzung der Energiewende erfordern insbesondere eine Flexibilisierung und eine zunehmende Integration Erneuerbarer Energie bei der gleichzeitigen Erzeugung und Bereitstellung von Strom und Wärme. Hocheffiziente, flexible KWK-Anlagen sind hinsichtlich der jeweiligen Anforderung zur Bereitstellung von Energie prädestiniert, die fluktuierende Einspeisung von Erneuerbaren Energien im Stromnetz auszuregeln und gleichzeitig dem Wärmebedarf zu genügen. Dabei werden diese insbesondere mit Blick auf Flexibilität, Effizienz und Klimaschutz möglichst in innovativen Wärmeinfrastrukturen eingebunden. Bereits heute nehmen zur Steigerung der Effizienz und Flexibilisierung bei der Strom- und Wärmeerzeugung überwiegend Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke eine zentrale Rolle ein. Die Integration von Wärmespeichern im Fernwärmesystem trägt nachgelagert dazu bei, dass die erzeugte KWK-Wärme flexibel und bedarfsgerecht gespeichert wird. Damit lässt sich zudem eine Entkopplung von den Bedarfsspitzen bei der Stromerzeugung erzielen.