Antragder AfD-Fraktion vom 03.11.2020
Der Sport darf nicht das Opfer einer verfehlten Lockdown-Politik werden – ohne Sport fehlt uns mehr als nur Bewegung!
I. Ausgangslage
Die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz am 28. Oktober 2020 diskutiert wurden und auch in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden sollen, treffen den organisierten Sport in all seinen Facetten mit voller Wucht.
Der Betrieb im Freizeit- und Amateursport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Fitnessstudios, Schwimmbädern und ähnlichen Einrichtungen ist bis zum 30. November 2020 verboten. Profiteams in den verschiedensten Sportarten werden bei „Geisterspielen“ ohne Zuschauer erneut auf ihre Fans verzichten müssen. Zuschauer in den Stadien, Hallen oder Arenen dürfen bei den Wettbewerben bis zum 30. November 2020 nicht zugelassen werden. Fehlende Einnahmen werden besonders im Freizeit- und Amateursportbetrieb zu Liquiditätsengpässen führen, die sich für eine Vielzahl der Betreiber zu existentiellen Nöten auswachsen können. Darüber kann auch nicht die Hoffnung auf eine Trendwende nach dem sogenannten „Lockdown light“ hinwegtäuschen. Die in diesem Zusammenhang von Lockdown-Befürwortern gewählte Wortwahl, die womöglich darauf abzielt bei den Betroffenen den Eindruck eines besonders verträglichen Regelwerks entstehen zu lassen, überzeugt absolut nicht.
Die Vereine und Sportler stellen nachvollziehbarerweise die Frage, ob sie mit einer anderen Risikobeurteilung im Dezember rechnen können. Bereits jetzt verzeichnen Vereine und Betreiber von Fitnessstudios eine Kündigungswelle, was darauf hindeutet, dass viele Sportler nicht mehr an eine baldige Lockerung der Regeln glauben.
Die Menschen in unserem Land möchten gerne verstehen, warum Dinge verboten werden. Das Schließen von Sportanlagen, Hallen und Stadien wird von vielen Vereinen und Sportlern als Fehlentscheidung wahrgenommen. Oft wird in diesem Zusammenhang der Vorwurf erhoben, dass die Einschätzung der Sach- und Risikolage zu undifferenziert erfolgt ist.
Diese Argumentation überrascht nicht. Die Vereine haben überwiegend sehr verantwortungsvolle Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung von Corona in ihrem Umfeld zu verhindern. Trainingsplätze und Sporthallen sind bislang nicht als Corona-Hotspots aufgefallen. Die nordrhein-westfälische Sportausschussvorsitzende im Deutschen Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), reagierte mit Unverständnis auf die Einschränkungen im Sportbereich. Ihr seien keine Veranstaltungen der letzten Wochen bekannt, die sich im Nachgang zu einem Hotspot oder Superspreader entwickelt hätten. Man habe gesehen, dass die strengen Hygienekonzepte funktioniert haben. Ihre große Sorge ist, dass mit solchen weitreichenden Beschlüssen Akzeptanz in der Bevölkerung verloren wird.1 Wissenschaftler gehen mit ihren Einschätzungen eher in die Richtung, dass der Vereinssport keine relevante Größe bei der Covid-19-Ausbrei-tung ist. Selbst für mögliche Problembegegnungen in Umkleidekabinen oder Vereinsheimen haben nicht nur die Vereine tragbare Lösungen erarbeitet.
So hat z.B. auch der Deutsche Olympische Sportbund in seinem Hygiene-Rahmenkonzept Empfehlungen anhand der Erfahrungen im Sport zusammengestellt und einer Prüfung durch den TÜV Rheinland unterziehen lassen.2
Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes bekräftigte aktuell, dass es sehr wohl möglich ist mit guten Hygienekonzepten im Spitzen- und Breitensport in Coronazeiten Sport in Deutschland zu treiben, was wiederum als Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu werten ist.3
Es ist außerdem hinlänglich bekannt, dass regelmäßige sportliche Betätigung der Aktivität und Leistungsfähigkeit des menschlichen Immunsystems enorm zuträglich ist, wohingegen Bewegungsmangel dem Immunsystem schadet. Schließlich stellt körperliche Inaktivität, so das RKI, einen gesundheitlichen Risikofaktor für Krankheiten wie Adipositas, Diabetes und Herzerkrankungen dar, die wiederum einen schweren Infektionsverlauf durch Covid-19 begünstigen wür-den.4 Schon von daher erscheint es fragwürdig – und ist jedenfalls wissenschaftlich nicht hinlänglich untersucht –, ob die Vorteile eines weitgehenden Sportverbots, selbst wenn man diesem eine in erheblichem Maße günstige Wirkung im Sinne der Vermeidung neuer Covid-19-Infektionen unterstellt, überhaupt dessen evidente Nachteile und Gefahren überwiegen würden. Dies muss dann aber umso mehr gelten, wenn die Vorteile eines weitgehenden Sportverbots gar nicht plausibel belegt sind, dessen Nachteile jedoch offensichtlich sind.
Von den bestehenden Verboten gibt es Ausnahmen, z.B. für den „Sportunterricht (einschließlich Schwimmunterricht) an den Schulen und die Vorbereitung auf oder die Durchführung von schulischen Prüfungen“ inklusive sportpraktischen Übungen. Für Studiengänge und das Training an den nordrhein-westfälischen Bundesstützpunkten und Landesleistungsstützpunkten sowie das Training von Berufssportlern auf und in den von ihrem Arbeitgeber bereitgestellten Trainingseinrichtungen gelten ebenfalls Ausnahmen.5
Dadurch wird deutlich, dass ein unterschiedlicher Maßstab zu gelten scheint. Für den betroffenen Bürger ist es schwer nachvollziehbar, dass auf der einen Seite das Schwimmen in der Schule erlaubt wird, aber der schwimmbegeisterte Jugendliche z.B. das örtliche Hallenbad nach der Schule nicht aufsuchen kann, weil der Betrieb dort untersagt wird. Den Vereinen und Betreibern von Freizeiteinrichtungen wird damit pauschal die Möglichkeit genommen, ihre Einrichtung unter Beachtung von Hygienevorschriften offenzuhalten, obwohl sie willens und in der Lage wären, Hygiene- und Schutzpflichten verantwortlich im Sinne der Reduzierung von Infektionsrisiken und damit des Infektionsschutzgesetzes umzusetzen. Dies lässt Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen aufkommen.
Die Maßnahmen stehen speziell bei Kindern in keinem Verhältnis zum erzielten Erfolg. Das Leben unserer Kinder findet aktuell die Hälfte des Tages in engen Klassenzimmern mit dauerhaftem Maskentragen statt. Der Schulsport fällt aus oder findet nur sehr reduziert statt. Die Stunden der Woche beim Handball- und Fußballtraining werden als wichtiges Ventil für Kinder wahrgenommen. Auch für das Immunsystem ist Bewegung förderlich. So zeigen beispielsweise die Maßnahmen der Landesregierungen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs, dass Kinder und Jugendliche keineswegs erneut zum Opfer eines rigorosen Pandemie-Managements werden müssen. Der Trainingsbetrieb im Verein bleibt dort für unter 18-Jährige bzw. für unter 27-Jährige auch weiterhin möglich.67 Vor allem bei Kindern und Jugendlichen darf maßvolle Sportbetätigung mit funktionierenden Hygienekonzepten nicht pauschal zum Risiko verklärt, sondern muss Teil der Lösungsstrategie werden, um der sozialen Isolation entgegenzutreten, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt zunehmend belastet.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Verbote ohne hinreichende Berücksichtigung der mittlerweile vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse aus politischen Gründen durchgedrückt werden.
So kritisierte Dortmunds früherer Oberbürgermeister Ullrich Sierau die rigorosen Zuschauerverbote aktuell scharf. Er kann das Unverständnis der betroffenen Vereine nachvollziehen und sieht darin eine rein politische Entscheidung, die infektiologisch nicht begründet sei.
Mit einem ausgefeilten Hygiene- und Abstandskonzept sei im riesigen Stadion von Borussia Dortmund mit zugelassenen 11.500 Zuschauern nichts passiert. Die Zuströme wurden kontrolliert, auf der Tribüne wurde Abstand gehalten. Sierau sieht das Risiko, dass Fans sich ersatzweise mit Freunden die Spiele zu Hause im Fernsehen ansehen – ohne jede Kontrolle der Abstands- und Hygieneregeln. Die Entscheidung trage zum weiteren Verlust von Akzeptanz für die Corona-Regularien in der Bevölkerung bei.8
II. Der Landtag stellt fest,
- der organisierte Sport leistet einen bedeutenden Beitrag für den Zusammenhalt der Menschen in Nordrhein-Westfalen und darf keinen unverhältnismäßigen und existenzgefährdenden Einschränkungen ausgesetzt werden;
- dem organisierten Sport darf in Nordrhein-Westfalen infolge unverhältnismäßiger Einschränkungen nicht die Rolle als Pandemietreiber zugewiesen werden;
- die verantwortungsvollen Hygienekonzepte der Sportvereine sind als wertvoller Beitrag zur Überwindung der pandemiebedingten Herausforderungen zu würdigen;
- Sportvereine in wirtschaftlichen Notsituationen sind auf Unterstützung in Form von Hilfsprogrammen angewiesen;
- die Landesregierung muss mit den Verantwortlichen im organisierten Sport in den Dialog treten und sie in die Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Aufrechterhaltung des Sportbetriebs miteinbeziehen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- den Betrieb im Freizeit-, Amateur- und Breitensport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Fitnessstudios, Schwimmbädern und ähnlichen Einrichtungen wieder zu ermöglichen und durch maßvolles Vorgehen den Interessen der Vereine und Sportler gerecht zu werden;
- das pauschale Zuschauerverbot in Stadien, Hallen und Arenen bei Sportveranstaltungen rückgängig zu machen.
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
Sven Tritschler
Markus Wagner
und Fraktion
1 https://www.sportschau.de/weitere/allgemein/coronavirus-sport-absagen-oktober100.html
2 https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/hygiene-rahmenkonzept-fuer-sportveranstaltungen
3 https://www.braunschweiger-zeitung.de/sport/mehr-sport/article230785048/Leichtathletik-Praesident-Kessing-Eine-harte-Entscheidung.html
6 https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Corona-Verordnung-Viele-Verschaerfungen-wenige-Ausnahmen,coronavirus3500.html
7 https://mbjs.brandenburg.de/kinder-und-jugend/weitere-themen/corona-aktuell.html
8 https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/ob-sierau-kritisiert-land-akzeptanzproblem-durch-corona-regeln-plus-1568735.html