Sepsissterblichkeit in Nordrhein Westfalen

Kleine Anfrage
vom 12.01.2021

Kleine Anfrage 4817des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 12.01.2021

 

Sepsissterblichkeit in Nordrhein Westfalen

Der Antrag „Sepsissterblichkeit nachhaltig verringern – Erstellung eines landesweiten Sepsisplans“ mit der Drucksachennummer 17/4124 ist am 14.11.2018 im Landtag beraten und am 13.03.2019 im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegen die Stimmen der AfD mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden. Die Notwendigkeit sowohl eines Sepsisregisters als auch der Entwicklung und Implementierung spezifischer Behandlungs- und Notfallkonzepte sei demnach nicht gegeben.

Das Land Nordrhein-Westfalen sei gut aufgestellt und die Infektionsprävention habe einen hohen Stellenwert, wurde in diesem Zusammenhang erklärt. Seitens des Gesundheitsministers wurden Initiativen angesprochen, welche dazu dienen, die Bedeutsamkeit der Früherkennung dieser sehr plötzlich auftretenden Erkrankung in Schulungen des Personals im Gesundheitswesen immer wieder zu thematisieren.1

Insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie stellen sich diese Aussagen nun als fragwürdig dar, denn ein nicht unwesentlicher Faktor ist, dass eine hohe Zahl der schweren Covid-19-Fälle durch die Entwicklung einer Sepsis tödlich verlaufen kann. In diesem Zusammenhang wurde auch seitens der WHO auf den ursächlichen Zusammenhang von schweren, oft tödlichen Verläufen von Covid-19 und einer Sepsis sowie auf die Krankheitslast durch eine Sepsis aus anderen Ursachen und ihre Langzeitfolgen aufmerksam gemacht (FAZ 18.09.2020).

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

  1. Wie hat sich die Zahl der Todesfälle durch Sepsis seit Ablehnung des Antrags „Sepsissterblichkeit nachhaltig verringern“ (13.03.2019) entwickelt?
  2. Welche sepsisspezifischen Schulungen wurden seit Ablehnung des Antrags dem Personal im Gesundheitswesen angeboten?
  3. Welche Initiativen mit dem Schwerpunkt, Sepsissterblichkeit nachhaltig zu verringern, wurden seit Ablehnung des Antrags auf den Weg gebracht?
  4. Hat es eine Entwicklung sowie eine Implementierung spezifischer Behandlungs- und Notfallkonzepte, sowie Konzepte für die Nachbehandlung und Rehabilitation nach Beendigung der Akutbehandlung gegeben?
  5. Welche Initiativen, Schulungen, Konzepte etc. im Bereich der Sepsisprävention sind in der laufenden Legislaturperiode geplant oder stehen kurz vor ihrer Umsetzung?

Dr. Martin Vincentz

 

Antrag als PDF

 

1 Plenarprotokoll 17/39r


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4817 mit Schrei­ben vom 4. Februar 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

  1. Wie hat sich die Zahl der Todesfälle durch Sepsis seit Ablehnung des Antrags „Sep-sissterblichkeit nachhaltig verringern“ (13.03.2019) entwickelt?

Die Daten der Todesursachenstatistik für das Jahr 2020 liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor. Die Fallzahlen aus der Todesursachenstatistik 2019 für Nordrhein-Westfalen auf ICD-10-Dreistellerebene zeigen 23 Fälle einer „Streptokokken-Sepsis“, 2.114 Fälle „Sonstige Sepsis“ und 27 Fälle „Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen“. Eine Entwicklung der Sep-sissterblichkeit seit 2019 ist daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht darstellbar.

  1. Welche sepsisspezifischen Schulungen wurden seit Ablehnung des Antrags dem Personal im Gesundheitswesen angeboten?
  2. Welche Initiativen, Schulungen, Konzepte etc. im Bereich der Sepsisprävention sind in der laufenden Legislaturperiode geplant oder stehen kurz vor ihrer Umset­zung?

Die Fragen 2 und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Schulungen des medizinischen Personals werden seitens der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe grundsätzlich auch zur Sepsis angeboten. Aufgrund der vielfältigen Entste­hung und Art der Sepsis erfolgt dies in unterschiedlichen Kontexten neben dem intensivmedi­zinischen Schwerpunkt.

  1. Welche Initiativen mit dem Schwerpunkt, Sepsissterblichkeit nachhaltig zu verrin­gern, wurden seit Ablehnung des Antrags auf den Weg gebracht?

Bei einer Sepsis können die infektionsauslösenden Erreger ebenso vielfältig sein wie das an­fängliche klinische Bild der Patientinnen und Patienten. Auch im Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen ist die schnelle und adäquate Behandlung einer Sepsis ein relevantes Thema. Um die intensivmedizinischen Kapazitäten aller Krankenhäuser in Nordrhein-Westfa­len optimal zu nutzen und die Behandlung von an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Pa­tienten sicher zu stellen, wurde im April letzten Jahres die Vorstufe des Virtuellen Kranken­hauses mit dem Fokus auf die Intensivmedizin und die Infektiologie in Betrieb genommen.

Das Land fördert die Anschaffung von Televisitenwagen in Krankenhäusern mit bis zu drei Millionen Euro. Ziel ist, dass sich die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen schnellstmöglich technisch so ausstatten können, dass sie Televisiten und Telekonsile durchführen und so aus der Ferne auf die Expertise des Virtuellen Krankenhauses Nordrhein-Westfalen zugreifen kön­nen. Bei der Visite am Krankenbett kann die Ärztin oder der Arzt dann mittels Videokonferenz-technik und weiterer technischer Komponenten Kontakt zu Fachärzten aufnehmen, die über besondere hochschulmedizinische Fachkenntnisse verfügen, um eine digitale Konsultation durchzuführen. Dies ist bei der Behandlung einer Sepsis angesichts der raschen Progredienz und der Letalitätsrate ein wichtiger Baustein für die bestmögliche Versorgung in der Fläche. Auf diesem Weg kann bei der täglichen Arbeit in der Fläche zugleich die Kompetenz auch beim Umgang mit Sepsis-Patienten gestärkt werden.

Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung vielfältige Forschungs- und Entwicklungspro­jekte, die einen Beitrag zur Vermeidung und Behandlung von Sepsis leisten können. Beispiels­weise wird im Rahmen des EFRE-Leitmarktwettbewerbs LifeSciences.NRW durch die Lan­desregierung das Projekt „Sepsis DataNet NRW“ gefördert. Mit der erfolgreichen Beendigung des Projektes werden ein Sepsis-Bioassay und ein Entscheidungsunterstützungs-Modul zur Verfügung stehen, sodass Sepsis-Patientinnen und -Patienten zugeschnitten auf ihren Im­munstatus personalisiert behandelt werden können. Damit könnte auch eine Senkung der Sepsissterblichkeit erreicht werden.

Die Universität zu Köln hat gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) eine neue Impfstoffstrategie gegen Staphylococcus aureus (S. aureus) entwickelt. Die­ser zählt weltweit zu den wichtigsten Erregern von Infektionen und verursacht lebensbedrohli­che Erkrankungen wie tiefe Wundinfektionen und Sepsis. Die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben kürzlich (Januar 2021) nach jahrzehntelanger Forschung diese neue vielversprechende Impfstoffstrategie gegen S. aureus veröffentlicht.

  1. Hat es eine Entwicklung sowie eine Implementierung spezifischer Behandlungs-und Notfallkonzepte, sowie Konzepte für die Nachbehandlung und Rehabilitation nach Beendigung der Akutbehandlung gegeben?

Entstehung und Art der Sepsis sind in aller Regel Ausgangspunkt für die weitere Therapie und Nachbehandlung. Das Behandlungskonzept muss auf Basis der konkreten Ausgangslage im Hinblick auf auslösende Erreger und betroffene Organe beim Patienten erfolgen. Ein spezifi­sches Konzept würde der Varianz nicht gerecht werden.

Für die Entwicklung therapeutischer Rehabilitations-Standards müssen grundsätzlich noch tie­fere Erkenntnisse über die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen der Langzeitfolgen einer Sepsis nach intensivtherapeutischer Behandlung vorliegen. Es wird daher in der aktuell gültigen Leitlinie empfohlen, typische Sepsisfolgen bereits im akutmedizinischen Bereich zu erfassen und die nachbehandelnden Ärztinnen und Ärzte im postakuten und ambulanten Be­reich über diesbezüglich bestehende bzw. potentiell im Langzeitverlauf auftretende Funktions­defizite hinzuweisen.

 

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