Kleine Anfrage 4719der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski vom 03.12.2020
Schändungen christlicher Einrichtungen und Symbole in NRW
Die aktuellen Zahlen zu antichristlichen Kirchenangriffen in Frankreich sind erschreckend und machen nachdenklich. Allein im vergangenen Jahr 2019 gab es in unserem Nachbarland insgesamt 996 Angriffe auf Kirchen – viermal so viele wie noch im Jahre 2008. Darunter ist die wohl berühmteste Kirche Frankreichs Notre Dame in Paris, welche unter den Flammen einer mutmaßlichen Brandstiftung einstürzte. Die Arten der Angriffe reichen von Vandalismus über Diebstahl bis hin zur besagten Brandstiftung oder zu Bombenanschlägen.1
Allerdings häufen sich die Übergriffe auf christliche Symbole nicht nur in Frankreich. In ganz Mitteleuropa nehmen entsprechende Anschläge rasant zu. Hierbei ist auffällig, dass nicht nur die Anzahl der Taten gravierend ansteigt, sondern dass auch die Formen der Verwüstung immer brutaler werden. Beispielhaft sollen hier für Deutschland Jesuskind-Enthauptungen, eingeworfene Kirchenfenster an Silvester in Leipzig und beschädigte Gipfel- und Grabkreuze aufgeführt werden.
Ideologische Hintergründe dieser Taten werden bei den Ermittlungen oftmals außer Acht gelassen2, jedoch scheinen hinter derartigen Schändungen christlicher Symbole eher religiöse Gründe als einfach nur der pure Drang nach Vandalismus zu stehen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie oft wurden Kirchen oder andere christliche Bauten wie z.B. Mariensäulen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 Opfer von Vandalismus-Beschädigungen? (Bitte nach Jahr und Ort aufschlüsseln)
- Wie oft wurden Kirchen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 Opfer von Einbruchs-/ Diebstahls-Delikten? (Bitte nach Jahr und Ort aufschlüsseln)
- Kam es bei den genannten Delikten zu Schändungen von Kruzifixen, Hostien oder anderen sakralen Gegenständen?
- In wie vielen Fällen konnten im Zusammenhang mit Beschädigungen von Kirchen und christlichen Symbolen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 die Täter ermittelt werden?
- Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über christophobe Motive dieser Straftaten vor?
Iris Dworeck-Danielowski
1 https://paz.de/artikel/gewalt-gegen-kirchen-nimmt-stark-zu-a1369.html
2 https://web.de/magazine/panorama/anschlaege-christliche-kirchen-europa-34913070
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4719 mit Schreiben vom 30. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. Eine differenzierte Erfassung der Tatörtlichkeiten erfolgt in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.2018. PKS-Daten zur Tatörtlichkeit „Kirche“ liegen erst ab diesem Datum vor. Eine Auswertung für den Zeitraum vor 2018 ist nicht möglich. Für das Jahr 2020 liegen Daten bis einschließlich Oktober qualitätsgesichert vor.
Die Beantwortung der Frage 5 erfolgt auf Basis des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK). Der KPMD-PMK liefert als Verlaufsstatistik zeitnah eine detaillierte Übersicht über das polizeilich relevante Geschehen im Bereich der PMK. Die Fallzahlen im Bereich der PMK sind eine Zusammenstellung aller der Polizei bekannt gewordenen politisch motivierten strafrechtlichen Sachverhalte unter Beschränkung auf ihre erfassbaren, wesentlichen Inhalte. Im Rahmen des KPMD-PMK werden sämtliche politisch motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen, unabhängig vom Phänomenbereich, statistisch erfasst. Straftaten im kausalen Zusammenhang mit der tatsächlichen oder vermuteten religiösen Zugehörigkeit der Geschädigten sind gemäß den Richtlinien seit 2001 immer der PMK zuzurechnen. Zum 01.01.2017 wurden die beiden Phänomenbereiche PMK-ausländi-sche Ideologie- und PMK-religiöse Ideologie- neu eingeführt und der Phänomenbereich PMK-Ausländer- entfiel. Dem Phänomenbereich PMK-ausländische Ideologie- werden Straftaten ohne religiösen Hintergrund zugeordnet, die vor 2017 dem Phänomenbereich PMK-Auslän-der- zugeordnet wurden. Der Phänomenbereich PMK-Sonstige/Nicht zuzuordnen- wurde in PMK-nicht zuzuordnen-umbenannt. Die Erfassung der Straftaten für das Jahr 2020 dauert noch an. Diesbezüglich sind die genannten Fallzahlen als vorläufig zu betrachten.
- Wie oft wurden Kirchen oder andere christliche Bauten wie z.B. Mariensäulen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 Opfer von Vandalismus-Beschädigungen? (Bitte nach Jahr und Ort aufschlüsseln)
In Nordrhein-Westfalen ist im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.10.2020 eine Anzahl von 1185 Sachbeschädigungen mit einer Tatörtlichkeit „Kirche“ und weiterer klerikaler Bauwerke („Kapelle“ und „Kloster“) bekannt geworden. Mariensäulen und ähnliche christliche Denkmäler werden unter den Tatörtlichkeiten „Denkmal“ und „Gedenkstätte“ erfasst und sind in der Auswertung nicht von anderen Denkmälern zu unterscheiden. Einzelheiten sind der Anlage 1 zu entnehmen.
- Wie oft wurden Kirchen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 Opfer von Einbruchs/ Diebstahls-Delikten? (Bitte nach Jahr und Ort aufschlüsseln)
In Nordrhein-Westfalen ist im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.10.2020 eine Anzahl von 218 Diebstahlsdelikte von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen bekannt geworden, bei denen eine Tatörtlichkeit analog zur Beantwortung der Frage 1 erfasst wurden. Einzelheiten sind der Anlage 2 zu entnehmen.
- Kam es bei den genannten Delikten zu Schändungen von Kruzifixen, Hostien oder anderen sakralen Gegenständen?
In der PKS werden die in der Frage genannten Gegenstände nicht erfasst. Eine Beantwortung der Frage ist aus der PKS heraus nicht möglich.
- In wie vielen Fällen konnten im Zusammenhang mit Beschädigungen von Kirchen und christlichen Symbolen in NRW im Zeitraum von 2010 bis 2020 die Täter ermittelt werden?
In Nordrhein-Westfalen wurde im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.10.2020 eine Anzahl von 176 Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit einer Tatörtlichkeit „Kirche“ und weiterer klerikaler Bauwerke („Kapelle“ und „Kloster“) aufgeklärt. Einzelheiten sind der Anlage 3 zu entnehmen.
- Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über christophobe Motive dieser Straftaten vor?
Die Begrifflichkeit „christophobe Motive“ wird im KPMD-PMK nicht abgebildet. Erfasst werden Schädigungen an christlichen Grab-, Glaubens- und Gedenkstätten mit einem christenfeindlichen Hintergrund. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen des KPMD-PMK für den Zeitraum 2010 bis 2020 insgesamt 94 Schädigungen an christlichen Grab-, Glaubens- und Gedenkstätten mit einem christenfeindlichen Hintergrund gemeldet (Stand: 10.12.2020). 50 dieser Straftaten entfielen auf den Phänomenbereich PMK-rechts-, 29 Straftaten auf den Phä-nomenbereich PMK-Sonstige-/PMK-nicht zuzuordnen- und neun Straftaten auf den Phäno-menbereich PMK-links-. Im Zeitraum 2010 bis 2016 wurden vier der 94 Straftaten dem Phä-nomenbereich PMK-Ausländer- zugeordnet. Ab 2017 entfielen zwei Straftaten auf den Phäno-menbereich PMK-religiöse Ideologie-. Dem Phänomenbereich PMK-ausländische Ideologie-wurde keine Straftat zugeordnet.