Kleine Anfrage 1028
des Abgeordneten Christian Loose vom 09.01.2022
Staatlich geduldeter Missbrauch bei Ladesäulen – schaut die Landesregierung weiter bei nicht eichrechtskonformen Ladesäulen weg?
„Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW (LBME NRW) gewährleistet mit seiner metrologischen Fachkompetenz die Messsicherheit für Messungen im öffentlichen Interesse und sichert einen fairen Wettbewerb. Kontrolliert und überwacht werden Messgeräte u.a.: im geschäftlichen Handel (z.B. Waagen sowie Zapf- und Ladesäulen) […], Seine überwiegend hoheitlichen Aufgaben nimmt der LBME NRW als rechtlich unselbstständiger, organisatorisch abgesonderter Teil der Landesverwaltung wahr […]. Aufsichtsbehörde des LBME NRW ist das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIDE NRW).“1
Der Nachweis erfolgter gültiger Eichungen erfolgt durch Kennzeichnungen, wie sie in Anlage 8 zur Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung aufgeführt sind.2
Für Verbraucher ist diese Transparenz in Form von Eichungen wichtig – nur so können sie sicher sein das zu erhalten, was sie bezahlen. Was für den Verkauf vieler Güter des täglichen Gebrauches wie auch den in den Haushalten verbrauchten Strom gilt, scheint beim Verkauf von Strom an Ladesäulen, wie sie für im Wesentlichen batterieelektrische Fahrzeuge genutzt werden, nachlässig gehandhabt zu werden.
Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW gibt nach einem Filmbericht von focus.de gegenüber dem Magazin „auto mobil“ zu verstehen: Würden alle Schnellladesäulen abgeschaltet, die nicht dem Eichrecht entsprechen, hätte das für das deutsche Ladenetz „fatale“ Folgen. Diese Folgen würden laut Eichamt insgesamt schwerer wiegen als Schnellladesäulen, die nicht ganz exakt abrechnen.3
Die Einschätzung „fataler“ Folgen bezieht das Eichamt dabei auf das rein politische Ziel des Ausbaus der Ladeinfrastruktur.
In der Eigenbeschreibung des Amtes und seiner Aufgaben ist von der Verpflichtung zur Unterstützung solcher politischer Ziele nichts zu lesen; die Aufgabenstellung des Amtes ist allein und eindeutig bestimmt durch die Gewährleistung der Messsicherheit und eines fairen Wettbewerbs.
Eine mögliche Übervorteilung des Bürgers zu decken und zu tolerieren, gehört nicht zu den Aufgaben des Eichamtes. Tests des ADAC ergaben eine Mehrabrechnung von bis zu 20%. Bei einer ähnlichen Toleranz der Tankstellen für Treibstoff wäre der Unterschied in einem Beispielfall so, als würden Sie bei einem Tankvorgang 8,6 Liter Diesel mehr bezahlen müssen, als sie tatsächlich getankt hätten. „Stellen Sie sich einfach vor, Sie schütten die letzten acht Liter beim Tanken auf den Asphalt“, verdeutlicht focus.de die Schlamperei und Untätigkeit der Eichämter zu Lasten der Verbraucher.4 Bis zu 20% Unterschied zwischen abgerechneter und bezogener Menge Energie, die das Eichamt an keiner Dieselzapfsäule zulassen würde, während es toleriert, dass geeichte Dieselzapfsäulen in Sichtweite neben ungeeichten Elektroladesäulen auf bspw. dem Gelände der Tankstelle auf der Völklinger Straße in Düsseldorf betrieben werden.
Offenbar bedarf es einer privaten Initiative, um dem Betrug an der Schnellladesäule ersten Einhalt zu gebieten. So geht die Firma Wirelane aus München gegen die ihrer Ansicht nach illegalen Ladesäulen von Tesla vor. Tesla verstoße „durch den Betrieb eigener Ladesäulen für elektrisch betriebene Fahrzeuge deutschlandweit gegen das geltende Mess- und Eichgesetz“.5
Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele in NRW betriebene Ladesäulen für elektrisch betriebene Fahrzeuge sind zum Stichtag 01.01.2023 nicht vom Eichamt NRW oder einer dafür verantwortlichen Behörde geeicht?
- Bis wann erwartet die Landesregierung, dass alle Ladesäulen in NRW geeicht sind?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um die Umsetzung der Gesetze, welche für Ladesäulen gelten, zu gewährleisten?
- Auf welcher rechtlichen Basis handelt das Eichamt in NRW, wenn es Eichungen nicht vornimmt und so gegen seine ureigene Aufgabenstellung verstößt, Messsicherheit für Messungen im öffentlichen Interesse herzustellen und einen fairen Wettbewerb zu sichern?
- Wie will die Landesregierung die wirtschaftlichen Interessen der Anbieter von eichrechtskonformen Ladesäulen vor dem Missbrauch durch Anbieter ohne eichrechtskonforme Ladesäulen schützen?
Christian Loose
1 Vgl. h t t p s : / /w w w . l b m e . n r w. d e / ueber-uns, abgerufen am 28.12.2022.
2 Vgl. h t t p s : / / ww w . g e se t z e-im-internet.de/messev/anlage_8.html, abgerufen am 28.12.2022.
3 Vgl. h t t p s :/ / w ww . f o c u s .de/auto/elektroauto/news/schlampige-abrechnung-an-ladesaeulen-wie-sie-damit-jetzt-schluss-machen_id_24515717.html, Video, abgerufen am 28.12.2022.
4 Vgl. h t t p s : / / w w w . fo c u s.de/auto/news/viele-saeulen-nicht-geeicht-stecker-gate-wie-
elektroauto-fahrer-an-der-ladesaeule-betrogen-werden_id_37003761.html, abgerufen am 28.12.2022.
5 Vgl. h t t p s: / / w w w .t – o n l in e.de/auto/elektromobilitaet/elektroauto/id_100100914/muenchen-wirelane-geht-gerichtlich-gegen-tesla-vor-verbot-fuer-ladesaeulen.html, abgerufen am 28.12.2022.
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 1028 mit Schreiben vom 15. Februar 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Erfolg der Elektromobilität in Nordrhein-Westfalen hängt entscheidend von der Verfügbarkeit ausreichender Ladeinfrastruktur ab. Jede Anstrengung zum Aufbau einer leistungsstarken Ladeinfrastruktur ist daher begrüßenswert.
Es liegt in der Verantwortung der Wirtschaft, die Anforderungen des Mess- und Eichrechts bei der Konzeption ihrer Angebote umzusetzen. Insbesondere bei den sog. DC-Ladesäulen, die mit Gleichstrom arbeiten, ist dies eine besondere technische Herausforderung. Inzwischen gibt es zahlreiche konformitätsbewertete Ladesäulen, die im Rahmen des Mess- und Eich-rechts ordnungsgemäß verwendet werden können. Die Umrüstung des Bestandes ist gut vorangekommen.
Die Bereitschaft der Landeseichbehörden, einen gewissen Übergangs-zeitraum bis zur Erreichung einer flächendeckend eichrechtskonformen Ladeinfrastruktur in Deutschland zu tolerieren, wird erfahrungsgemäß von allen Marktteilnehmenden begrüßt. Aus Sicht der Landesregierung wäre es kontraproduktiv gewesen, den Weiterbetrieb bestehender, noch nicht umgerüsteter Ladesäulen in einer Phase zu untersagen, in der noch ein erheblicher Mangel an öffentlicher Ladeinfrastruktur bestand und besteht. Das skizzierte Vorgehen im Umgang mit E-Ladesäulen ist nicht neu. So gab es bereits in der Vergangenheit Fälle, in denen (Verbrauchs) Messgeräte verwendet wurden (Kälte-Zähler), die noch nicht den gesetzlichen Anforderungen des Messwesens entsprachen. Seinerzeit wurden diese Messgeräte in so genannten Feldversuchen (begleitet von den zuständigen Eichämtern) erprobt und erst anschließend geeicht.
Die Landesregierung stützt ihre Entscheidung auf die Abwägung der Verbraucherinteressen an einem möglichst breiten Angebot von Ladeinfrastruktur einerseits und der Gefahr wirtschaftlicher Nachteile durch falsche Messwerte andererseits. Im Rahmen der Verhältnismä-ßigkeitsprüfung werden zudem auch die Interessen der Ladesäulenbetreiber einbezogen und berücksichtigt.
Wann eine ausreichende Verfügbarkeit bestehen wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann nicht belastbar prognostiziert werden.
- Wie viele in NRW betriebene Ladesäulen für elektrisch betriebene Fahrzeuge sind zum Stichtag 01.01.2023 nicht vom Eichamt NRW oder einer dafür verantwortlichen Behörde geeicht?
Seitens der Betreiber von nicht eichrechtskonformen Ladesäulen besteht, basierend auf dem aktuell gültigen MessEG, keine Pflicht gegenüber der Eichbehörde, den Betrieb nicht-eich-rechtskonformer Ladesäulen zu melden. Es liegen hierzu daher keine Zahlen vor.
- Bis wann erwartet die Landesregierung, dass alle Ladesäulen in NRW geeicht sind?
Dies hängt im Wesentlichen von der tatsächlichen Verfügbarkeit eichrechtskonformer Ladesäulen in ausreichender Anzahl ab. Derzeit ist die Verfügbarkeit von eichrechtskonformen Ladesäulen, bzw. deren Bauteile, aufgrund von Unterbrechungen der zugrundeliegenden Lieferketten sehr eingeschränkt. Ursache hierfür sind insbesondere die aktuellen globalen Krisen (Covid-19 Pandemie, Ukraine Krieg).
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um die Umsetzung der Gesetze, welche für Ladesäulen gelten, zu gewährleisten?
Um die tatsächliche Verfügbarkeit von Ladesäulen einschätzen zu können, steht der Landes-betrieb Mess- und Eichwesen NRW (LBME NRW), auch über die Eichbehörden anderer Bundesländer, in Kontakt mit Herstellern von Ladesäulen und der Konformitätsbewertungsstelle der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Sobald die Herstellung des eichrechts-konformen Zustandes nach Auffassung des LBME NRW möglich sein wird, ist mit verstärkten Kontrollen von Ladesäulen zu rechnen.
4. Auf welcher rechtlichen Basis handelt das Eichamt in NRW, wenn es Eichungen nicht vornimmt und so gegen seine ureigene Aufgabenstellung verstößt, Messsicherheit für Messungen im öffentlichen Interesse herzustellen und einen fairen Wettbewerb zu sichern?
Neu in Verkehr gebrachte Ladesäulen werden nicht geeicht, sondern vom Hersteller gemäß den Anforderungen des MessEG konformitätsbewertet und damit für die vorgesehene Verwendung legitimiert. Nicht konforme Messgeräte können vom LBME NRW beanstandet werden. Der LBME NRW hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und insoweit eine Abwägung vorzunehmen. Hierbei ist neben der Korrektheit von Messergebnissen auch das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an vorhandener Ladeinfrastruktur anhand von Ladesäulen zu berücksichtigen. Eine Untersagung des Betriebs von nicht eichrechtskonfor-men Ladesäulen, ohne dass diese de facto durch eichrechtskonforme Ladesäulen ersetzt oder zu eichrechtskonformen Ladesäulen umgerüstet werden können, würde das Angebot an Ladesäulen verknappen. Hintergrund ist, dass benötigte eichrechtskonforme Ladesäulen bzw. Bauteile hierfür, aktuell faktisch nicht in ausreichender Zahl verfügbar sind. Demgegenüber ist die Gefahr einer inkorrekten Messung als eher gering einzuschätzen. Auch kann aus dem Umstand, dass eine Ladesäule nicht-eichrechtskonform ist, nicht zwingend geschlossen werden, dass Fehlergrenzen überschritten werden.
5. Wie will die Landesregierung die wirtschaftlichen Interessen der Anbieter von eichrechtskonformen Ladesäulen vor dem Missbrauch durch Anbieter ohne eich-rechtskonforme Ladesäulen schützen?
Dem LBME NRW ist kein konkreter Fall eines Missbrauchs von nicht-eichrechtskonformen Ladesäulen bekannt. Jeder Ladesäulenbetreiber ist angehalten, schnellstmöglich den eich-rechtskonformen Zustand herbeizuführen. Denn sobald die Herstellung eines solchen Zustands möglich ist, muss mit Maßnahmen gerechnet werden, die aus den unter Frage 3 genannten Kontrollen resultieren. Eine solche Maßnahme könnte beispielsweise die Untersagung der Verwendung oder die Anordnung zur Umrüstung der Ladesäule sein sowie die Einleitung eines Bußgeldverfahrens.