Aktuelle Stundeauf Antrag der AfD-Fraktion
ThyssenKrupp – Die Deindustrialisierung NRWs geht weiter voran. Was macht die Landesregierung, um die Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig zu halten?
Die ThyssenKrupp AG hat am 19. November 2020 ihre Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 2020/2019 (01.10.2019 bis 30.09.2020) vorgestellt. Der Konzern um die Vorstandsvorsitzende Martina Merz hat mitgeteilt, dass zusätzlich zu dem bereits geplanten Abbau von 5.000 Stellen 6.000 weitere Stellen im Konzern abgebaut werden sollen. Der Personalvorstand Oliver Burkhard wird zum Thema betriebsbedingte Kündigungen wie folgt zitiert:
„Betriebsbedingte Kündigungen sind nach wie vor die Ultima Ratio. Wir können sie im Moment aber nicht ausdrücklich ausschließen.“
Betriebsbedingte Kündigungen werden also nicht mehr ausgeschlossen!1
Der Konzern weist zwar einen Jahresüberschuss i.H.v. von rund 9,6 Milliarden Euro aus. Das gelingt allerdings nur aufgrund der Erlöse aus dem Verkauf der Aufzugssparte in Höhe von rund 16 Milliarden, die zu Buchwertgewinnen führten. Im operativen Geschäft ergibt sich jedoch ein Verlust 5,5 Milliarden Euro. Insbesondere die Stahlsparte hat zum Verlust beigetragen.
Dem Grobblech-Werk in Duisburg droht die Schließung, denn auch der letzte Kaufinteressent ist abgesprungen.
Für das Stahlgeschäft von ThyssenKrupp werden wohl verschiedene Optionen durch die Konzernführung geprüft. Im Ruhrgebiet, der industriellen Herzkammer NRWs, sind Zehntausende von Arbeitsplätzen von ThyssenKrupp und anderen Industrieunternehmen abhängig. Die Zeit der „Denkverbote“ scheint bei ThyssenKrupp ein Ende zu haben. Die Zeitung DIE WELT titelte hierzu am 19.11.2020: „Werksschließungen, Staatsbeteiligung – bei Thyssenkrupp fallen alle Tabus“.2
Die Pläne für die Stahlsparte reichen vom Verkauf bis zu einer Fusion mit einem Wettbewerber. Des Weiteren finden wohl aktuell auch Gespräche über eine mögliche Staatsbeteiligung mit der Bundesrepublik wie auch mit dem Land Nordrhein-Westfalen statt.3
Zweifelsohne haben Managementfehler in der Vergangenheit wie der Bau von Stahlwerken in Nordamerika und Brasilien zu den Problemen beigetragen. Nichtsdestotrotz ist ThyssenKrupp auch mit widrigen einheimischen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert, z.B. der industriefeindlichen Energiepolitik und einer grundsätzlich industriefeindlichen Politik.
Das zeigt sich auch darin, dass die Politik in Deutschland aktuell die Autoindustrie, einen der Hauptabnehmer der Stahlindustrie, immer mehr bankrott reguliert. Der Verbrennungsmotor wird nicht durch den Markt verdrängt, sondern die Politik hat über sein Ende zugunsten des Elektro-Antriebs entschieden. Der Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn warnt vor den wirtschaftlichen Folgen, die durch das Schleifen der deutschen Automobilindustrie entstehen könnten.4
Darüber hinaus hat die Stahlindustrie aber auch mit den Überkapazitäten auf dem globalen Stahlmarkt und mit oftmals unfairen Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen. In der Vergangenheit hat es immer wieder Beschwerden der Industrie über unlauteren Wettbewerb durch Stahlhersteller aus China gegeben. Außerdem steht immer auch der Vorwurf im Raum, dass die chinesische Regierung, getragen von der dortigen kommunistischen Partei, die Schlüsselindustrien staatlich subventioniert und ihnen so einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber ausländischen Herstellern verschafft. 5,6,7 Die chinesische Regierung soll ihre Stahlindustrie u.a. durch reduzierte Steuern auf Exportprodukte, Importzölle, aber auch durch billige Kredite von staatlichen Banken stützen. 8,9
Die chinesische Methode des billigen Geldes für ihre heimischen Hersteller ähnelt dabei der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die beispielsweise die europäische Industrie durch Anleihekäufe in Billionenhöhe unterstützt.
Die Methode der Chinesen gefällt der Europäischen Kommission jedoch nicht, weshalb diese in der Vergangenheit immer wieder Strafzölle gegen die Stahlerzeugnisse aus China – beispielsweise im April dieses Jahres – verhängt hat.10
Der Landtag muss über die Auswirkungen der Industriekrise in einer aktuellen Stunde debattieren. Dabei muss die Landesregierung den Landtag auch über mögliche Pläne für eine drohende Staatsbeteiligung an ThyssenKrupp informieren. Es muss Transparenz für den Steuerzahler geschaffen werden. Die Landesregierung muss auch sicherstellen, dass frühere Fehler staatlichen Unternehmertums nicht wiederholt werden.
Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung außerdem, um die betroffenen Arbeitnehmer in andere Arbeitsverhältnisse zu vermitteln? Die hohen Arbeitslosenzahlen in Duisburg und Gelsenkirchen-Süd zeigen, dass die bisherigen Versuche der Landesregierung, Arbeitslose auf Industriearbeitsplätze neu zu vermitteln, bisher gescheitert sind.
Darüber hinaus muss die Landesregierung darlegen, wie sie den Industriestandort NRW gerade auch mit Blick auf die Schwerindustrie wettbewerbsfähig halten will. Es darf dabei keine Denkverbote mehr geben, d.h. auch über eine Umkehr bei der sogenannten Energiewende ist zu debattieren.
Des Weiteren muss die Landesregierung erläutern, welchen Effekt Subventionen und andere Maßnahmen der chinesischen Regierung auf die dortige Stahlindustrie haben und wie diese den Wettbewerb zu Ungunsten der deutschen und nordrhein-westfälischen Industrie verzerren.
Welche Strategie verfolgt die Landesregierung im Umgang mit China, seinem Wirtschaftssystem („Staatskapitalismus“) und dem autoritären politischen System, um der Industrie in NRW einen gerechten Wettbewerb zu ermöglichen? Wie wirkt die Landesregierung außerdem auf die Bundesregierung in diesen Fragen ein?
Christian Loose
Herbert Strotebeck
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.thyssenkrupp.com/de/newsroom/pressemeldungen/pressedetailseite/thyssenkrupp-kommt-bei-umbau-trotz-corona-pandem ie-gut-voran—bilanz-durch-elevator-verkauf-signifikant-gestarkt—operative-entwicklung-im-geschaftsjahr-2019-2020-von-pandemie-beeintrachtigt-90400
2 https://www.welt.de/wirtschaft/article220530682/Stahlkonzern-Massiver-Stellenabbau-bei-Thyssenkrupp.html
4 https://www.focus.de/finanzen/boerse/deutsche-politik-mobilitaet-und-autobranche-in-frage-gestellt-oekonom-sinn-sorgt-sich-um-deutschland-die-autoindustrie-ist-in-die-falle-getappt_id_12671054.html
5 https://www.deutschlandfunk.de/zwischen-china-und-den-usa-europas-problem-mit-dem-stahl.724.de.html?dram:article_id=401894#:~:text=Zu%20eindeutig%20sind%20zudem%20die,die %20Exporte%20damit%20unerlaubt%20verbilligt.&text=Alle%20paar%20Monate%20verh%C3%A 4ngt%20die,nach%20Schwere%20der%20Dumping%2DVorw%C3%BCrfe.
6 https://www.welt.de/wirtschaft/article154748798/Die-Erbarmungslosigkeit-der-chinesischen-Stahlriesen.html
7 https://www.welt.de/wirtschaft/article209312613/Gegen-Chinas-Stahl-Schwemme-soll-Europa-die-Safeguard-Strategie-retten.html
8 https://www.springerprofessional.de/metalle/wirtschaftspolitik/china-produziert-ueber-60-prozent-des-weltweiten-stahls/18340464
9 https://www.welt.de/wirtschaft/article154748798/Die-Erbarmungslosigkeit-der-chinesischen-Stahlriesen.html
10 https://ec.europa.eu/germany/news/20200408-antidumping-weitere-massnahmen-fuer-faire-handelsbedingungen-fuer-die-eu-stahlindustrie_de