Stellt die Aufforderung des Lehrerrats des Gymnasiums Petrinum zur Setzung eines „Zeichens gegen Rechts“ im Rahmen eines AfD-Bürgerdialogs ein möglicher Verstoß gegen die Neutralitätspflicht dar?

Kleine Anfrage
vom 10.10.2019

Kleine Anfrage 3210des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 10.10.2019

 

Stellt die Aufforderung des Lehrerrats des Gymnasiums Petrinum zur Setzung eines „Zeichens gegen Rechts“ im Rahmen eines AfD-Bürgerdialogs ein möglicher Verstoß gegen die Neutralitätspflicht dar?

Der § 2 Absatz 8 des Schulgesetzes verpflichtet sowohl Lehrkräfte als auch Mitarbeiter und Schulleitungen dazu, unterschiedliche Auffassungen und Meinungen zu respektieren und zu ermöglichen. Alle an dem Gesamtkonzept Schule beteiligten Gruppen nehmen ihre jeweiligen Aufgaben unparteiisch und insbesondere auch in politischen Fragen neutral wahr.

Das bedeutet nicht, dass politische Bekundungen gänzlich zu unterbleiben haben, jedoch müssen diese von Zurückhaltung geprägt und in ihrer Darstellung ausgewogen sein. Insbesondere ist es den Lehrkräften – wie im Beutelsbacher Konsens festgelegt – nicht erlaubt, die ihnen anvertrauten Schüler mit einer bestimmten Meinung zu überwältigen und somit Kinder und Jugendliche an der Herausbildung einer eigenen Meinung zu hindern.

Im Zuge eines veranstalteten Bürgerdialoges der AfD-Bundestagsfraktion in der Aula des Gymnasiums Petrinum am 17. September 2019 kam es jedoch im Vorfeld der Veranstaltung aus dem Lehrerrat heraus zu einer Aufforderung an die Schulgemeinde sich anlässlich der Veranstaltung an der Setzung eines „Zeichens gegen Rechts“ zu beteiligen.

Hierbei handelt es sich nachfolgend um eine digitale Mitteilung vom 02.09.19, die uns von den Eltern einiger Schüler zur Verfügung gestellt wurde:

Hallo zusammen,

nachdem wir erfahren haben, dass die AfD am 17.09. unsere Aula nutzen wird, um auf „Wählerfang“ zu gehen, haben wir im Lehrerrat überlegt, dass wir gerne gemeinsam mit der SV und der Schulleitung überlegen würden, wie wir als Schulgemeinde und Schule ohne Rassismus gemeinsam ein Zeichen gegen Rechts setzen können.

Über eine Rückmeldung würden wir uns sehr freuen!

Liebe Grüße und ein schönes sonniges Wochenende
XXXX

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass es außergewöhnlich ist, wenn eine demokratisch gewählte Fraktion eine Aula eines Gymnasiums als Veranstaltungsort wählt?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Aufforderung eines Teilkollegiums, sich im Zusammenspiel mit der Schulleitung und den Schülern aktiv an einem Protest gegen eine politische Partei zu beteiligen?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung einer SV-Sitzung unter Leitung der entsprechenden SV-Lehrer an ebendieser Schule mit teilweise erst elf- oder zwölfjährigen Kindern, in der das in der o.g. digitalen Mitteilung angesprochene Zeichen gegen Rechts ohne Darstellung seiner potentiell kontroversen Sichtweise als Grundlage für die Planung einer Demonstration gegen die AfD-Veranstaltung am 17.09.19 verwendet wurde, inklusive einer möglichen Sperrung von Parkhauseingängen, sowie der Anfertigung von Plakaten im Kunstunterricht?

Dr. Christian Blex

 

Anfrage als PDF laden

 


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 23.12.2019

 

Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3210 mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Lehrerinnen und Lehrer genießen – wie alle Bürgerinnen und Bürger – das Recht auf Mei­nungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Bei der Ausübung dieses Rechtes haben sie allerdings – wie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – Einschränkungen zu beachten, die sich aus dem Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtlichem Dienst- und Treue­verhältnis oder aus einem bestehenden tariflichen Arbeitsverhältnis ergeben. Zu den beam­tenrechtlichen Pflichten gehört auch, das Amt unparteiisch und gerecht zu führen. Bei politi­scher Betätigung sind Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren. Darüber hinaus verpflichtet § 2 Absatz 8 des Schulgesetzes Lehrerinnen und Lehrer zu politischer Neutralität gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Politische Äußerungen von Lehrkräften sind selbstverständlich nicht ausgeschlossen, unterliegen jedoch einem Gebot von ausgewo­gener Darstellung und Zurückhaltung.

1. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass es außergewöhnlich ist, wenn eine de­mokratisch gewählte Fraktion eine Aula eines Gymnasiums als Veranstaltungsort wählt?

Grundsätzlich ist der Schulträger nach § 79 Schulgesetz dafür zuständig, schulische Räum­lichkeiten zur Verfügung zu stellen. Insofern obliegt es auch ihm, für welche weiteren Zwecke sie genutzt werden können. Einer Stellungnahme der Stadt Dorsten folgend können schulische Räumlichkeiten laut der gültigen Überlassungs- und Benutzungsordnung „an Vereine, Ver­bände, Vereinigungen, Parteien oder sonstige Gruppen bzw. Personen […] überlassen wer­den, sofern schulische Belange nicht beeinträchtigt werden“.

Es ist nach Ansicht der Landesregierung aber insofern bemerkenswert, wenn außerschulische Veranstaltungen vom Veranstalter in dem Wissen an Schulen durchgeführt werden, dass sie möglicherweise geeignet sein können, schulische Belange und den schulischen Frieden zu beeinträchtigen.

2. Wie bewertet die Landesregierung die Aufforderung eines Teilkollegiums, sich im Zusammenspiel mit der Schulleitung und den Schülern aktiv an einem Protest ge­gen eine politische Partei zu beteiligen?

Nach dem Beutelsbacher Konsens aus dem Jahre 1976, einer bundesweiten Festlegung von Grundlagen und Zielsetzungen für den Bereich der politischen Bildung, dem auch die Kern­lehrpläne für die allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen in ihren Bildungs- und Erziehungszielen folgen, ist „es [ist] nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch im­mer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier verläuft die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle der Lehrerin bzw. des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.“ (zit. aus: http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-kon-sens). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Lehrkräfte sich jeder Meinung zu enthalten haben, sofern sie ihre Meinung als eine persönliche Meinung kenntlich machen. Es bedeutet auch nicht, dass alle Positionen als gleichberechtigt dargestellt werden müssen. Dies gilt insbeson­dere für Positionen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten oder die dort niedergelegten Grund- und Menschenrechte in Frage stellen.

Auf diesem Grundsatz politischer Bildung im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und der damit verbundenen Zielsetzung der Bildung und Erziehung zu mündigen, an den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientierten, handlungsfähigen Bürgerinnen und Bürgern basieren die geltenden Kernlehrpläne in Nordrhein-Westfalen, die für Schulen und Lehrkräfte bindend sind.

Die Bezirksregierung Münster hat unmittelbar nach ihrer Information durch den Schulleiter über die Kommunikation innerhalb der Schule in Reaktion auf das Bekanntwerden der Über­lassung der Aula an die AfD durch die Stadt Dorsten als Schulträger zur Durchführung einer Veranstaltung den Schulleiter des Gymnasiums Petrinum angewiesen, die Lehrkräfte auf ihre oben beschriebenen, besonderen Pflichten hinzuweisen. Eine Teilnahme der Schule an den Protestveranstaltungen in der Stadt Dorsten gegen die Veranstaltung der AfD hat nicht statt­gefunden.

3. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung einer SV-Sitzung unter Leitung der entsprechenden SV-Lehrer an ebendieser Schule mit teilweise erst elf- oder zwölfjährigen Kindern, in der das in der o.g. digitalen Mitteilung angesprochene Zei­chen gegen Rechts ohne Darstellung seiner potentiell kontroversen Sichtweise als Grundlage für die Planung einer Demonstration gegen die AfD-Veranstaltung am 17.09.19 verwendet wurde, inklusive einer möglichen Sperrung von Parkhausein­gängen, sowie der Anfertigung von Plakaten im Kunstunterricht?

Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine derartige Sitzung vor. Auf die Be­antwortung der Frage 2 wird verwiesen.

 

Antwort als PDF laden