Antragder AfD-Fraktion vom 23.02.2021
Realitätsferne Grenzwertpolitik – Die Landesregierung muss sich gegen die geplante automobilindustriefeindliche EURO7 Abgasnorm der EU einsetzen!
I. Ausgangslage
Die Verkehrspolitik der NRW-Regierung soll unter den Prämissen der Ideologiefreiheit, der Nutzerorientierung und der Technologieoffenheit stehen. Keinem Bürger soll vorgeschrieben werden, wie, wann und vor allem womit er seinen Weg zurücklegt. So fordern es zumindest die Fraktionen von CDU und FDP in NRW in einem gemeinsamen Antrag.1
Dem „wie“ und dem „womit“ stehen dramatische Veränderungen bevor. Ende 2021 soll ein offizieller Vorschlag der EU-Kommission für die Umsetzung einer neuen Euro-7-Norm vorgelegt werden. Ab dem Jahre 2025 soll dann die neue Euro-7-Abgasnorm EU-weit in Kraft treten. Damit stünden der Automobilindustrie die bislang strengsten Abgasregeln bevor.
Markus Pieper, CDU-Abgeordneter im Europaparlament, lässt sich mit Blick auf diese neue Norm mit der Aussage zitieren:
„Fakt ist, dass so eine ganze Branche in Deutschland an die Wand gefahren wird […] Würde diese Euro sieben Vorgabe Realität dürften in fünf oder sechs Jahren keine konventionellen Motoren mehr produziert werden. Das wäre eine Zerschlagung auch der Motoren und Komponenten Industrie, und zwar ohne ökologischen Nährwert.“
Pieper erklärt zudem, dass Elektroautos eine schlechtere CO2-Bilanz haben als jene modernsten Dieselfahrzeuge, die nach der Einführung einer solchen Euro-7-Norm nicht mehr gebaut werden dürften.2 Basierend auf einer Studie des Advisory Board on Vehicle Emission Standards (AGVES), einem Beratergremium der Europäischen Kommission zur Ausarbeitung der neuen Abgasnorm, will die Kommission einen Vorschlag für die Norm erarbeiten. Absehbar ist, dass die neue Norm die Automobilbranche schwer schädigen würde, weil extrem abgesenkte und entsprechend schwer umzusetzende Grenzwerte vorgeschlagen werden. Es werden mehrere Szenarien unterschiedlicher Strenge vorgeschlagen:
- Demzufolge sollen Neuwagen gemäß einem Szenario in Zukunft pro gefahrenem Kilometer nur noch 30 Milligramm NOx (Stickoxide) ausstoßen dürfen, in einem strengeren zweiten Szenario sogar nur 10 mg/km. Der aktuelle Grenzwert liegt bei 60 mg/km für Benziner und 80 mg/km für Dieselfahrzeuge gemäß EURO-6-RDE.3
- Für CO (Kohlenmonoxid) liegt der vorgeschlagene Grenzwert eines Szenarios bei 300 mg/km für Benziner- und Dieselfahrzeuge, im strengeren zweiten bei 100 mg/km. Der aktuelle Grenzwert beträgt für Benziner 1000 mg/km und für Dieselfahrzeuge 500 mg/km.4
Auch der RDE-Test (Real Driving Emissions Test), der mit einem mobilen Messgerät die Einhaltung der Grenzwerte im Fahrbetrieb misst (PEMS, Portable Emission Measurement System), soll verschärft werden. Die bisherige Messtoleranz von 25 bis 30 mg des PEMS soll wegfallen. Viele der angestrebten Grenzwerte bewegen sich aber gerade in diesem Bereich. Somit müsste ein Fahrzeug durchgängig faktisch 0 mg NOx ausstoßen, da die technisch bedingte Messtoleranz größer ist als die erlaubten Grenzwerte.
Erschwerend kommt hinzu, dass beim Messverfahren bisherige Ausnahmen wegfallen sollen, bei denen die Emissionsgrenzwerte kurzzeitig überschritten werden dürfen.
Dazu zählen der Kaltstart oder die Höhenbegrenzung von bisher 700 Metern, die auf 2.000 Meter Höhe angehoben werden soll. Auch sollen die Emissionen gleichbleibend niedrig über Temperaturen im Bereich von minus 10 bis plus 40 Grad Celsius eingehalten werden. Über eine unterstellte Lebenszeit des Fahrzeugs von 15 Jahren bzw. 240.000 Kilometern (bisher 160.000 Kilometer) müssen die Werte gewahrt bleiben. Auch bei Ausnahmesituationen wie dem Transport von Dachboxen oder Fahrradträgern sowie dem Ziehen eines Anhängers sollen die Grenzwerte eingehalten werden.5
Bisher gilt seit Januar 2021 mit der Euro-6d-Norm im RDE-Straßentest für neu zugelassene PKW eine Toleranz des 1,5- fachen des Laborgrenzwertes (Konformitätsfaktor), der 120mg NOx pro km entspricht.6
Jede der genannten neuen Anforderungen für sich stellt in ihrer Strenge Ingenieure vor große Herausforderungen. Branchenexperten reden laut Presseverlautbarungen von einer „Kriegserklärung„ und vom „faktischen Ende für Diesel und Benziner“.7
Aus dem Verband der Europäischen Autohersteller (ACEA) heißt es, es gebe keinen Beleg, dass ein NOx-Limit von 30 mg/km zur Zeit technisch überhaupt umsetzbar sei, weil die Hersteller die Grenzwerte auch unter Extrembedingungen gewährleisten müssten.8
Die anvisierten Verschärfungen würden sich auch in höheren Preisen niederschlagen. Automobilexperte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöfer geht offenbar hoffnungsvoll von maximal 1.000 Euro Mehrkosten pro Auto aus.9 Gerade einkommensschwache Haushalte können sich dann kaum noch – einen bisher recht günstigen – Kleinwagen leisten. Eine Verteuerung des Neuwagensegments wird sich zudem auch auf die Preise des Gebrauchtwagenmarkts auswirken, die daraufhin ebenfalls ansteigen werden.
Die Einschätzung des Direktors des Center of Automotive Management bestätigt die Problematik bezüglich des Kleinwagenmarkts. Er äußert sich dahingehend, dass es immer schwieriger werde, die hohen Kosten für die Abgasreinigung im Kleinwagensegment zu realisieren. Der Wettbewerb werde in Zukunft noch härter. „Wenn die Kosten zu hoch werden, werden die Hersteller diese Modelle aus ihrer Palette streichen.“10
Hildegard Müller, Chefin des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA) kritisiert, dass die Kommission vorschreiben wolle, dass künftig ein Fahrzeug in jeder Fahrsituation quasi emissionsfrei bleiben müsse. Das sei „technisch unmöglich, und das wissen auch alle“. Ingenieure sagen dazu aus, die Standards seien „so gesetzt, dass man sie gar nicht erfüllen könne“.11
Der Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie führt aus, dass der jetzt kommunizierte Vorschlag nicht der Vorschlag der Fachleute sei. Die Technikexperten seien komplett ausgegrenzt und nicht gehört worden. Die AGVES habe drei Vorschläge ausgearbeitet. Schon der zweite Vorschlag sei dabei nahe am Nichtdarstellbaren. Die EU-Verantwortlichen hätten sich jedoch für den nochmals schwieriger umzusetzenden Vorschlag C entschieden und diesen sogar noch weiter massiv verschärft. Dabei seien die Fachleute völlig übergangen worden. Sein klares Urteil:
„Die Vorgabe ist ohne relevanten Nutzen für die typische Stadtluft.“ Der bisherige Ausstoß von Stickoxid beispielsweise sei „so gering, dass er auch an vielbefahrenen Straßen nur zu einer Gesamtemission von circa einem Mikrogramm pro Kubikmeter führt.“
Der Institutsleiter fügt hinzu: „Wirtschaftlich entwickeln manche Europäer mehr Leidenschaft, den Euro-League-Primus Deutschland zu schädigen, anstatt dem World-Cup-Sieger China etwas entgegensetzen zu wollen.“ 12
Es geht also mitnichten um Umwelt- oder Gesundheitsschutz. Die Expertengruppe der EU hat, auf Wunsch der EU Kommission, mehrere Vorschläge entwickelt, von denen die EU-Verantwortlichen ausgerechnet die schärfste und entsprechend am aufwändigsten umzusetzende Version als Grundlage für die kommende Abgasnorm wählen möchte. Diese Entscheidung deutet auf eine weltfremde Sichtweise der Verantwortlichen hin, die auf dem dogmatischen Ziel „Zero Pollution“13 beruht.
Dass es nicht um die Gesundheit der Bürger der EU geht, zeigt auch diese Einschätzung des Leiters des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie:
„Beim deutschen Strommix liegt der Stickoxid-Ausstoß eines Elektroautos bei 80 bis 100 Milligramm pro Kilometer, der modernste Dieselbeitrag liegt signifikant darunter. […] Die EU-Verantwortlichen haben ja betont, dass es nicht mehr um die Luftqualität geht, sondern beim Verbrenner nur um das Prinzip „Zero“.“
Wer den Stickoxid-Ausstoß wirklich auf null setzen wolle, müsse Elektrofahrzeuge also verbieten. Beim Stickoxid-Ausstoß sei der moderne Verbrenner im Vergleich zum Elektroauto mit heutigem Stand klar im Vorteil.14
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnt vor der neuen Abgasnorm:
„Der Verbrennungsmotor ist in jedem Fall auf der Zielgeraden. Wenn jetzt mit Norm Euro 7 zusätzliche Milliardeninvestitionen notwendig würden für einen sehr überschaubaren Beitrag zur Luftqualität, drohten aus dem Strukturwandel Strukturbrüche zu werden.“15
Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag spricht sich in einem Positionspapier ebenfalls gegen eine solche Verschärfung aus.16
Zwar hat die EU-Kommission noch keine endgültige Entscheidung getroffen und betont, die im Oktober 2020 bekannt gewordenen Pläne bildeten lediglich einen Diskussionsstand ab. Es ist jedoch gerade in Anbetracht des bedeutenden wirtschaftlichen Anteils der Automobilwirtschaft mitsamt ihrer Zulieferindustrie notwendig, dass früh Klarheit geschaffen wird. Im Hinblick auf das offensichtlich als ideologisch dogmatisch festgesetzte Ziel zur Nullemission („Zero Emission“) der EU- Kommission ist es notwendig, die gesetzten Grenzwertziele kritisch einzuordnen und Emissionen an Hand ihrer tatsächlichen Schädlichkeit für die menschliche Gesundheit zu reglementieren.
Zum Schutze unserer Industrie und unserer Arbeitnehmer und im Sinne einer realistischen Reglementierung der Abgaswerte, wird die Landesregierung aufgefordert, sich gegen eine EURO-7- Norm einzusetzen, die ideologisch und dogmatisch motiviert ist.
II. Der Landtag stellt fest:
– Die erwarteten EURO-7-Norm-Grenzwerte sind mit dem „Nullemission“-Ziel primär politisch motiviert.
– Die Grenzwerte in der kommenden EURO-7-Norm müssen sich an technischer Umsetzbarkeit und realem Nutzen für die Menschen orientieren.
– Ein de-facto-Verbot von Verbrennungsmotoren durch strenge Abgasnormen gefährdet zehntausende Arbeitsplätze in NRW und in Deutschland.
– Der Ausstoß von Stickoxiden durch moderne Diesel-PKW ist bereits heute geringer als der von mit deutschem Strom-Mix betriebenen Elektrofahrzeugen.
– Die Mobilität per Automobil muss für alle Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleiben und darf nicht über realitätsferne Grenzwerte, die den Fahrzeugpreis massiv erhöhen, erschwert werden.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
– sich bei der EU für eine ideologiefreie und technisch umsetzbare Reglementierung der Abgasnorm EURO-7 einzusetzen, die nicht auf pauschalen Nullemissionszielen basiert;
– sich bei der EU für die Aufrechterhaltung eines freien Wettbewerbs einzusetzen und damit gegen jegliche Tendenzen von wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen wie der Einführung von Abgas-Grenzwerten, die gemessen am Aufwand der Umsetzung und an den gesundheitlichen Aspekten in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen der Bürger stehen,;
– Gespräche mit der Automobilindustrie in NRW mit dem Ziel aufzunehmen, den Vorständen und Arbeitnehmervertretern in den Unternehmen zu signalisieren, dass die NRW-Regierung sich auch auf EU-Ebene für den Erhalt dieser Industrie in NRW einsetzen wird;
Christian Loose
Nic Vogel
Herbert Strotebeck
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-4447.pdf, abgerufen am 12.02.2021.
2 Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/neue-euro-7-norm-eu-plaene-gegen-den-verbrennungsmotor.769.de.html?dram:article_id=487769, abgerufen am 12.02.2021.
3 Vgl. https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/abgasnorm-euro-7-emission-eu-7-nox-aus-fuer-diesel-benziner-tod/, abgerufen am 12.02.2021.
4 Ebenda.
5 https://www.autobild.de/artikel/euro-7-abgasnorm-grenzwerte-schadstoffe-benziner-diesel-2025-18563385.html, abgerufen am 15.02.2021.
6 https://www.vda.de/de/themen/umwelt-und-klima/diesel/grenzwerte.html, abgerufen am 15.02.2021.
7 https://www.autobild.de/artikel/euro-7-abgasnorm-grenzwerte-schadstoffe-benziner-diesel-2025-18563385.html, abgerufen am 15.02.2021.
8 https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/auto-abgase-emissionen-diesel-benziner-euro-100.html, abgerufen am 15.02.2021.
9 https://www.autobild.de/artikel/euro-7-abgasnorm-grenzwerte-schadstoffe-benziner-diesel-2025-18563385.html, abgerufen am 15.02.2021.
10 https://www.automobil-industrie.vogel.de/experte-euro-7-macht-die-verbrenner-teurer-a-982411/, abgerufen am 15.02.2021.
11 https://www.autobild.de/artikel/euro-7-abgasnorm-grenzwerte-schadstoffe-benziner-diesel-2025-18563385.html, abgerufen am 15.02.2021.
12 https://www.automobil-industrie.vogel.de/deutschland-schaedigen-anstatt-china-etwas-entgegenzusetzen-a-983823/, abgerufen am 15.02.2021.
13 https://ec.europa.eu/environment/strategy-offline/zero-pollution-action-plan_de, abgerufen am 15.02.2021.
14 https://www.automobil-industrie.vogel.de/deutschland-schaedigen-anstatt-china-etwas-entgegenzusetzen-a-983823/, abgerufen am 15.02.2021.
15 https://www.automobil-industrie.vogel.de/weil-warnt-vor-abgasnorm-euro-7-und-milliardenkosten-a-986868/, abgerufen am 15.02.2021.
16 https://www.cducsu.de/sites/default/files/2020-12/Positionspapier%20-
%20EURO%207_abgestimmt_end.pdf, abgerufen am 15.02.2021.