Kleine Anfrage 3228der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski vom 10.12.2019
Kostenheranziehung auszubildender Jugendlicher in stationären Einrichtungen bzw. Pflegefamilien
In Deutschland leben ca. 150.000 Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen, mehr als 90.000 leben in einer Pflegefamilie. Die derzeitige Rechtslage sieht vor, dass Jugendliche in ihrer Ausbildung 75 % ihres Erwerbseinkommens an das Jugendamt abgeben müssen.1 Offiziell wird diese Vorgehensweise als Kostenheranziehung bezeichnet.
Jugendämter argumentieren häufig in diesem Zusammenhang damit, sich die anfallenden Kosten der Pflegekinder, durch diese Art der Kostenheranziehung, teilweise auszugleichen.2 Der momentane Ansatz ist demotivierend und nicht zielführend. Jugendlichen wird ein großer Teil finanzieller Anerkennung, dafür, dass sie etwas für die Gesellschaft leisten, wieder genommen. Dies kann zu großer Frustration und im schlimmsten Fall zum Ablegen des Arbeitsverhältnisses führen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Wie viele Jugendliche, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in stationären Einrichtungen (Heime, betreutes Wohnen, Wohngruppen etc.) in NRW lebten, gehen einer Ausbildung nach und sind somit von der Kostenheranziehung betroffen? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
2. Wie viele Jugendliche, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in einer Pflegefamilie in NRW lebten, gehen einer Ausbildung nach und sind somit von der Kostenheranziehung betroffen? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
3. Wie hoch ist der Betrag, der im Rahmen dieser Kostenheranziehung insgesamt im Zeitraum von 2016 bis 2018 von den Jugendämtern NRW eingenommen wurde? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
4. Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in NRW in einer stationären Einrichtung bzw. Pflegefamilie lebten und ihre Ausbildung abgebrochen haben? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
5. Wie hoch ist der jeweilige Anteil von männlichen bzw. weiblichen Kindern und Jugendlichen in NRW im Zeitraum von 2016 bis 2018, die in einer stationären Einrichtung bzw. einer Pflegefamilie leben? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
Iris Dworeck-Danielowski
1 (§ 94 Abs. 6 SGB VIII)
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 30.12.2019
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3228 mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.
1. Wie viele Jugendliche, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in stationären Einrichtungen (Heime, betreutes Wohnen, Wohngruppen etc.) in NRW lebten, gehen einer Ausbildung nach und sind somit von der Kostenheranziehung betroffen? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
2. Wie viele Jugendliche, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in einer Pflegefamilie in NRW lebten, gehen einer Ausbildung nach und sind somit von der Kostenheranziehung betroffen? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet.
Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst bei den jungen Menschen in stationären Einrichtungen und Pflegefamilien weder den Schulbesuch oder den Schulabschluss noch ein Ausbildungsverhältnis oder Ähnliches. Die Frage kann daher nicht beantwortet werden.
3. Wie hoch ist der Betrag, der im Rahmen dieser Kostenheranziehung insgesamt im Zeitraum von 2016 bis 2018 von den Jugendämtern NRW eingenommen wurde? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
Hierzu liegen über die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik keine differenzierten Daten vor. Die öffentlichen Gebietskörperschaften melden zwar Einnahmen insgesamt im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Allerdings erfolgen diese Meldungen nicht differenziert nach Leistungen und Maßnahmen, die die Jugendämter gewährt haben. Die Einnahmen der Kommunen können daher nicht einzelnen Leistungen oder Maßnahmen – in diesem Falle der vollstationären Unterbringung – zugeordnet werden.
4. Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen, die im Zeitraum von 2016 bis 2018 in NRW in einer stationären Einrichtung bzw. Pflegefamilie lebten und ihre Ausbildung abgebrochen haben? Bitte nach Jahr aufschlüsseln
Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst bei den jungen Menschen in stationären Einrichtungen und Pflegefamilien weder den Schulbesuch oder den Schulabschluss noch ein Ausbildungsverhältnis oder Ähnliches. Die Frage kann daher nicht beantwortet werden.
5. Wie hoch ist der jeweilige Anteil von männlichen bzw. weiblichen Kindern und Jugendlichen in NRW im Zeitraum von 2016 bis 2018, die in einer stationären Einrichtung bzw. einer Pflegefamilie leben? Bitte nach Jahr aufschlüsseln.
Tabelle 2: Minderjährige in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Heimerziehung § 34 SGB VIII nach Geschlecht (Nordrhein-Westfalen; 2016-2018; Angaben absolut zum 31.12. eines Jahres)
Am Jahresende andauernde Hilfen | |||
Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) | Heimerziehung und betreute Wohnformen (§ 34 SGB VIII) | ||
2016 | Insgesamt | 21.254 | 18.950 |
Männlich | 11.094 | 12.239 | |
Weiblich | 10.160 | 6.711 | |
2017 | Insgesamt | 21.114 | 17.907 |
Männlich | 11.001 | 10.962 | |
Weiblich | 10.113 | 6.945 | |
2018 | Insgesamt | 20.968 | 16.969 |
Männlich | 10.752 | 9.893 | |
Weiblich | 10.216 | 7.076 |
Quelle: Statistisches Landesamt NRW: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Erzieherische Hilfe; versch. Jahrgänge Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat)