Suizidprävention – In Zeiten des „Social Distancing“ müssen distanzüberwindende Hilfsangebote geschaffen werden.

Antrag
vom 16.03.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 16.03.2021

 

Suizidprävention – In Zeiten des „Social Distancing“ müssen distanzüberwindende Hilfsangebote geschaffen werden.

I. Ausgangslage

Als Suizid bezeichnet man die vorsätzlich angestrebte Selbsttötung eines Menschen durch eine bestimmte zielgerichtete Handlung.

In Nordrhein-Westfalen schieden im Jahre 2019 mindestens, also statistisch insgesamt 1.342 Menschen durch eigenes Tun aus dem Leben. Das ist die niedrigste Zahl von Selbsttötungen seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahre 1955. Im Jahre 2020 lassen erste Zahlen die Schätzung zu, dass in Nordrhein-Westfalen seit Beginn des Lockdowns im Vergleich zum Vorjahr „vollendete Suizide“ möglicherweise sogar um 20 Prozent zurückgegangen sind. Besorgniserregend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass seit der Coronakrise auch die Nachfrage nach Hilfsangeboten und Beratung deutlich geringer geworden ist.

Experten geben jedoch keine Entwarnung. Der bislang statistisch erhobene ausgebliebene Anstieg der Suizidrate bedeute nicht, dass sich die Corona-Pandemie nicht auf die psychische Gesundheit der Menschen auswirkt, so eine Einschätzung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität.

Soziale, psychologische, kulturelle und andere Faktoren können interagieren, um ei-ne Person zu suizidalem Verhalten zu bewegen, aber auf Grund der immer noch häufig anzutreffenden Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und Suizide fühlen sich viele Menschen nicht in der Lage, sich in entsprechenden Situationen Hilfe zu suchen. Trotz aller Belege für die Tatsache, dass viele Suizide vermeidbar sind, hat Suizidprävention zu oft eine niedrige Priorität für Regierungen und politische Entscheidungsträger. Alle 40 Sekunden stirbt irgendwo in der Welt ein Mensch durch Suizid, und noch weit mehr Menschen unternehmen einen Suizidversuch. Suizide treten in allen Regionen der Welt und in allen Altersstufen auf. Bei jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren steht der Suizid unter den Haupttodesursachen weltweit an zweiter Stelle. Diese Altersgruppe ist durch die anhaltenden Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie überdurchschnittlich stark betroffen. Erschwerend kommt der Faktor hinzu, dass sich durch die räumliche Isolierung und das „Social Distancing“ das Risiko erhöhen kann, dass Angehörige eine bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen auftretende Suizidgefährdung nicht erkennen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits in ihrem „Suizidpräventionsbericht“ aus dem Jahre 2014 gefordert, eine Suizidpräventionsstrategie zu planen und umzusetzen. Typische nationale Strategien umfassen eine Bandbreite verschiedener Präventionsstrategien wie beispielsweise Beobachtungsprogramme, die Beschränkung des Zugangs zu tödlichen Mitteln und Methoden, Medienrichtlinien für die Berichterstattung über Suizid und Maßnahmen, die auf eine Verringerung des Stigmas abzielen und das Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Schulungsmaß-nahmen für Mitarbeiter des Gesundheitssystems, des Bildungswesens, der Polizei und anderer Berufsgruppen, die mit Risikogruppen in Berührung kommen und eine mögliche Lotsenfunktion in die Versorgung haben können, zählen ebenfalls dazu. Üblicherweise umfassen die Strategieprogramme auch Kriseninterventionsangebote und Nachsorgeangebote für Menschen nach einem Suizidversuch.

Auch wenn bislang noch kein statistischer Anstieg der Suizide zu verzeichnen ist, bleibt es unstrittig, dass die Corona-Pandemie und die aus ihr hervorgegangenen Maßnahmen insbesondere zur sozialen Isolation nicht unerhebliche Risikofaktoren darstellen. Auch lässt sich eine steigende Tendenz depressiver Verhaltensmuster und Suchtproblematiken, welche als weitere Risikofaktoren gelten, erkennen. Es müssen daher unmittelbar zielgerichtete Präventionsmaßnahmen und Angebote ge-schaffen werden, welche sich insbesondere mit den Begleiterscheinungen der Lock-down-Maßnahmen und der daraus resultierenden physischen und psychischen Fol-gen für das Individuum auseinandersetzen, um den Trend der sinkenden Zahlen bei-zubehalten und nicht umzukehren.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. Bestehende Programme zur Suizidprävention anhand der Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse zu evaluieren;
  2. eine landesweite Suizidpräventionsstrategie mit dem Ziel einer besseren Diagnostik und Management suizidalen Verhaltens zu erarbeiten;
  3. Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter der Gesundheitssystems und beteiligte Berufsgruppen auszuarbeiten;
  4. trägerübergreifende Strukturen zu schaffen, um geeignete Nachsorgeangebote für Menschen nach einem Suizidversuch zu schaffen.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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