Kleine Anfrage 3884der Abgeordneten Markus Wagner und Thomas Röckemann vom 22.06.2020
Die Justizvollzugsanstalt Werl sucht weiterhin nach einem Anstaltsarzt
Wie der Soester Anzeiger berichtet1, ist die Stelle des Anstaltsarztes in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl seit nunmehr 18 Monaten vakant. Nach Jahrzehnten ging der bisherige Anstaltsarzt bereits vor eineinhalb Jahren in den Ruhestand. Noch immer ist es offenbar jedoch nicht gelungen, die Position neu zu besetzen.
Gegen einen zunächst als Nachfolger vorgesehenen Anstaltsarzt gab es zuletzt Vorwürfe, dass er ein Schmerzmittel bestellt und weiterverkauft haben soll.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der zeitnahen Neubesetzung von vakanten Stellen für Anstaltsärzte in den Justizvollzugsanstalten des Landes – auch hinsichtlich der Besoldung und Versorgung – bei?
- In wie vielen Justizvollzugsanstalten sind die Stellen für Anstaltsärzte gegenwärtig nicht besetzt? (Bitte aufschlüsseln nach JVA)
- Kann die Landesregierung die medizinische Versorgung, insbesondere in der JVA Werl, aber auch in den übrigen Justizvollzugsanstalten gewährleisten?
- Hat die Landeregierung weitere Erkenntnisse darüber, dass der „anvisierte und dann ausgeschiedene (suspendierte) Nachfolger“ des Werler Anstaltsarztes „Tramadol“ bestellt und weiter verkauft haben soll?
Markus Wagner
Thomas Röckemann
1 Vgl. Soester Anzeiger (2020): Wer folgt auf J. B.? JVA Werl sucht weiter nach Anstaltsarzt; online im Internet: Link.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3884 mit Schreiben vom 20. Juli 2020 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der zeitnahen Neubesetzung von vakanten Stellen für Anstaltsärzte in den Justizvollzugsanstalten des Landes – auch hinsichtlich der Besoldung und Versorgung – bei?
Der medizinischen Versorgung der Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen wird ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Schon gemäß § 43 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (StVollzG NRW) ist für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen zu sorgen. Nach § 99 StVollzG NRW ist die ärztliche Versorgung grundsätzlich durch hauptamtliche Ärztinnen oder Ärzte sicherzustellen. Insoweit werden durch die Justizvollzugseinrichtungen die Maßnahmen zur Neubesetzung vakanter Stellen jeweils kurzfristig in die Wege geleitet. Vorzugsweise werden Fachärztinnen und Fachärzte der Gebietsbezeichnungen Allgemeinmedizin oder Innere Medizin eingestellt. Als Tarifbeschäftigte richtet sich die Vergütung der Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte nach den Regelungen des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV- Ärzte). Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen ist auch eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis mit einer Besoldung in der Bandbreite A 13 bis A 16 der Landesbesoldungsordnung (LBesO A NRW) möglich.
- In wie vielen Justizvollzugsanstalten sind die Stellen für Anstaltsärzte gegenwärtig nicht besetzt? (Bitte aufschlüsseln nach JVA)
Von den der Justiz im Landeshaushalt 2020 für Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehenden Stellen sind den Justizvollzugseinrichtungen 59,67 Stellen (Stand: 1. Juli 2020) zugewiesen. Hiervon sind aktuell insgesamt 6,32 Stellen nicht besetzt (0,20 Stellenanteil in der JVA Düsseldorf, 0,52 Stellenanteil in der JVA Bielefeld-Senne, je 1,0 Stelle in den Justizvollzugsanstalten Werl, Köln und Hövelhof, 2,6 Stellen im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen). Darüber hinaus stehen dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit 4,33 Stellen (Stellenpool) zur Verfügung, die den Justizvollzugsanstalten auf Anforderung bei entsprechendem Bedarf zugewiesen werden können. Soweit zugewiesene Stellen in Justizvollzugseinrichtungen vorübergehend nicht besetzt bzw. Stellen aus dem Stellenpool bislang nicht angefordert worden sind, wird die medizinische Versorgung der Gefangenen auf Basis von Sachmitteln durch externe Kräfte sichergestellt. Hierzu wird ergänzend auf die nachfolgende Beantwortung der Frage 3 verwiesen.
- Kann die Landesregierung die medizinische Versorgung, insbesondere in der JVA Werl, aber auch in den übrigen Justizvollzugsanstalten gewährleisten?
Die medizinische Versorgung in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen wird gewährleistet. Soweit hauptamtliche Ärztinnen und Ärzte nicht zur Verfügung stehen, werden Honorarärztinnen und -ärzte verpflichtet. Um die ärztliche Versorgung noch weiter zu verbessern, wird zusätzlich die medizinische Versorgung über Telemedizin zeitnah in zunächst sieben Justizvollzugsanstalten pilotiert werden.
- Hat die Landeregierung weitere Erkenntnisse darüber, dass der „anvisierte und dann ausgeschiedene (suspendierte) Nachfolger“ des Werler Anstaltsarztes „Tramadol“ bestellt und weiter verkauft haben soll?
Es wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf einen außerhalb des Justizvollzuges des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigten und nur zeitweise auf Honorarbasis für eine Justizvollzugsanstalt des Landes tätigen Arzt bezieht. Insoweit liegen Erkenntnisse über ein bei der Staatsanwaltschaft Paderborn aufgrund des Vorwurfs einer Straftat nach dem Arzneimittelgesetz unter dem Aktenzeichen 10 Js 355/18 geführtes Ermittlungsverfahren vor, das zwischenzeitlich mit dortiger Verfügung vom 17.09.2019 gemäß § 153a der Strafprozessordnung endgültig eingestellt worden ist. Als Ergebnis der Ermittlungen konnte ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Schmerzmittel Tilidin und Tramadol rechtswidrig an Dritte weitergegeben oder sonst Handel damit getrieben hat.