Antragder AfD-Fraktion vom 18.01.2022
Nein zur Impfpflicht – Ja zur Normalität: Nordrhein-Westfalen setzt sich für Gesundheit ohne Zwang ein
A. Ausgangslage
I. Das Versprechen der Politik: Keine Impfpflicht
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), erklärte noch im November 2021, dass er gegen eine Corona-Impfpflicht sei. Doch nicht nur das, der Ministerpräsident erklärte wörtlich:
„Sollen wir die Leute mit der Polizei zum Impfen zwingen?“1
Selbst gegen eine sektorale Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegewesen argumentierte Wüst an:
„Wenn wir da noch Leute raustreiben mit einer Impfpflicht, weiß ich nicht, ob wir der Sache dienen.“2
Jetzt, im Januar 2022, schlägt der Ministerpräsident jedoch ganz andere Töne an. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht die Einführung einer Impfpflicht fordert und sich als treibende Kraft innerhalb der Union und unter den Ministerpräsidenten für eine Impfpflicht inszeniert.
Wüst steht nicht alleine dar. Nahezu sämtliche Spitzenpolitiker von SPD, CDU, FDP und Grüne haben mal mehr, mal weniger deutlich seit Beginn der Corona-Krise eine Impfpflicht kategorisch ausgeschlossen. Doch diese Position wurde von diesen Parteien nach der Bundestagswahl sukzessive revidiert, und nun befindet sich Deutschland kurz vor Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht auf Bundesebene. Doch rechtfertigt die aktuelle Lage einen solchen historischen Wortbruch der Politik?
II. Nach zwei Jahren Corona-Krise steht der Übergang zur Endemie bevor
Deutschland und Nordrhein-Westfalen stehen an der Schwelle zu einer endemischen Lage nicht nur von nationaler, sondern globaler Tragweite. Mit dem Auftreten der so genannten Omikron-Variante in Südafrika und nahezu allen anderen Staaten der Erde wird die bisher dominante Delta-Variante des Coronavirus in den nächsten Wochen überall verdrängt werden.
Hierbei ist es lohnend sich vor Augen zu halten, dass auch schon bisher der Großteil der Infektionen mit dem Coronavirus in seiner übergroßen Mehrheit symptomlos, mild oder moderat verlief. So gab das Robert-Koch-Institut in seinem täglichen Lagebericht vom 11. Januar 2022 an, dass seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland von 7.581.381 bestätigten Fällen nur 389.798 hospitalisiert wurden (entspricht einer Hospitalisierungsquote von 5,1 Prozent) und sich die Zahl der an oder mit dem Coronavirus Verstorbenen auf 114.351 (entspricht einer Sterbequote von 1,5 Prozent) beläuft. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der Todesfälle – in Ermangelung einer systematischen Erfassung schwankt der Anteil von Studie zu Studie – mit Vorerkrankungen zu kämpfen hatte und der Altersmedian der an oder mit dem Coronavirus verstorbenen Menschen laut RKI bei 83 Jahren liegt.3
Die Schwere der Verläufe wird mit der rasant ansteigenden Zunahme von Omikron-Fällen nach allen derzeit zur Verfügung stehenden Daten drastisch abnehmen. Bestanden anfangs noch Bedenken, dass die in Südafrika erhobenen Daten zur Omikron-Variante wegen einer jüngeren und stärker durchseuchten Bevölkerung für Staaten wie Deutschland nicht repräsentativ seien, legen Daten aus dem Vereinigten Königreich nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, als Omikron-Fall hospitalisiert zu werden, etwa 50 bis 70 Prozent geringer als bei Delta-Fällen ist.4 Auch die vom RKI gesammelten Daten deuten auf deutlich leichtere Verläufe hin: Lediglich zu 45 Prozent der Omikron-Fälle sind Angaben zu Symptomen bekannt, überwiegend wurden keine oder milde Symptome angegeben.5 Am häufigsten wurden Fälle mit den Symptomen Husten (56 Prozent), Schnupfen (55 Prozent) und Halsschmerzen (38 Prozent) genannt.6 Insgesamt wurde nur ein Prozent der Omikron-Fälle hospitalisiert und von diesem einen Prozent sind nur 2,5 Prozent (9 von 363) verstorben.7
Die Verbindung von höherer Infektiosität mit gleichzeitig herabgesetzter Schwere der Omikron-Variante lässt eine rasche Durchseuchung der Bevölkerung mit weitaus geringeren Schäden für die Volksgesundheit und das Gesundheitssystem als bisher befürchtet in greifbare Nähe rücken. Jedenfalls liegen Daten für die Delta-Variante darüber vor, dass „vollständig“ Geimpfte eine circa 13-mal höhere Chance als Genesene haben, sich mit dem Coronavirus anzustecken.8 Mit einer höheren Zahl von Genesenen wird es so wahrscheinlicher, dass sich die Fallzahlen mittelfristig auf niedrigem Niveau einpendeln und eine endemische Lage erreicht ist.
III. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind nicht wirksam genug, um die Ausbreitung von Corona zu stoppen
Die von der Politik forcierte Impfkampagne wird die Corona-Krise indes nicht zeitnah beenden können. Denn anders als es die Verlautbarungen zahlreicher Politiker nahelegen, werden die zur Verfügung stehenden Corona-Impfstoffe die Ausbreitung des Coronavirus nicht stoppen können.
Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann man zwar davon ausgehen, dass mit den in der Europäischen Union zugelassenen Corona-Impfstoffen die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs von COVID-19 sowie die Wahrscheinlichkeit, wegen COVID-19 zu sterben, bei den Impflingen in den ersten Monaten nach der Impfung herabgesetzt ist. Eine Corona-Schutzimpfung kann deshalb im Rahmen einer freiwilligen Impfentscheidung und Risikoabwägung sinnvoll sein, um das individuelle Krankheitsrisiko zu senken.
Doch das Robert-Koch-Institut stellt fest, dass der Schutz vor einer Infektion durch die Impfung mit der Zeit deutlich abnimmt.9 Mit zunehmendem Zeitabstand zur Grundimmunisierung können sich auch Geimpfte mit SARS-CoV-2 infizieren und dann das Virus ohne eigene Symptome oder im Rahmen einer milden Erkrankung weitergeben.10 Aktuelle Daten deuten nach abgeschlossener Grundimmunisierung auf einen deutlich verringerten Impfschutz gegenüber der Omikron-Variante hin. Dieser nimmt bereits drei bis vier Monate nach der Grundimmunisierung deutlich ab.11 Aus diesem Grund empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) daher auch mittlerweile Erwachsenen eine Auffrischimpfung nach nur drei Monaten.
IV. Ohne Durchseuchung droht ein nicht endendes Impf-Abonnement
Durch diese kurze zeitliche Begrenzung der Impfwirksamkeit sowie wegen des ständig vorhandenen Risikos, dass wiederum neue Varianten des Coronavirus auftreten und dominant werden, ließe sich ohne Durchseuchung ein in Ansätzen relevanter Impfschutz innerhalb der Bevölkerung nur dadurch aufrechterhalten, dass große Teile der Bevölkerung die Auffrischimpfungen in kurzen zeitlichen Abständen regelmäßig wiederholen.
Fraglich ist jedoch, ob ein solches „Impf-Abonnement“ tatsächlich dauerhaft funktionieren könnte und die damit verbundenen Nachteile die Vorteile nicht übersteigen. Erste Erfahrungen aus Israel, wo gerade eine Impfkampagne für eine zweite Auffrischungsimpfung läuft, belegen beispielsweise, dass schon die zweite Auffrischimpfung deutlich weniger wirksam ist als die erste.12
Zudem steigt mit jeder weiteren Impfung naturgemäß das Risiko, einen Impfschaden zu erleiden. Allein für den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 30. November 2021 hat das Paul-Ehrlich-Institut 196.974 Einzelfallberichte zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach einer Impfung mit COVID-19-Impfstoffen in Deutschland registriert.13 Damit ist das Risiko eines Impfschadens im Verhältnis zur Gesamtzahl aller vorgenommenen Impfungen selbstverständlich klein, doch je häufiger man sich impfen lässt, desto größer wird dabei auch die Möglichkeit, dass sich dieses kleine Risiko doch irgendwann beim Impfling verwirklicht.
Auch würde ein Impf-Abonnement nicht dem simplen Umstand vorbeugen, dass sich in jeder „Impfrunde“ ein immer geringerer Anteil der Bevölkerung impfen lassen würde. Laut des vom Bundesministerium für Gesundheit betriebenen Impf-Dashboards mit Stand vom 11. Januar 2022 beträgt die Quote der in Nordrhein-Westfalen einmal geimpften Personen 78,6 Prozent, während die Quote der in Nordrhein-Westfalen „vollständig“ geimpften Personen um fast vier Prozentpunkte kleiner ist und bei 75 Prozent liegt. In absoluten Zahlen besteht allein in NRW eine Differenz von 600.000 zwischen der Personengruppe, die sich einmal impfen ließ, und der Personengruppe, die sich vollständig impfen ließ, trotz einer nun mehr als ein Jahr andauernden Impfkampagne und einem brutalen staatlichen und gesellschaftlichen Druck, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.
V. Staaten und Regionen mit sehr hohen Impfquoten stehen nicht besser da
Ein Blick auf Staaten und Regionen, die Vorreiter beim Impfen sind, zeichnet kein wesentlich anderes Bild, im Gegenteil: Zum Teil besteht trotz sehr hoher Impfquoten eine vielfach höhere Zahl an Infektionen.
Im Inland ist das eindrücklichste Beispiel hierfür die Freie Hansestadt Bremen. Das RKI wies am Stichtag des 11. Januars 2022 für das Land Bremen die höchste Quote vollständig Geimpfter mit 84,3 Prozent sowie die dritthöchste Quote Auffrischungsgeimpfer mit 47,4 Prozent unter allen sechzehn Ländern auf. Gleichzeitig betrug die 7-Tage-Inzidenz 1.185,1, was an diesem Tag die höchste Inzidenz von allen sechzehn Ländern war (zum Vergleich NRW: 381,7).
Im Ausland bietet sich ein Vergleich mit Frankreich, Spanien und Portugal an. Hiernach ergab sich zum Stichtag 11. Januar 2021 folgendes Bild:
Anteil vollständig Geimpfter an Gesamtbevölkerung14 | 7-Tage-Inzidenz15 | |
Deutschland | 72,0 % | 387,9 |
Frankreich | 74,9 % | 2.813,7 |
Spanien | 80,9 % | 1.787,0 |
Portugal | 89,0 % | 636,5 |
VI. Die Impfpflicht stellt eine Entmündigung der Bürger dar und verletzt elementare Grundrechte
In einer gesetzlichen Impfpflicht würde ein fundamentales Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern zum Ausdruck kommen. Bereits jetzt hat die in Deutschland vorherrschende Politik sich vom Leitbild des mündigen Staatsbürgers weitgehend verabschiedet, indem sie sich durch 3G-, 2G- und 2G-Plus-Regelungen anmaßt, Geimpfte und Ungeimpfte gegen ihren eigenen ausdrücklichen Willen zu „schützen“. Im Rahmen dieser Corona-Politik ist jeder bis zum Beweis des Gegenteils ein potenzieller Gefährder und gilt selbst mit diesem Beweis häufig nicht als „ungefährlich“, wenn man beispielsweise die Diskriminierung frisch negativ getesteter Ungeimpfter bedenkt.
Anstatt es dem Bürger selbst zu überlassen, eine individuelle Risikoabwägung für sich und sein Umfeld durchzuführen, und es ihm zu gestatten, sich beispielsweise durch Kontakte im privaten Umfeld oder durch Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ganz bewusst einem Infektionsrisiko auszusetzen oder eben nicht, maßt sich der Staat an, diese Entscheidung den Bürgern in nahezu allen Lebensbereichen abzunehmen. Dies tut er in dieser totalen Form nur beim Coronavirus und bei keinem anderen Krankheitserreger.
Die damit einhergehende Entmündigung der Bürger würde mit einer gesetzlichen Impfpflicht ihren widersinnigen Höhepunkt erreichen. Widersinnig deshalb, weil der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) es in einem Tweet vom 16. Mai 2020 auf den Punkt brachte:
„Eine Impflicht macht bei SarsCov2 so wenig Sinn wie bei Grippe. Wenn die Impfung gut wirkt wird sie auch freiwillig gemacht. Dann keine Impflicht nötig. Wenn sie viele Nebenwirkungen hat oder nicht so gut wirkt verbietet sich Impflicht. Daher nie sinnvoll“16 [Rechtschreib- und Grammatikfehler im Original.]
Eine gesetzliche Impfpflicht würde das aus Artikel 2 des Grundgesetzes ergebende Grundrecht der Bürger einschränken, über ihre Gesundheit und ihren eigenen Körper zu verfügen. Eine solche Einschränkung könnte möglicherweise unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein: Wenn es sich bei SARS-CoV-2 um einen Krankheitserreger handeln würde, durch den größere Bevölkerungsteile umkommen würden (was nicht der Fall ist, s.o.), wäre eine Impfpflicht sicherlich einfacher zu rechtfertigen. Oder wenn die zur Verfügung stehenden Impfstoffe tatsächlich eine annähernd sichere Perspektive eröffnen würden, diesen Krankheitserreger „wegzuimpfen“, ließe sich ebenfalls ein rationales Argument für die Impfpflicht formulieren – was aber bei einer Erkrankung der oberen Atemwege generell ausgeschlossen sein dürfte und ohne historische Präzedenz wäre.
Darüber hinaus würde eine gesetzliche Impfpflicht aber auch die in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschriebene Menschenwürde tangieren, die aber eben unter keinen Umständen von der staatlichen Gewalt angetastet werden darf. In seinem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass das Prinzip der Menschenwürde es dem Staat nicht gestattet, das Leben einiger weniger gegen das Leben vieler aufzuwiegen, indem der Staat einige wenige tötet, damit im Ergebnis mehr Menschen überleben. Im Falle des Luftsicherheitsgesetzes hat es das Bundesverfassungsgericht deshalb untersagt, ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug auch dann abzuschießen, wenn ein solcher Abschuss das Vielfache an Menschenleben retten würde.17
Ähnlich verhält es sich bei einer Impfpflicht: Die Anordnung einer solchen hätte in jedem Falle zur Folge, dass Dutzende von Menschen an Impfschäden versterben würden. Insofern wird darauf hingewiesen, dass das Paul-Ehrlich-Institut bei mindestens 79 Todesfällen in Deutschland davon ausgeht, dass die Corona-Impfung mögliche oder wahrscheinliche Todesursache war.18
Die billigend in Kauf genommenen tödlichen Impfnebenwirkungen stehen auf einer gänzlich anderen ethischen Stufe als der tragische Tod eines Menschen durch eine Naturkatastrophe wie das Coronavirus, das eben nicht völlig vom Menschen kontrolliert werden kann.
VII. Zu keinem Zeitpunkt während der Corona-Krise hat ein Kollaps des Gesundheitssystems gedroht
Eine vom Staat auferlegte Pflicht, sein eigenes Leben zu opfern, ließe sich höchstens dann überhaupt ethisch rechtfertigen, wenn die Zerstörung des gesamten Gemeinwesens oder essentieller Bestandteile wie des Gesundheitssystems drohen würde.
Doch zu keinem Zeitpunkt während der Corona-Krise hat ein Kollaps des Gesundheitssystems gedroht. So ist beispielsweise in keinem einzigen der sechzehn Länder, auch nicht in NRW, die Notfallreserve an Intensivbetten, die innerhalb von sieben Tagen zusätzlich mobilisiert werden könnte, aktiviert worden. Im Gegenteil: Noch im November 2021 brüstete sich Ministerpräsident Wüst per Pressemitteilung damit, vier rumänische Corona-Patienten nach Nordrhein-Westfalen eingeflogen zu haben.19 Und der Deutsche Bundestag machte sich so wenig Sorgen um personelle Engpässe im Gesundheitswesen, dass er im Dezember 2021 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal ab dem 15. März 2022 einführte und so in Kauf nimmt, dass zahlreiche Ungeimpfte in diesen Berufen ihren Dienst quittieren.
Vor allem darf hierbei nicht in Vergessenheit geraten, dass die Staatsgewalt bei der nun seit fast zwei Jahre andauernden Krisensituation nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht gehabt hätte, Maßnahmen zu ergreifen, um die sachlichen wie personellen Kapazitäten im Gesundheitssystem massiv auszubauen. Die Entwicklung läuft aber in die genau entgegengesetzte Richtung: So hat die Politik es zugelassen, dass die Zahl der in Deutschland zur Verfügung stehenden Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit von 12.000 auf 9.000, also um ein ganzes Viertel, reduziert wurde.20
VIII. Eine Impfpflicht ließe sich nur mit größtem Aufwand konsequent durchsetzen
Auch ist fraglich, ob eine bundesweite gesetzliche Impfpflicht in Deutschland überhaupt ohne weiteres konsequent durchsetzbar wäre. Soweit man hier nur daran anknüpft, dass jemand seinen Wohnsitz in Deutschland haben und ungeimpft sein muss, wäre ein zwingender Abgleich zwischen einem Einwohnermelderegister und einem Register erforderlich, in dem der Impfstatus aller in Deutschland wohnenden Menschen hinterlegt ist.
Doch anders als in Österreich, das über ein Zentrales Melderegister und ein Impfregister verfügt, werden die Melderegister in Deutschland dezentral von den Gemeinden geführt, während ein Impfregister überhaupt nicht existiert. Ein solches müsste erst angelegt werden und entsprechend müsste vor einer etwaigen Impfpflicht eigentlich eine Melde- und Nachweispflicht für alle rund 60 Millionen Geimpften eingeführt werden, um den Impfstatus nachträglich zu erfassen. Dieses Impfregister müsste dann den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, damit diese dann per Ausschlussverfahren die in der jeweiligen Gemeinde ansässigen Ungeimpften identifizieren und das entsprechende Aufforderungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Ungeimpften einleiten könnte.
Selbst in Österreich, das auf Grund des Bestehens beider Register in zentraler Form eigentlich beste Ausgangsvoraussetzungen für die Implementierung einer Impfpflicht hat, verzögert sich die technische Durchführung ganz erheblich. Obwohl die gesetzliche Impfpflicht hier bereits ab dem 1. Februar 2022 greifen soll, wird die technische Umsetzung nicht vor dem 1. April 2022 erfolgen.21
Daher und auch wegen der damit verbundenen Datenschutzbedenken wird in Deutschland zunehmend von einem Impfregister als Mittel zur Durchsetzung der Impfpflicht abgerückt. Dann aber wäre die Impfpflicht natürlich nicht konsequent durchzusetzen: Würde sie als einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt werden, könnte sich ihr jeder Ungeimpfte dadurch entziehen, dass er entsprechende Einrichtungen nicht aufsucht. Würden die Ordnungsbehörden einfach wahllos Kontrollen durchführen, könnten sich Ungeimpfte durch Glück oder gezielte Vermeidungsstrategien entziehen. Die Impfpflicht hätte dann vor allem bei überzeugten Ungeimpften keine steuernde Wirkung, sondern würde lediglich eine Rechtsgrundlage bieten, um Ungeimpfte dann in nahezu allen anderen Rechtsbereichen regelrecht zu kriminalisieren, da auf Grund einer rechtlichen Fiktion, aber nicht in der Realität davon ausgegangen werden müsste, dass alle Ungeimpften ihrer rechtlichen Verpflichtung nachgekommen wären. In dieser Form wäre die Impfpflicht ein einziges Willkürregime.
Soweit Verstöße gegen die Impfpflicht nur als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet wären, hätte dies ebenfalls zur Folge, dass sich reiche und vermögende Menschen problemlos von der Impfpflicht durch Zahlung entsprechender Bußgelder „freikaufen“ könnten, während alle anderen Menschen schlimmstenfalls in Ordnungshaft gehen müssten.
IX. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht als Forcierung des Pflegenotstandes
Aus einer aktuellen Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) geht hervor, dass 37 Prozent der deutschen Intensivstationen dauerhaft ihre Intensivbetten sperren. Weitere 22 Prozent werden täglich gesperrt. Dies führt zumindest vorübergehend zu einer Einschränkung der Notfallversorgung und zum Verschieben von Operationen.22 Insgesamt gibt es in Deutschland circa 1.700 Intensivstationen an etwa 1.300 Krankenhäusern. Die Hauptursache für die Bettensperrungen ist in 75 Prozent der Fälle ein Mangel an Pflegepersonal.
Eine Verknappung der Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser führt somit flächendeckend zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung im gesamten Bundesgebiet, welche auf einen eklatanten Personalmangel im Gesundheitswesen zurückzuführen ist. Eine Umkehrung dieses Trends ist auch weiterhin nicht in Sicht; so geht aus aktuellen Hochrechnungen des Statistischen Bundesamts hervor, dass im Jahre 2025 voraussichtlich etwa 112.000 Pflegerinnen und Pfleger in Vollzeitanstellung fehlen, um den Bedarf an professioneller Alten- und Krankenpflege in Deutschland decken zu können.23
Diese Entwicklung wurde durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht, welche Bundestag und Bundesrat am 10. Dezember 2021 für den Pflege- und Gesundheitsbereich beschlossen haben, noch weiterhin verschärft. Demnach müssen mit dem Stichtag 15. März 2022 Beschäftigte in diesen Sektoren nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft, von einer Impfung ärztlich befreit oder genesen sind. Ohne einen solchen Nachweis dürfen sie ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen; denn die Verpflichtung, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Kommen Beschäftigte ihr nicht nach, liege ein Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vor.
Nach dieser zusätzlichen Belastung der Pflege durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wächst flächendeckend die Gefahr, dass noch mehr Pflegekräfte dem Beruf den Rücken kehren.
Der Auftrag zur Sicherstellung der Pflege liegt laut Gesetz nicht bei den Einrichtungen selbst, sondern bei den Kranken- und Pflegekassen. Sollten den Heimen und anderen Einrichtungen eine größere Zahl Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung stehen, werden sich die Angebote zwangsläufig reduzieren. Das bedeutet im stationären Bereich Betten, die nicht mehr belegt werden können, und in ambulanten Einrichtungen Versorgungen, die abgesagt werden müssen.
Im Hinblick auf den vorherrschenden Fachkräftemangel im Gesundheitssektor wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht diesen Notstand nur noch weiter forcieren und zu einer flächendeckenden Unterversorgung führen. Das Gesundheitswesen droht nicht wegen der Krankheitsfälle im Zusammenhang der Coronapandemie zu überlasten, sondern auf Grund der irreführenden politischen Maßnahmen. Die Berufsgruppen, die zu Beginn der Pandemie noch als systemrelevant galten und bundesweit Anerkennung erhielten, werden nun politisch zu einer Impfung gezwungen unter Androhung des Arbeitsplatzverlustes.
X. Die Politik muss aufhören, eine Minderheit eliminieren zu wollen, um ein Zerreißen der Gesellschaft zu verhindern
Umfragen legen nahe, dass die Zustimmung für eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland bei circa zwei Dritteln liegt und um diesen Wert schwankt. Hieraus leiten Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab, dass es keine Spaltung der Gesellschaft gebe. Doch dieser Scheint trügt.
Der Protest gegen die Corona-Politik nimmt überall in Deutschland immer stärker zu. Bereits jetzt fühlen sich Ungeimpfte in unserem Land wie Menschen zweiter Klasse, denen man ohne einen guten Grund elementarste Grundrechte verweigert. Sie mussten sich wegen einer höchstpersönlichen medizinischen Entscheidung von früheren FDP-Bundestagsabgeordneten als „gefährliche Sozialschädlinge“ beschimpfen lassen und dürfen seit Monaten nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Diesen Menschen eine Impfpflicht aufzuerlegen, würde nicht nur für viele Ungeimpfte das Fass zum Überlaufen bringen, sondern auch für alle Geimpften, die sich über eine solche brutale Behandlung ihrer Mitmenschen empören. Ohnehin fühlen sich auch immer mehr Geimpfte hintergangen: Alle, die sich im Vertrauen auf die Verlautbarungen der Politik und wegen des Versprechens einer wirkungsvollen Impfung haben impfen lassen, müssen nun Schritt für Schritt erfahren, dass die Impfung nicht so funktioniert wie versprochen und dass auch die damit verbundene Wiederherstellung von Freiheitsrechten als Privilegien nur von kurzer Dauer war.
Eine demokratische Gesellschaft kann eine Naturkatastrophe wie das Coronavirus überleben. Sie kann sich aber nicht einer Minderheit wie der Ungeimpften entledigen, ohne hierdurch nachhaltig Hass und Verwerfungen auf Seiten dieser Minderheit zu produzieren. Ein demokratisches und menschliches Miteinander wird dadurch dauerhaft unmöglich gemacht.
Und eine solche Gesellschaft kann auch nicht überleben, jedenfalls nicht in demokratischer Gestalt, wenn die Mehrheit darauf trainiert wird, grundlegende Freiheitsrechte nur noch nach folgendem Satz in Anspruch nehmen zu dürfen:
„Ihren Impfpass, bitte!“
B. Beschlussfassung
I. Der Landtag möge beschließen:
Der Landtag stellt fest, dass eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland und Nordrhein-Westfalen nicht zielführend ist, um die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 hinreichend wirksam zu unterbinden, dass sie nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht gerechtfertigt ist und dass gegen sie erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
II. Die Landesregierung wird aufgefordert,
- von ihrer bisherigen Position, eine bundesweite gesetzliche Impfpflicht zu unterstützen, abzurücken, und diese neue Position klar in der Öffentlichkeit zu kommunizieren;
- in den Konferenzen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder (Bund-Länder-Gipfel beziehungsweise Ministerpräsidentenkonferenz) eine ablehnende Haltung zur Einführung einer bundesweiten gesetzlichen Impfpflicht einzunehmen und zu bekunden:
- im Bundesrat gegen jede Vorlage zu stimmen, die auf die Einführung einer bundesweiten gesetzlichen Impfpflicht gerichtet ist, und den Landtag unverzüglich zu unterrichten, sobald die Landesregierung entsprechende Vorlagen zur Kenntnis nehmen konnte, und
- eine Strategie für den Umgang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für die bevorstehende endemische Lage zu erarbeiten, die das Gesundheitssystem stärkt und auf Zwangsmaßnahmen verzichtet, und dem Landtag bis zum 28. Februar 2021 eine entsprechende Ausarbeitung vorzulegen.
Sven W. Tritschler
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
1 dpa-Meldung, NRW-Ministerpräsident Wüst gegen Corona-Impfpflicht, https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/nrw-ministerpraesident-wuest-gegen-corona-impfpflicht_aid-64001799, abgerufen am 11. Januar 2022.
2 A.a.O.
3 Robert-Koch-Institut, Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 6. Januar 2022, S. 16, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wo chenbericht_2022-01-06.pdf, abgerufen am 11. Januar 2022.
4 Gallagher, James, Omicron up to 70% less likely to need hospital care,
https://www.bbc.com/news/health-59769969, abgerufen am 11. Januar 2022.
5 Robert-Koch-Institut, Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 6. Januar 2022, S. 38.
6 A.a.O.
7 A.a.O.
8 Gazit, Sivan et al., Comparing SARS-CoV-2 natural immunity to vaccine-induced immunity: reinfections versus breakthrough infections, https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.08.24.21262415v1.full.pdf, abgerufen am 11. Januar 2022.
9 Robert-Koch-Institut, COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ), https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html, abgerufen am 11. Januar 2021.
10 A.a.O.
11 A.a.O.
12 Büssow, Vincent, Vierte Corona-Impfung mit Biontech – Ergebnisse „nicht sehr beeindruckend“, https://www.fr.de/panorama/biontech-vierte-corona-impfung-impfstoff-studie-ergebnisse-coronavirus-news-zr-91222917.html, abgerufen am 11. Januar 2022.
13 Paul-Ehrlich-Institut, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.11.2021, S. 8, https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-11-21.pdf, abgerufen am 11. Januar 2022.
14 Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/vaccines/international, abgerufen am 11. Januar 2022.
15 Quelle: https://interaktiv.morgenpost.de/corona-virus-karte-infektionen-deutschland-weltweit/, abgerufen am 11. Januar 2022.
16 Quelle: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1261557202571145216, abgerufen am 11. Januar 2022.
17 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Februar 2006, 1 BvR 357/05.
18 Paul-Ehrlich-Institut, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.11.2021, S. 10, https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-11-21.pdf , abgerufen am 11. Januar 2022.
19 Pressemitteilung der Landesregierung vom 1. November 2021, Corona-Patienten aus Rumänien werden nach Nordrhein-Westfalen gebracht, https://www.land.nrw/pressem itteilung/corona-patienten-aus-rumaenien-werden-nach-nordrhein-westfalen-gebracht, abgerufen am 11. Januar 2022.
20 Gutmann, Juliane, Tausende Intensivbetten mussten im letzten Jahr abgebaut werden – wegen Personalmangel, https://www.merkur.de/leben/gesundheit/tausende-intensivbetten-in-deutschland-abgebaut-wegen-personalmangel-91105263.html, abgerufen am 11. Januar 2022.
21 Al-Youssef, Muzayen, Impfpflicht ab Februar offenbar technisch nicht umsetzbar, https://www.derstandard.de/story/2000132366957/impfpflicht-technische-umsetzung-laut-elga-erst-ab-april-moeglich, abgerufen am 11. Januar 2022.
23 Dtsch Arztebl 2011; 108(17): A-946 / B-778 / C-778