Kündigung in einem Krankenhaus in Trägerschaft der Caritas wegen eines Kirchenaustritts

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 303
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 09.08.2022

 

Kündigung in einem Krankenhaus in Trägerschaft der Caritas wegen eines Kirchenaustritts

Wie aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm hervorgeht, kann ein Kirchenaustritt – trotz einer Begründung mit den bekannten Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche – zu einer Aufhebung des Arbeitsverhältnisses führen. Im konkreten Fall ging es um eine Hebamme, die bei einem Krankenhaus in Trägerschaft der Dortmunder Caritas arbeitete. Kurios ist dabei, dass in dem Krankenhaus zugleich Konfessionslose tätig sind, die nicht zuvor katholisch waren.

Das Erfurter Bundesarbeitsgericht legte dem EuGH jetzt die Frage zur Entscheidung vor, ob ein Kirchenaustritt vor Dienstantritt bei einem katholischen Krankenhaus ein Kündigungsgrund sein kann, wenn in der Klinik konfessionslose Mitarbeiter beschäftigt sind.1

Unabhängig vom Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm ist das Vorgehen des Krankenhauses in Trägerschaft der Caritas gegen die betroffene Mitarbeiterin aus moralischen, ethischen und sozialen Erwägungen heraus mehr als bedenklich.

Wie aus einem Artikel der FAZ hervorgeht, blockiert der Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den digitalen Kirchenaustritt.2 Das Land sieht sich außerstande, die entsprechenden technischen Voraussetzungen bereitzustellen. Trotz der Vorgaben nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) aus dem Jahr 2017 werde das Land dieser Verpflichtung nicht nachkommen.

Im Gegensatz dazu hat Berlin als bisher einziges Land angekündigt, die Rechtslage so zu ändern, dass ein Kirchenaustritt im Onlineverfahren möglich wird. Wie die FAZ weiterhin berichtet, hat die Zahl der Kirchenaustritte im Jahre 2021 mit bundesweit annähernd 640 000 Ersuchen einen neuen Höchststand erreicht. Wegen der Überlastung der Amtsgerichte und Standesämter mussten Austrittswillige oft viele Monate auf einen Termin warten.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Kirchenaustritte gab es in NRW im Zeitraum von 2008 bis 2022? (Aufgeschlüsselt nach Kommune, Alter, Geschlecht und Kirchengemeinde sowie von den Verwaltungsstellen abgelehnten Ersuchen auf Kirchenaustritt aufgrund unzureichender Unterlagen)
  2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über Probleme mit der Online-Termin-Vergabe vor?
  3. Wie bewertet die Landesregierung die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für den Kirchenaustritt?
  4. Wie vielen in NRW lebenden Arbeitnehmern ist auf Grundlage eines Kirchenaustritts im Zeitraum von 2008 bis 2022 gekündigt worden? (Gebeten wird um Angaben nach Konfession, Beruf und Position sowie eine Abfrage bei der Agentur für Arbeit)
  5. In welcher Form wird sich die Landesregierung zukünftig für Beschäftigte kirchlicher Träger einsetzen, die auf Grund eines Kirchenaustritts von einer Kündigung bedroht sind?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.katholisch.de/artikel/40288-europaeischer-gerichtshof-prueft-kirchenaustritt-als-kuendigungsgrund

2 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/nrw-blockiert-digitalen-kirchenaustritt-18173611.html?premium

3 Ebenda


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 303 mit Schreiben vom 5. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie dem Mi­nister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

  1. Wie viele Kirchenaustritte gab es in NRW im Zeitraum von 2008 bis 2022? (Aufge­schlüsselt nach Kommune, Alter, Geschlecht und Kirchengemeinde sowie von den Verwaltungsstellen abgelehnten Ersuchen auf Kirchenaustritt aufgrund unzu­reichender Unterlagen)

Im Rahmen der Geschäftsübersichten der Amtsgerichte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (GÜ) wird die Anzahl der Kirchenaustritte in den jeweiligen Amtsgerichtsbezirken erhoben. Die An­zahl der Kirchenaustritte ergibt sich aus der Anlage. Eine darüber hinausgehende Differenzie­rung nach Kommunen, Alter, Geschlecht und Kirchengemeinde findet nicht statt.

Abgelehnte Ersuchen aufgrund unzureichender Unterlagen werden statistisch ebenfalls nicht erfasst. Eine Erhebung der Daten würde eine Einzelauswertung sämtlicher Verfahrensakten erfordern. Dies ist mit einem für die Rechtspflege vertretbaren Aufwand in der zur Beantwor­tung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar.

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über Probleme mit der Online-Termin-Vergabe vor?

Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über Probleme im Umgang mit der Anwen­dung „Online-Terminbuchung“ vor.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die weitere Umsetzung des Onlinezugangsge-setzes für den Kirchenaustritt?

Bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ist dem Land Nordrhein-Westfalen ein Bereich in der Federführung zugeordnet, zu dem auch das Themenfeld Kirchenaustritt gehört. In der Eigenschaft als Federführer auf Landesseite hat die Staatskanzlei des Landes Nord­rhein-Westfalen das Digitalisierungspotential der Leistung Kirchenaustritt geprüft. Unter die Digitalisierungspflicht des OZG fallen nur geeignete Verwaltungsleistungen. Geeignet sind da­bei solche Leistungen, deren Digitalisierung tatsächlich objektiv möglich ist und auch nicht aus rechtlichen Gründen ausscheidet. Rechtlich unmöglich ist die Digitalisierung dort, wo gesetz­lich ein persönliches Erscheinen des Bürgers vorgeschrieben ist wie z.B. bei der standesamt­lichen Trauung oder eben beim Kirchenaustritt. Der nach grundgesetzlicher Entscheidung je­weils zuständige Gesetzgeber ist dabei durch das OZG nicht verpflichtet, die Vorgabe zum persönlichen Erscheinen durch eine Gesetzesänderung aufzugeben. Das Kirchenaustrittsge-setz Nordrhein-Westfalen schreibt vor, dass der Kirchenaustritt wegen der Bedeutung der Er­klärung einem besonderen Formerfordernis unterliegt: Der Austritt muss entweder mündlich beim zuständigen Amtsgericht erklärt oder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form abgege­ben werden.

Mit Blick auf diese gesetzliche Vorgabe, die einer Digitalisierung hier entgegensteht und die sich gleichermaßen auch in anderen Bundesländern findet, hat das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des OZG-Verfahrens vorgeschlagen, die Leistung aufgrund der rechtlichen Un­möglichkeit (vgl. Kapitel 9.4.5 OZG-Leitfaden) zu depriorisieren. Die entsprechende Entschei­dung des zuständigen OZG-Gremiums ist im März 2022 erfolgt. Das bedeutet, dass im Rah­men der Umsetzungsbegleitung die Leistung nicht weitergehend betrachtet wird.

  1. Wie vielen in NRW lebenden Arbeitnehmern ist auf Grundlage eines Kirchenaus­tritts im Zeitraum von 2008 bis 2022 gekündigt worden? (Gebeten wird um Anga­ben nach Konfession, Beruf und Position sowie eine Abfrage bei der Agentur für Arbeit)

Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit hält lediglich solche Personen vor, die sich arbeitslos melden. Der Kündigungsgrund ist nur im Hinblick auf eine mögliche Sperrzeit von Bedeutung. Eine Sperrzeit tritt ein, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu ha­ben. Dies wird aber statistisch nicht erfasst.

  1. In welcher Form wird sich die Landesregierung zukünftig für Beschäftigte kirchli­cher Träger einsetzen, die auf Grund eines Kirchenaustritts von einer Kündigung bedroht sind?

Das kirchliche Arbeitsrecht ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV. Im Koalitionsvertrag Bund ist vereinbart, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Kirchen prüfen will, inwiefern das kirchliche Arbeits­recht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Die Landesregierung wird sich ggf. an einer solchen Diskussion beteiligen.

Zahl der Kirchenaustritte in den Berichtsjahren 2008 bis 30.06.2022 => siehe PDF

 

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