Antisemitische Straftaten in NRW im ersten Halbjahr 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 401
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 01.09.2022

 

Antisemitische Straftaten in NRW im ersten Halbjahr 2022

Die Kleine Anfrage 6374 zum Themenkomplex „Antisemitische Straftaten“ hat ergeben, dass im Jahre 2021 in diesem Bereich insgesamt 437 Straftaten verübt wurden. Dabei wurden vier Personen verletzt.1 Bei der Zuordnung zu den Phänomenbereichen der politischen Kriminalität ergab sich folgendes Bild:

In den Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

  • PMK-Rechts: 115 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 3 Straftat
  • PMK-Links: 1 Straftat
  • PMK-Religiöse Ideologie: 3 Straftaten
  • PMK-Ausländische Ideologie: 25 Straftaten

In den Fällen, in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

  • PMK-Rechts: 253 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 16 Straftaten
  • PMK-Links: 1 Straftat
  • PMK-Religiöse Ideologie: keine Straftat
  • PMK-Ausländische Ideologie: 20 Straftaten

Wie bereits in den Vorjahren handelte es sich bei den Straftaten überwiegend um Volksverhetzungsdelikte und Verstöße gemäß §§ 86, 86a StGB (Propagandadelikte).

Ziel dieser Anfrage ist es, mit den Zahlen für das erste Halbjahr 2022 die Entwicklung auch weiterhin zu beleuchten.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2022 verübt? (Bitte nach Ort, Straftatbestand und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität [bei deutschen Tätern bitte zusätzlich den jeweiligen Vornamen angeben], Alter und Geschlecht auflisten)
  3. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die unter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn a) ein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte, wenn b) kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phänomenbereich und Straftatbestand)
  4. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten?

Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/16665


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 401 mit Schreiben vom 27. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörig­keit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äuße­ren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres ge­sellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammen­hang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß der §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 192a, 130, 234a oder 241a Strafgesetzbuch als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Die Erhebung der Fallzahlen für das Jahr 2022 ist noch nicht abgeschlossen, weshalb die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen als vorläufig zu betrachten sind.

  1. Wie viele Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden in Nordrhein-West­falen im ersten Halbjahr 2022 verübt? (Bitte nach Ort, Straftatbestand und Anzahl der verletzten Personen auflisten)

Für das erste Halbjahr 2022 wurden 146 Straftaten mit dem Unterbegriff „Antisemitisch“ er­fasst. Dabei wurden keine Personen verletzt.

Weitere Details bitte ich der Auflistung der beigefügten Anlage 1 zu entnehmen.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität [bei deut­schen Tätern bitte zusätzlich den jeweiligen Vornamen angeben], Alter und Ge­schlecht auflisten)

Insgesamt konnten in 47 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. In keinem Fall kam es zu einer Festnahme. Eine Erhebung der Vornamen erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Verfahrens und ist in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Weitere Informationen zu den Tatverdächtigen bitte ich der beigefügten Anlage 2 zu entneh­men.

  1. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die un­ter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn a) ein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte, wenn b) kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermit­telt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phänomenbereich und Straftatbestand)

In den Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

Phänomenbereich Anzahl an Straftaten
PMK-Rechts 43
PMK-nicht zuzuordnen 3
PMK-Links Keine
PMK-Religiöse Ideologie Keine
PMK-Ausländische Ideologie 1

 

In den Fällen in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

Phänomenbereich Anzahl an Straftaten
PMK-Rechts 87
PMK-nicht zuzuordnen 9
PMK-Links Keine
PMK-Religiöse Ideologie Keine
PMK-Ausländische Ideologie 3

 

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 3 zu entnehmen.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstel­lungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Im ersten Halbjahr 2022 kam es bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften – den Be­richten der Generalstaatsanwältin und der Generalstaatsanwälte des Landes zufolge – in 520 Fällen wegen antisemitischer Straftaten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren, in 73 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift bzw. Beantragung eines Strafbefehls und in 399 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen. Grund für die Einstellung des Verfahrens war in 135 Fällen, dass ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte. In 37 Fällen erfolgte eine Verurteilung.

Die Differenz zu den polizeilich eingeleiteten Ermittlungsverfahren erklärt sich durch ein ande­res Erfassungssystem der Landesjustiz.

 

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