Antisemitische Straftaten in NRW im Jahre 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1042
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 10.01.2023

Antisemitische Straftaten in NRW im Jahre 2022

Die Kleine Anfrage mit der Drucksache 18/797 zum Themenkomplex „Antisemitische Straftaten“ hat ergeben, dass im ersten Halbjahr 2022 in diesem Bereich insgesamt 146 Straftaten verübt wurden. Dabei wurden keine Personen verletzt.1 Bei der Zuordnung zu den Phänomenbereichen der politischen Kriminalität ergab sich folgendes Bild:

In den Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

  • PMK-Rechts: 43 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 3 Straftat
  • PMK-Links: keine Straftaten
  • PMK-Religiöse Ideologie: keine Straftaten
  • PMK-Ausländische Ideologie: 1 Straftat

In den Fällen, in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten den folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

  • PMK-Rechts: 87 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 9 Straftaten
  • PMK-Links: keine Straftaten
  • PMK-Religiöse Ideologie: keine Straftaten
  • PMK-Ausländische Ideologie: 3 Straftaten

Wie bereits in den Vorjahren handelte es sich bei den Straftaten überwiegend um Volksverhetzungsdelikte und Verstöße gemäß §§ 86, 86a StGB (Propagandadelikte).

Ziel dieser Anfrage ist es, mit den Zahlen für das gesamte Jahr 2022 die Entwicklung auch weiterhin zu beleuchten.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2022 verübt? (Bitte nach Ort, Straftatbestand und Anzahl der verletzten Personen auflisten.)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität [bei deutschen Tätern bitte zusätzlich den jeweiligen Vornamen angeben], Alter und Geschlecht auflisten.)
  3. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die unter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn ein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte?, wenn b) kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phänomenbereich und Straftatbestand.)
  4. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die unter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phänomenbereich und Straftatbestand.)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2022 im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten?

Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/1067.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1042 mit Schreiben vom 7. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Hal­tung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorur­teilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religi­onszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten kön­nen sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftli­chen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) o­der sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2022 ist noch nicht abge­schlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 18. Januar 2023 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.

  1. Wie viele Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden in Nordrhein-West­falen im Jahre 2022 verübt? (Bitte nach Ort, Straftatbestand und Anzahl der ver­letzten Personen auflisten.)

Im Jahr 2022 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang 285 Straftaten dem Un­terbegriff „antisemitisch“ zugeordnet. Vier Personen wurden verletzt.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität [bei deut­schen Tätern bitte zusätzlich den jeweiligen Vornamen angeben], Alter und Ge­schlecht auflisten.)

Im KPMD-PMK werden als Festnahme statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maß­nahmen gemäß §§ 127, 127b StPO gezählt (keine Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeige­setz NRW).

Im Jahr 2022 wurden in 114 Fällen antisemitischer Straftaten 117 Tatverdächtige ermittelt. Es wurden zwei Tatverdächtige festgenommen.

Eine Erhebung der Vornamen erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Verfahrens und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.

  1. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die un­ter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn ein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte?, wenn b) kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phänomenbereich und Straftatbestand.)
  2. In welchen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität wurden die un­ter Frage 1 erfragten Straftaten jeweils eingeordnet, wenn kein Tatverdächtiger bzw. Täter ermittelt werden konnte? (Bitte auflisten nach Anzahl der Fälle, Phäno-menbereich und Straftatbestand.)

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Aufteilung auf die Phänomenberei-che bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Tatverdächtige ermittelt Phänomenbereiche Politisch motivierte Kriminalität (PMK)
Ausländische Ideologie Links Rechts Religiöse Ideologie Nicht zu-zuordnen
Ja 4 0 95 1 14
Nein 5 1 153 0 12

 

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstel­lungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2022 im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Im Jahr 2022 kam es – den Berichten der Generalstaatsanwältin und der Generalstaatsan­wälte des Landes zufolge – bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften in 1024 Fällen wegen antisemitischer Straftaten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren, in 156 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift bzw. Beantragung eines Strafbefehls und in 670 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen. Grund für die Einstellung des Verfahrens war in 238 Fällen, dass ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte. In 75 Fällen erfolgte eine Verurteilung.

Die Differenz zu den polizeilich eingeleiteten Ermittlungsverfahren erklärt sich durch ein ande­res Erfassungssystem der Landesjustiz.

 

Antwort samt Anlage als PDF