Kleine Anfrage 1713
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD
Was unternimmt die Landesregierung gegen die kritische Armutslage in Nordrhein-Westfalen?
Laut des Armutsberichts 2022 „Zwischen Pandemie und Inflation“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes „hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemiejahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand erreicht.“1 Für Nordrhein-Westfalen lässt sich verzeichnen, dass die Armutsquote mit 18,7 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt – knapp jeder Fünfte in unserem Bundesland ist arm!2
Damit setzt sich für Nordrhein-Westfalen der traurige Trend der letzten zehn Jahre fort. Von 2012 bis 2019 ist die Armutsquote kontinuierlich von 16,3 auf 18,5 Prozent gestiegen.3 Zwar gab es für das Jahr 2020 ein Absinken auf 17,4 Prozent,4 jedoch wurde bereits im vergangenen Jahr der Wert des Rekordjahrs 2019 übertroffen. Betrachtet man den beschriebenen Zeitraum, so können die Pandemie und die Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht als Erklärung dafür herangezogen werden, dass immer mehr Menschen in unserem Bundesland verarmen.
Diese Problematik trifft auch die Wohlfahrtsverbände, beispielsweise die Tafel, welche innerhalb von Nordrhein-Westfalen 172 Standorte betreibt – mehr als in jedem anderen Bundesland.5 Eine Umfrage aus dem vergangenen Jahr über die derzeit größten Herausforderungen der Berliner Hilfsorganisation verdeutlicht einige der Symptome einer zunehmend verarmenden Gesellschaft.6 Zu viele Kunden, Rückgang der Lebensmittelspenden und (psychische) Belastungen bei den Helfern sind laut den Angaben nur die Spitze des Eisberges.7 Die Politik muss endlich eine Trendwende einleiten und auf der einen Seite die in Not Geratenen akut unterstützen und auf anderer Seite dafür Sorge tragen, dass zunehmend mehr Menschen in unserem Bundesland sich das Leben wieder leisten können.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Projekte hat die Landesregierung in der Vergangenheit konkret gefördert, um der Verschlechterung der sozialen Lage entgegenzuwirken? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
- Wie hat die Landesregierung die Wohlfahrtsverbände in Nordrhein-Westfalen personell und strukturell unterstützt? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
- Wie setzt sich die Landesregierung auf Bundesebene für gezielte Soforthilfen für unterhalb der Armutsgrenze lebende Menschen ein? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
- Welche gezielten Soforthilfen für unterhalb der Armutsgrenze lebende Menschen könnte die Landesregierung in eigener Verantwortung einführen? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
- Welche konkreten Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant, um der zunehmenden Verarmung der Bevölkerung in Nordrhein-Westfahlen entgegenzuwirken?
Dr. Martin Vincentz
1 https:// www .der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armut-und-
grundsicherung/armutsbericht-2022/#spacer
2 Ebd.
4 Ebd.
7 Ebd.
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1713 mit Schreiben vom 26. Mai 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Welche Projekte hat die Landesregierung in der Vergangenheit konkret gefördert, um der Verschlechterung der sozialen Lage entgegenzuwirken?“ (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
Eine Darstellung aller Projekte, die die Landesregierung in der Vergangenheit konkret gefördert hat, um der Verschlechterung der sozialen Lage entgegenzuwirken, ist binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, da allein seitens des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW seit 2017 in diesem Kontext über 300 Einzelprojekte gefördert wurden. Darüber hinaus gab und gibt es zahlreiche Förderprogramme der gesamten Landesregierung, die sich positiv auf die soziale Lage der Bevölkerung auswirken, auch ohne dies konkret als vordringlichen Förderzweck anzuführen (z.B. umwelt-, verkehrs- gesundheits- und wohnraumpolitische Maßnahmen).
Die folgenden Beispiele sind daher exemplarisch:
Maßnahmen der Landesregierung:
Bekämpfung der Armut von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien:
Mit dem Programmaufruf „Zusammen im Quartier – Kinder stärken – Zukunft sichern“ stellt das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) seit 2018 Landesmittel und Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für Projektförderungen zur Bekämpfung von Kinder-, Jugend- und Familienarmut in besonders benachteiligten Quartieren zur Verfügung, die auch zur Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und ihren sozialen Folgen beitragen.
Bis Ende 2022 wurden über 100 Projekte gefördert, die die Mitwirkungsmöglichkeiten verbessern, Teilhabechancen realisieren, Hilfe bei bestimmten Schnittstellen in der Biographie (wie z.B. beim Übergang zwischen einzelnen Bildungsabschnitten) und Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln. Eine Weiterentwicklung des Programms ist für Herbst dieses Jahres geplant.
Im Rahmen des Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ werden Kinder und Jugendliche, die im Rahmen einer Kindertagesbetreuung sowie in Schulen oder Horten an einer gemeinsamen Mittagsverpflegung teilnehmen und trotz Bedürftigkeit keine Leistungen nach dem Bildungs-und Teilhabepaket erhalten, seit 2011 unterstützt. Gefördert werden Kinder und Jugendliche, die sich in einer ähnlich schwierigen finanziellen Situation befinden, wie die Personen, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten. Seit 2020 können neben der Teilnahme an der gemeinsamen Mittagsverpflegung auch Ausgaben für die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt gefördert werden, soweit die Mittel des Härtefallfonds nicht bereits über die Finanzierung des Mittagessens ausgeschöpft sind.
Hinsichtlich junger Menschen sieht das Kinder- und Jugendhilfegesetz vor (§ 1 Absatz 3 Satz 1 SGB VIII), sie „in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen“. Dieser gesetzliche Auftrag wird von der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt, wobei die Umsetzung nach § 4 Absatz 2 SGB VIII subsidiär durch die Freie Wohlfahrtspflege stattfinden soll. Das MKJFGI beteiligt sich an diesem Auftrag der Jugendhilfe mit einer Vielzahl von Maßnahmen, Programmen, gesetzlichen Leistungen und der Förderung von unterstützender Infrastruktur, u.a. auch zum Abbau von Benachteiligungen junger Menschen und Kinder durch Armut (z.B. PlusKitas, Familienzentren, Landesprogramm „kinderstark“ oder die Frühen Hilfen). Ein „Pakt gegen Kinderarmut“ gehört zu den Schwerpunkten der Landesregierung. Finanzielle Leistungen obliegen hauptsächlich dem Bund.
Da Alleinerziehende besonders stark von Armut betroffen sind, fördert das MKJFGFI seit dem 1. Mai 2023 eine „Landesfachstelle Alleinerziehende“ in Trägerschaft des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter NRW e.V. mit Mitteln in Höhe von insgesamt 210.000 Euro. Die Landesfachstelle soll kompetente Ansprechpartnerin für die Fachebene vor Ort sein. Ziel ist es, kommunale Träger sowie Akteurinnen und Akteure zu befähigen, wirkungsvolle Angebote für Alleinerziehende im Sozialraum zu unterbreiten.
Um der Verarmung von Frauen entgegenzuwirken, verfolgt die Landesregierung des Weiteren das Ziel, ihre Position am Arbeitsmarkt zu stärken. Dazu gehört auch die Schaffung von Transparenz bei der Entlohnung von Frauen und Männern, zu welchem Zweck das MKJFGFI die Veröffentlichung eines Lohnatlas für Nordrhein-Westfalen für die Privatwirtschaft vorsieht.
Die Landesregierung fördert seit geraumer Zeit die Verbraucherinsolvenzberatung, um von Überschuldung betroffene Ratsuchende und ihre Familien bei der kurz-, mittel- und langfristigen Existenzsicherung und Schuldenregulierung zu unterstützen. Dadurch wird vielfach ein wirtschaftlicher und persönlicher Neuanfang ermöglicht und Betroffenen ein Ausweg aus einer wirtschaftlich, sozial und gesundheitlich prekären Lebenssituation aufgezeigt. Zusätzlich wird eine Fachberatung für die Schuldnerberatung gefördert. Diese trägt mit ihren unterschiedlichen Aktivitäten dazu bei, die Qualität der Schuldnerberatung zu sichern und weiterzuentwickeln.
Bekämpfung von Wohnungslosigkeit:
Nordrhein-Westfalen setzt mit der Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ seit 2019 auf eine enge Kooperation mit der Wohnungswirtschaft. Sogenannte „Kümmerer“ (Teams von Sozial-arbeitern/Sozial-arbeiterinnen und Immobilienfachkräften) arbeiten eng mit der Wohnungswirtschaft zusammen und kümmern sich gleichzeitig um die wohnungslosen und obdachlosen Menschen. Bis dato wurden auf diesem Wege rund 6.600 Menschen in eine eigene Wohnung vermittelt. Die Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“ verfolgt das Ziel, obdachlose und wohnungslose Menschen auf direktem Wege in eine eigene Wohnung mit einem eigenen Mietvertrag zu vermitteln. Ergänzend werden Modellprojekte speziell für wohnungslose Jugendliche und junge Erwachsene an drei Standorten gefördert.
Sozialplanung:
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Armutsfolgen zielgerichtet zu bekämpfen und Voraussetzungen dafür zu schaffen, Armut und Ausgrenzung von vornherein möglichst zu vermeiden. Um den komplexen Problemlagen begegnen zu können, ist eine integrierte strategische Sozialplanung in den Kommunen sinnvoll.
Das Ziel von Sozialplanung ist die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen innerhalb einer Kommune. Über das Programm „Zusammen im Quartier – Sozialplanung initiieren, weiterentwickeln und stärken“ unterstützt die Landesregierung seit 2022 Kommunen bei der Initiierung sowie beim Ausbau integrierter, strategischer Sozialplanungsprozesse.
Wohnungsmarkt:
Mit der öffentlichen Wohnraumförderung kommt das Land seit vielen Jahren seiner Verantwortung im Bereich der Wohnraumversorgung in Nordrhein-Westfalen nach und schafft Wohnraum für Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. So leistet das Land seinen Beitrag dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens nicht aufgrund zu hoher Wohnkosten von Armut bedroht sind. Mehr Wohnraum verhindert steigende Mieten. Dabei setzt die Landesregierung auch auf energetische Optimierung, so dass die Nebenkosten aufgrund der hohen Energiekosten nicht zu einer zweiten Miete werden. Die Wohnraum-förderbestimmungen werden jährlich überarbeitet und den aktuellen Herausforderungen angepasst. So bleiben die Förderbestimmungen attraktiv und rentierlich für die Investorinnen und Investoren, die geförderten Wohnraum bauen.
Neben der Förderung von Mietwohnraum fördert die Landesregierung die Bildung von Wohneigentum und gibt hierdurch jungen Menschen und Familien die Chance, sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen, nicht mehr auf eine Mietwohnung angewiesen zu sein und gleichzeitig für ihr Alter vorzusorgen. Daher wurde für die Jahre 2018 bis 2022 ein Programm zur Förderung bezahlbaren Wohnraums in Höhe von jährlich 1,1 Milliarden Euro bereitgestellt. Im Jahr 2022 erfolgte zusätzlich eine Erhöhung des zur Verfügung gestellten Programmvolumens um 200 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro. Im Ergebnis wurden im Zeitraum 2018 bis 2022 Förderungen für insgesamt 41.044 mietpreis- und belegungsgebundene Wohneinheiten (inklusive Eigentumsmaßnahmen) bewilligt.
- Wie hat die Landesregierung die Wohlfahrtsverbände in Nordrhein-Westfalen personell und strukturell unterstützt? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
Mit ihren Angeboten trägt die Freie Wohlfahrtspflege wesentlich zur sozialen Sicherung und zum sozialen Frieden in Nordrhein-Westfalen bei. Ein über alle Betätigungsfelder der Freien Wohlfahrtspflege hinweg verbindendes Element ist die Arbeit für ein solidarisches Gemeinwesen mit gerechten Lebensverhältnissen für alle Menschen, mithin die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung. Diese wichtige Aufgabe der Freien Wohlfahrtspflege unterstützt das MAGS durch die Gewährung eines Landeszuschusses in Höhe von derzeit jährlich 6,1 Millionen Euro an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zur Mitfinanzierung von Beratungs- und Koordinierungsaufgaben, Maßnahmen zur Steuerung, Qualifizierung und strukturellen Weiterentwicklung der Arbeit der Träger vor Ort.
Darüber hinaus fließen den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege als Destinatär derzeit jährlich weitere rd. 27,7 Millionen Euro (bis 2020 rd. 24,2 Millionen Euro) zur Förderung von satzungsgemäßen Zwecken aus Konzessionseinnahmen und sonstigen Einnahmen zu. Grundlage hierfür ist § 30 des Haushaltsgesetzes.
- Wie setzt sich die Landesregierung auf Bundesebene für gezielte Soforthilfen für unterhalb der Armutsgrenze lebende Menschen ein? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute).
In den vergangenen Jahren hat das Land Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Bund eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte unterstützt bzw. gefordert:
- Einmalzahlungen für erwachsene Leistungsberechtigte, denen in den Monaten Mai 2021 beziehungsweise Juli 2022 existenzsichernde Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewährt worden sind und deren Regelsatz sich nach der Regelbedarfsstufe 1, 2 oder 3 der Anlage zu § 28 SGB XII richtete: in Höhe von 150 Euro (Mai 2021) beziehungsweise 200 Euro (Juli 2022). Diese Einmalzahlungen sollten dem Ausgleich der durch die Covid-19-Pandemie entstandenen Mehraufwendungen und der bereits damals festzustellenden pandemiebedingten Inflation dienen. Hinsichtlich der Einmalzahlung im Juli 2022 wurde dabei seitens Nordrhein-Westfalen erfolgreich eine höhere Pauschale als ursprünglich (in Höhe von lediglich 100 Euro) von der Bundesregierung angedacht gefordert (s. BR-Drs. 187/21, BR-Drs. 125/22 und BR-Drs. 204/22).
- Energiepreispauschalen: Anspruchsberechtigte erhielten die Pauschale in Höhe von 300 Euro brutto im September 2022, welche außerdem bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen war (s. BR-Drs. 205/22). Rentnerinnen und Rentner erhielten die Energiepreispauschale in gleicher Höhe mit der Rente für Dezember 2022. Auch diese Pauschale war von der Anrechnung auf einkommensabhängige Sozialleistungen befreit.
- Seit Juli 2022 erhalten zudem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die nach dem SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten bzw. Bürgergeld haben, dem ein Regelbedarf nach den Regelbedarfsstufen 3, 4, 5 oder 6 zugrunde liegt, und minderjährige Kinder im Leistungsbezug SGB XII, Drittes Kapitel, einen monatlichen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro (s. BR-Drs. 125/22).
- Zudem wurde seit 2020 für die Unterstützung von Familien jährlich ein Kinderbonus gewährt. Für das Jahr 2020 belief sich der Bonus auf insgesamt 300 Euro pro Kind (200 Euro in September 2020 und 100 Euro in Oktober 2020), im Jahr 2021 auf 150 Euro pro Kind und im Jahr 2022 auf 100 Euro pro Kind. Die Kinderboni wurden bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen berücksichtigt, so dass sie Familien mit kleinen Einkommen zusätzlich zugutekamen (s. BR-Drs. 329/20, BR-Drs. 187/21, BR-Drs. 125/22).
- Zu Beginn der Covid-19-Pandemie wurden zudem kurzfristig Regelungen für einen erleichterten Zugang zu Sozialleistungen getroffen. Diese Erleichterungen hatten vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2022 Geltung und sind mit Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes zum 1. Januar 2023 ausgelaufen (s. BR-Drs. 151/20, BR-Drs. 187/22).
Die genannten bundesweiten Maßnahmen wurden dabei seitens Nordrhein-Westfalens stets unterstützt und im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren konstruktiv begleitet. Nordrhein-Westfalen hat sich im abgefragten Zeitraum gegenüber dem Bund stets für eine auskömmliche und realitätsnahe Bemessung der Regelbedarfe eingesetzt (BR-Drs. 486/20 und BR-Drs. 654/20).
- Welche gezielten Soforthilfen für unterhalb der Armutsgrenze lebende Menschen könnte die Landesregierung in eigener Verantwortung einführen? (Bitte aufschlüsseln von 2017 bis heute)
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat in der aktuellen Krisensituation, bedingt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, den „Stärkungspakt Nordrhein-Westfalen – gemeinsam gegen Armut“ ins Leben gerufen. Ergänzend zu den Maßnahmen des Bundes wurden für diesen Pakt rund 150 Millionen Euro für das Jahr 2023 zur Verfügung gestellt. Mit dieser Leistung, die allen Kommunen als Billigkeitsleistung gewährt wird und die sich in ihrer Höhe an der Zahl der Mindestsicherungsbeziehenden bemisst, können neben Einrichtungen der sozialen Infrastruktur insbesondere auch Beratungseinrichtungen (z.B. Allgemeine Sozial, Schuldner-, Senioren-, Erwerbslosen-, Wohnungslosen-, Verbraucher- und Suchtberatungs-einrichtungen u.v.m.) unterstützt werden. Zudem kann auch Bürgerinnen und Bürgern über kommunale Verfügungsfonds bzw. Härtefallregelungen direkt oder mittelbar geholfen werden.
Dies gilt insbesondere zur Vermeidung von Überschuldungen, Energiesperren und Wohnungsverlusten.
Im Bereich Wohnungslosigkeit hat die Landesregierung verschiedene Soforthilfen zwischen 2018 und 2022 initiiert:
Zielgruppe | Soforthilfe | Zeitpunkt |
wohnungs- und obdachlose Menschen | Kältehilfen | Winter 2018/2019 |
Winter 2019/2020 | ||
Winter 2020/2021 | ||
Winter 2021/2022 | ||
Winter 2022/2023 | ||
Notfallpaket Soforthilfe Corona | Frühjahr 2020 | |
Sommerhilfen | Sommer 2022 |
Soforthilfen für Tafeln und Lebensmittelverteiler:
Zum Ausgleich Corona-bedingter Mehraufwendungen hat die Landesregierung dem Landesverband der Tafeln NRW e.V. im Jahr 2020 eine Zuwendung in Höhe von 900.000 Euro zur Weiterleitung an die Tafeln in Nordrhein-Westfalen gewährt. Darüber hinaus erhielten 61 tafelähnliche Einrichtungen, welche nicht dem Landesverband angeschlossen sind, Zuwendungen im Rahmen einer Soforthilfe in Höhe von über 214.000 Euro.
Als Ausgleich zu den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen wurde dem Landesverband der Tafeln NRW e.V. im Jahr 2022 eine Förderung zur Weiterleitung der Unterstützung an die Tafeln in Nordrhein-Westfalen gewährt. Insgesamt wurden hierüber 144 Tafeln in Nordrhein-Westfalen mit einem Fördervolumen in Höhe von über 900.000 Euro unterstützt.
Darüber hinaus erhielten 167 tafelähnliche Einrichtungen Unterstützungsleistungen in Höhe von über einer Millionen Euro.
- Welche konkreten Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant, um der zunehmenden Verarmung der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen entgegenzuwirken?
Neben der Fortsetzung laufender erfolgreicher Programme wie der Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“, dem Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ oder dem Landesprogramm „kinderstark“ wurden und werden auch weitere Programme/Maßnahmen initiiert, um der zunehmenden Verarmung der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen entgegenzuwirken.
Aktionsplan gegen Armut:
Die Landesregierung hat es sich zur langfristigen Aufgabe gemacht, Armut zu verhindern, Härten abzufedern, Wege aus der Armut zu ermöglichen und Benachteiligung und Diskriminierung zu vermeiden. Mit der Konferenz gegen Armut am 14. Dezember 2022 wurde dieser langfristig angelegte Prozess gestartet.
Aktuell wird der Aktionsplan gegen Armut erarbeitet. Thematisch soll der Fokus vor allem im ersten Jahr auf Aspekte der Armutsprävention gelegt werden. Des Weiteren soll die Zusammenarbeit und Unterstützung der kommunalen Ebene bei der Bekämpfung von Armut einen besonderen Stellenwert im Aktionsplan einnehmen, ebenso wie die Einbindung von Betroffenen.
Pakt gegen Kinderarmut:
Kinder und Jugendliche sind mit einer Quote von rund 25 Prozent die armutsgefährdetste Altersgruppe in Nordrhein-Westfalen. Das MKJFGFI hat es sich daher zum Ziel gesetzt, die daraus resultierenden Benachteiligungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Teilhabe systematisch und langfristig zu bekämpfen. Hierfür wird ein „Pakt gegen Kinderarmut“ in enger Abstimmung mit dem „Aktionsplan gegen Armut“ entwickelt. Die Entwicklung des „Pakts gegen Kinderarmut“ findet unter Beteiligung aller relevanten Akteure statt, Kinder und Jugendliche eingeschlossen.
Altersarmut:
Ein wichtiger Ansatzpunkt, um Altersarmut entgegenzuwirken, ist, die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern. Denn Unterbrechungen im Erwerbsleben, bedingt durch die Pflege Angehöriger, dürfen bei den pflegenden Personen selbst nicht zu Altersarmut führen.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat sich daher das Ziel gesetzt, sich beim Bund dafür einzusetzen, dass die häusliche Pflege stärker in der Rente berücksichtigt wird.
Wohnraumförderung:
Das Land Nordrhein-Westfalen hat für die Jahre 2023 bis 2027 ein neues mehrjähriges Wohnraumförderprogramm in der Höhe von insgesamt 9 Milliarden Euro aufgestellt. Allein im Jahr 2023 stehen insgesamt 1,6 Milliarden Euro zur Förderung bezahlbaren Wohnraums zur Verfügung. Mit neuen, attraktiven Konditionen wird im Wege der Wohnraumförderung gefördert, was Wohnungen schafft.