Kleine Anfrage 1849
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD
Was unternimmt die Landesregierung gegen Mobbing am Arbeitsplatz?
Laut einer repräsentativen Umfrage des Vereins Bündnis gegen Cybermobbing ist in Deutschland etwa jede sechste Arbeitnehmerin und jeder sechste Arbeitnehmer Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz1 durch die Kollegen und/oder den Chef (sog. Bossing2). Die Betroffenen, meist Personen in Altersgruppen bis zu 34 Jahren, müssen oftmals unter Folgen wie Depressionen, Angstzuständen und Burn-out leiden. Einige sehen in solch einer Situation die Kündigung ihres Jobs als einzigen Ausweg. Die enormen Schäden, welche durch Mobbing verursacht werden, sind nicht bloß auf den humanen Aspekt beschränkt, sondern bringen auch weitreichende Folgen für Betriebe und damit für die Wirtschaft mit sich. Die Hans-Böckler-Stiftung ging im Jahr 2007 von einem bundesweiten Schaden von schätzungsweise über 20 Milliarden Euro durch Mobbing und dessen Folgen aus.3 Dieser Betrag setzt sich auch aus Kosten zusammen, welche für Heilbehandlungen, Rehabilitationskuren sowie Arbeitslosigkeit und Frühverrentungen entstehen.4
Insbesondere nach der Pandemie und den Folgen der Schutzmaßnahmen sind die Menschen besonders belastet und daher anfälliger für psychischen Missbrauch. Die daraus entstehenden Erkrankungen haben enorme persönliche Auswirkungen auf die Betroffenen, auch deshalb, weil es ein deutliches Defizit bei den zur Verfügung stehenden Therapieplätzen gibt. Zudem muss deutlich sein, wie hoch der durch Mobbing verursachte wirtschaftliche Schaden in Nordrhein-Westfalen wirklich ist. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels muss klar sein, wie treibend Mobbing als Verschleißfaktor beim Humankapital wirklich ist. Angesichts dieser Tatsachen ist ein klares Lagebild zu Mobbing in Nordrhein-Westfalen zwingend notwendig.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Menschen wurden in den vergangenen fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
- Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten fünf Jahren als Folge von Mobbing an einer Depression, Ess- und/oder Schlafstörungen, Burn-out, physischen Schmerzen, Angststörungen etc. erkrankt (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
- Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen haben in den letzten fünf Jahren als Folge von Mobbing ihren Arbeitsplatz gekündigt (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
- Was hat die Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren präventiv und akut gegen Mobbing am Arbeitsplatz getan (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
- Wie hoch bemisst die Landesregierung für die letzten fünf Jahre den durch Mobbing entstandenen wirtschaftlichen Schaden für Nordrhein-Westfalen (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Dr. Martin Vincentz
1 Süddeutsche Zeitung, „Die Hölle, das sind die Kollegen“, 28.03.2023
2 Im weiteren Verlauf wird Mobbing und Bossing zur Vereinfachung unter dem Hyperonym „Mobbing“ zusammengefasst.
3 https:// www .boeckler.de/pdf/mbf_as_mobbi_2007.pdf (Zugriff vom 11.04.2023)
4 Ebd.
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1849 mit Schreiben vom 16. Juni 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung:
Mobbing in der Arbeitswelt ist ein Thema, das viele Beschäftige in allen Branchen betrifft und zu gestörtem Wohlbefinden, Unzufriedenheit, Erkrankungen und sogar Ausscheiden aus dem Arbeitsleben führen kann. Es gibt allerdings keinerlei Verpflichtung, Daten von Mobbing betroffenen Beschäftigten zu melden, zu dokumentieren oder festzuhalten. Auch ist davon auszugehen, dass viele Betroffene aus Angst vor negativen Konsequenzen und Stigmatisierung keine offizielle Meldung machen oder Beschwerde einlegen.
Zudem hat Mobbing im ICD 10 keinen eigenen Diagnoseschlüssel und wird nur indirekt über andere Beanspruchungsfolgen diagnostiziert. Somit ist ein Zurückführen von Krankheitszahlen auf „Mobbing“ nicht möglich.
- Wie viele Menschen wurden in den vergangenen fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten fünf Jahren als Folge von Mobbing an einer Depression, Ess- und/oder Schlafstörungen, Burn-out, physischen Schmerzen, Angststörungen etc. erkrankt (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen haben in den letzten fünf Jahren als Folge von Mobbing ihren Arbeitsplatz gekündigt (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor.
- Was hat die Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren präventiv und akut gegen Mobbing am Arbeitsplatz getan (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Die Arbeitsschutzverwaltung in Nordrhein-Westfalen überwacht u. a. die Arbeitsschutzorganisation in den Betrieben. Dabei werden auch die Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit (inkl. Mobbing) betrachtet. In diesem Zusammenhang wird auch Beschwerden von Mobbingbetroffenen nachgegangen. Das Thema Mobbing oder Bossing in der Arbeitswelt kann eine Vielfalt an Hintergründen aufweisen, in vielen Fällen liegen die Ursachen in einer fehlerhaften Arbeitsorganisation, die „Mobbenden“ überhaupt die Möglichkeit gibt, andere Personen zu schikanieren. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch die Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit (§ 5 ArbSchG) zu betrachten. Damit kann der Betrieb eine gesundheitsorientierte Arbeitsorganisation schaffen, die Mobbing oder Bossing erschwert oder gar nicht erst zulässt.
Neben den Aktivitäten der Arbeitsschutzverwaltung NRW finanziert die Landesregierung seit 2002 die MobbingLine NRW als ein zentrales telefonisches Beratungsangebot rund um das Thema Mobbing am Arbeitsplatz. Dabei bietet sie eine anonyme und persönliche telefonische Beratung durch fachlich geschulte Beraterinnen und Berater aus Krankenkassen, Gewerkschaften und Kirchen. Die MobbingLine NRW leistet Hilfe zur Selbsthilfe und vermittelt bei Bedarf an entsprechende Stellen weiter. Jährlich werden im Rahmen der MobbingLine NRW Betroffene in über 5.000 Fällen informiert und beraten.
- Wie hoch bemisst die Landesregierung für die letzten fünf Jahre den durch Mobbing entstandenen wirtschaftlichen Schaden für Nordrhein-Westfalen (bitte nach Jahreszahl aufschlüsseln)?
Dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor.