Kleine Anfrage 2404
des Abgeordneten Christian Loose AfD
Windwahnland Paderborn – Wo bleibt der „Artenschutz“ für die Bürger?
Das sogenannte Bürgerenergiegesetz soll angeblich die Akzeptanz für einen beschleunigten Windenergieausbau in Nordrhein-Westfalen fördern. Inwieweit die darin festgelegte Abschaffung jeglicher Mindestabstände zu Windindustrieanlagen die Akzeptanz dieser Anlagen fördern soll und kann, wird ewiges Geheimnis der Initiatoren und Befürworter dieses Gesetzes bleiben.
Immobilieneigentümer sind jedenfalls wie Mieter nicht nur von der Verschandelung des Landschaftsbildes durch solche Industrieanlagen betroffen, sondern müssen zusätzlich auch dramatische Wertminderungen ihrer Immobilien hinnehmen. Am stärksten betroffen sind ältere Häuser in ländlichen Gebieten. Hier kann der Wertverlust innerhalb des Ein-Kilometer-Radius sogar 23 Prozent betragen.1
Gerade die Bürger der von Windkraft betroffenen Gebiete lehnen sich gegen den Bau weiterer Windräder auf. So haben in der Ortschaft Schwaney von den rund 2.600 Einwohnern bereits über 400 Personen eine Unterschrift gegen den Bau weiterer Windräder getätigt.2
Insofern wirkt es geradezu grotesk, wenn das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) formuliert: „So können Windenergieanlagen Konflikte mit dem Artenschutz oder dem Natur- und Landschaftsschutz verursachen. Zudem sind viele weitere Aspekte, wie Abstände zu Wohngebäuden, Radaranlagen oder Erdbebenmessstationen, beim Bau von Windrädern zu beachten“ – und dabei mit keinem Wort die Konflikte mit den Bürgern thematisiert.3
Wo diese Konfliktpotentiale liegen, beschreibt das LANUV in seinem Fachbericht 124 in der Fassung vom April 2022 dann sehr wohl: „Auf der Ebene der Kreise liegt Paderborn mit 533 WEA und einer installierten Leistung von gut 1.000 MW landesweit deutlich an der Spitze, der Kreis trägt allein zu mehr als der Hälfte aller Anlagen im Regierungsbezirk Detmold bei. Die beiden Kreise Borken (318 WEA, 559 MW) und Steinfurt (310 WEA, 554 MW) folgen mit bereits deutlicherem Abstand (Abbildung 3).“4
In der überarbeiteten Fassung desselben Fachberichtes vom Mai 2023 (Abschlussbericht) findet sich eine solche Aussage über den Status der Windkraft nicht mehr.
Stattdessen wird ausgerechnet das mit Windindustrieanlagen bereits über jedes Maß hinaus verunstaltete Paderborner Land als weiterhin potentialstark bezeichnet, wenn sich das – groteskerweise eigentlich dem Naturschutz gewidmete LANUV – zu der Feststellung versteigt: „[…] liegen die größten Potenziale vor allem im Hochstift Paderborn und dem östlichen Teil des Sauerlands, im Nordwesten des Münsterlandes sowie im westlichen Teil des Regierungsbezirks Köln.“5
Deshalb frage ich die Landesregierung:
- Warum wird in dem Abschlussbericht vom Mai 2023 der Status quo nicht mehr dargestellt?
- Nachdem sich an der Spitzenstellung des Kreises Paderborn mit der Penetration durch Windindustrieanlagen nichts geändert haben dürfte – wieso werden ausgerechnet dort noch die „größten“ Potentiale definiert?
- Warum befeuert die Landesregierung die vielfach und zu recht beklagte Spaltung der Gesellschaft zusätzlich auf dem Wege, dass sie Grundeigentümer auf der einen Seite zu Profiteuren von Windindustrieanlagen macht, die bis zu sechsstellige Beträge pro Jahr für die Bereitstellung entsprechender Flächen kassieren, während Anwohner auf Jahrzehnte hinweg eine mit Windindustrieanlagen verschandelte Landschaft in Kauf nehmen müssen?
- Warum ignoriert die Landesregierung die durch Unterschriftenlisten belegten Proteste der Bürger im Paderborner Land, die sich nachvollziehbar gegen den weiteren Bau von Windindustrieanlagen wenden?
- Ist es für die Ministerin vorstellbar, 500 Meter entfernt von 260 Meter hohen Windindustrieanlagen zu wohnen?
Christian Loose
1 Vgl. https:// www .rwi-
essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/pressemitteilungen/detail/windraeder-lassen-immobilienpreise-sinken, abgerufen am 10.08.2023.
2 Vgl. Neue Westfälische vom 31.07.2023, Seite PA5, „Dorfbewohner sauer über Windradpläne“.
3 Vgl. https:// www
.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/publikationen/fachberichte?tx_cartproducts_products %5Bproduct%5D=1198&cHash=1cb94cbe61187728d352630d2c107a10
4 Vgl. https:// www .lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/Potenzialstudie-Windenergie-NRW.pdf, Seite 19, abgerufen am 11.08.2023.
5 Vgl. https:// www .energieatlas.nrw.de/site/Media/Default/Dokumente/LANUV-Fachbericht%20142.pdf, Seite 4, abgerufen am 11.08.2023.
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 2404 mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.
- Warum wird in dem Abschlussbericht vom Mai 2023 der Status quo nicht mehr dargestellt?
Die Windpotenzialstudie 2022 (LANUV-Fachbericht 124) und die Flächenanalyse Windenergie 2023 (LANUV-Fachbericht 142) unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Zielsetzung und Ausrichtung. Die Windpotenzialstudie aus dem Jahre 2022 diente der fachlichen Begleitung der landesweiten energiepolitischen Ausbauziele im Rahmen der Energieversorgungsstrategie. Hierfür ist die Betrachtung der bereits installierten Leistung im Land Grundvoraussetzung. Die Flächenanalyse Windenergie hingegen fokussiert vor dem Hintergrund des Wind-an-Land-Gesetzes die überörtliche, räumliche Betrachtung des Flächenpotenzials in Nordrhein-Westfalen, um die
planerische Ableitung der regionalen Flächenziele zur Erreichung der im Windenergieflächen-bedarfsgesetz vorgesehenen Flächenbeitragswerte für Nordrhein-Westfalen im Landesent-wicklungsplan zu begründen. Für diese Betrachtung ist die räumliche Verteilung der Flächenpotenziale in den Planungsregionen relevant und weniger die Betrachtung der bereits installierten Leistung innerhalb der ermittelten Potenzialflächen.
- Nachdem sich an der Spitzenstellung des Kreises Paderborn mit der Penetration durch Windindustrieanlagen nichts geändert haben dürfte – wieso werden ausgerechnet dort noch die „größten“ Potentiale definiert?
Die Flächenanalyse Windenergie ermittelt die räumlichen Potenziale für den Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen, um die planerische Ableitung der regionalen Flächenziele zur Erreichung der im Windenergie-Flächenbedarfsgesetz für Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Flächenbeitragswerte im Landesentwicklungsplan zu begründen. Dies bedeutet auch, dass die Flächenanalyse Windenergie nicht den Charakter detaillierter Standortgutachten hat und dementsprechend keine Analysen auf lokaler Ebene oder projektbezogene Untersuchungen ersetzen kann. Insbesondere die Auswahl konkreter Windenergiebereiche durch die Regionalplanung hat im Rahmen einer umfassenden Abwägung der regionalen Belange zu erfolgen. Dabei werden die Träger der Regionalplanung durch Grundsatz 10.2-9 des aktuellen LEP-Entwurfs aufgefordert, geeignete vorhandene kommunale Flächen im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen und möglichst in die Regionalpläne aufzunehmen, so dass den besonderen Belangen derjenigen Landesteile, in denen auf kommunaler Ebene bereits eine Vielzahl von Flächen für die Windenergie ausgewiesen ist, angemessen Rechnung getragen wird.
- Warum befeuert die Landesregierung die vielfach und zu recht beklagte Spaltung der Gesellschaft zusätzlich auf dem Wege, dass sie Grundeigentümer auf der einen Seite zu Profiteuren von Windindustrieanlagen macht, die bis zu sechsstellige Beträge pro Jahr für die Bereitstellung entsprechender Flächen kassieren, während Anwohner auf Jahrzehnte hinweg eine mit Windindustrieanlagen verschandelte Landschaft in Kauf nehmen müssen?
Die Landesregierung „befeuert“ die behauptete „Spaltung der Gesellschaft“ nicht.
Eine Beteiligung insbesondere der Anwohnerinnen und Anwohner sowie Standort-Gemeinden findet häufig bereits heute auf freiwilliger Basis statt. Dies können Windparks aus Bürgerhand bzw. seitens Bürgerenergiegesellschaften sein, sowie Vorhaben bei denen sich Anwohnerinnen und Anwohner finanziell beteiligen können. Zudem gibt etwa auch der Bundesgesetzgeber mit dem § 6 EEG die Möglichkeit zur finanziellen Beteiligung von Gemeinden, als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger – und somit deren indirekte Beteiligung.
Im Übrigen wird mit einer Einführung eines Bürgerenergiegesetzes für Nordrhein-Westfalen sichergestellt werden, dass eine angemessene Beteiligungsmöglichkeit für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Gemeinden an der Wertschöpfung verpflichtend wird.
- Warum ignoriert die Landesregierung die durch Unterschriftenlisten belegten Proteste der Bürger im Paderborner Land, die sich nachvollziehbar gegen den weiteren Bau von Windindustrieanlagen wenden?
Die Landesregierung ignoriert keine Proteste der Bürgerinnen und Bürger im Paderborner Land. Eingaben werden im Rahmen der rechtlich verankerten, rechtsstaatlichen Planungs-und Genehmigungsverfahren, die anerkannte und geeignete Mittel sind, um jeweilige Interessen, Belange und geschützte Positionen geltend zu machen, behandelt.
- Ist es für die Ministerin vorstellbar, 500 Meter entfernt von 260 Meter hohen Windindustrieanlagen zu wohnen?
Allgemein gilt: Für die Genehmigung von Windenergieanlagen gelten fallspezifisch zu prüfende Vorgaben insbesondere aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und aus dem Baugesetzbuch (BauGB) hinsichtlich der Abstände zur Wohnbebauung. Daher ist die in der Frage genannte Konstellation nach der gültigen Rechtslage in der Regel nicht möglich.