Widerspruchslösung bei Organspenden: Was erwartet Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage
vom 07.08.2024

Kleine Anfrage 4280

des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD

Widerspruchslösung bei Organspenden: Was erwartet Nordrhein-Westfalen?

Für Organspenden gilt in Deutschland bislang noch die Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass der potentielle Spender vor seinem Tod der Organspende ausdrücklich zugestimmt haben muss, beispielsweise indem ein Organspendeausweis ausgefüllt wurde. Liegt keine ausdrückliche Zustimmung vor, können die Angehörigen des Verstorbenen nach dessen Willen gefragt werden. Widersprechen diese der Organspende, besteht kein Recht, dem Menschen postmortal Organe für eine Spende zu entnehmen.1

Die nordrhein-westfälische Landesregierung begrüßt die Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden, welche Ende vergangenen Jahres vom Bundesrat beschlossen wurde. Bei dieser Lösung gilt jeder Bürger, der nicht ausdrücklich widerspricht, als potentieller Organspender. Dies soll die Zahl der Organspenden erhöhen und die Wartezeiten für die 8.500 Menschen in Deutschland verkürzen, die auf ein lebensrettendes Organ warten. Trotz hoher Zustimmungsraten zur Organspende in der Bevölkerung haben nur ein Drittel der Menschen einen Organspendeausweis ausgefüllt. Die Widerspruchslösung wird als Möglichkeit gesehen, das Vertrauen in das Transplantationssystem zu stärken und die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen.2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Menschen in NRW besitzen aktuell einen Organspendeausweis?
  2. Wie hat sich die Anzahl der Organspenden in NRW in den letzten fünf Jahren entwickelt?
  3. Welche Kosten entstehen der Landesregierung durch die Umsetzung der Widerspruchslösung?
  4. Welche Zahlen liegen der Landesregierung zu den aktuellen Wartezeiten für Organtransplantationen in NRW vor?
  5. Welche weiteren zielführenden Maßnahmen setzt die Landesregierung um, um die Bereitschaft zur Organspende weiter zu erhöhen?

Dr. Martin Vincentz

 

MMD18-10235

 

1 https://www.organspende-info.de/organspende/voraussetzungen/

2 https://www.mags.nrw/transplantationsrecht-widerspruchsloesung-kann-leben-retten


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4280 mit Schreiben vom 2. August 2024 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Unter Federführung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wurde am 14. Juni 2024 ein Gesetzesantrag „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes und Einführung der Widerspruchslösung“ in den Bundesrat eingebracht. Dieser Gesetzesantrag wurde vom Bundesrat am 5. Juli 2024 angenommen (für weitere Details wird auf die BR-Drucksache 278/24 (B) verwiesen).

Der Gesetzentwurf des Bundesrates wurde der Bundesregierung zur Stellungnahme nach Ar­tikel 76 Absatz 3 Grundgesetz zugeleitet. In ihrer Stellungnahme begrüßt die Bundesregierung grundsätzlich die Initiative, nimmt jedoch inhaltlich zu dem Gesetzentwurf nicht Stellung (für weitere Details wird auf die BT-Drs. 20/12609 verwiesen).

  1. Wie viele Menschen in NRW besitzen aktuell einen Organspendeausweis?

Es gibt keine Registrierung von Personen in Nordrhein-Westfalen, die einen Organspende-ausweis besitzen.

Organspendeausweise können insbesondere bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf­klärung bestellt oder im Internet heruntergeladen werden. Auch liegen diese an zahlreichen öffentlich zugänglichen Stellen aus, wie zum Beispiel in kommunalen Bürgerbüros, Kranken­häusern, bei Hausärzten, bei den Krankenkassen und beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Zudem werden sie auch von verschiedenen Selbsthilfegruppen (z. B. Netzwerk Organspende Nordrhein-Westfalen e. V.) verteilt.

Bekannt ist jedoch, dass nach einer Repräsentativbefragung „Wissen, Einstellung und Verhal­ten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende“ der Bundeszentrale für ge­sundheitliche Aufklärung im Jahr 2022 deutschlandweit 40 % aller befragten Personen einen Organspendeausweis besitzen (Details siehe: https://www.organspende-info.de/fileadmin/Or-ganspende/05_Mediathek/04_Studien/BZgA_Repraesentativbefragung_Organ-und_Gewe-bespende_2022_bfrei.pdf, S. 28).

  1. Wie hat sich die Anzahl der Organspenden in NRW in den letzten fünf Jahren ent­wickelt?

Die Daten sind öffentlich abrufbar unter:

https://dso.de/DSO-Infografiken/NRW_gespOrg.png

  1. Welche Kosten entstehen der Landesregierung durch die Umsetzung der Wider­spruchslösung?

Sowohl der vom Bundesrat angenommene Gesetzentwurf (BR-Drucksache 278/24 (B)) als auch der interfraktionelle Gruppenantrag mehrerer Bundestagsabgeordneter vom 21. Juni 2024 zu einem Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung sehen keine Kosten für die Landesregierung vor.

  1. Welche Zahlen liegen der Landesregierung zu den aktuellen Wartezeiten für Or­gantransplantationen in NRW vor?

Folgende aktuelle Wartezeiten für Organtransplantationen liegen der Landesregierung Nord­rhein-Westfalen vor :

Organ Durchschnittliche Wartezeit der letzten 10 Jahre
in Tagen in Monaten in Jahren
Herz 466 15 1,3
Niere 1.527 50 4,2
Leber 338 11 0,9
Lunge 221 7 0,6
Bauchspeicheldrüse 743 24 2,0

Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation

  1. Welche weiteren zielführenden Maßnahmen setzt die Landesregierung um, um die Bereitschaft zur Organspende weiter zu erhöhen?

Das Transplantationsgesetz des Bundes (TPG) sieht vor, dass die Bundesbehörden im Rah­men ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Krankenkassen, Hausärztinnen und Hausärzte sowie die nach Landesrecht zuständigen Stel­len über eine Organspende aufklären (§ 2 Absatz 1 und Absatz 1a TPG).

Für Nordrhein-Westfalen ist in § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Transplantati­onsgesetzes geregelt, dass insbesondere folgende Stellen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende zuständig sind:

  1. die Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen,
  2. die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe,
  3. die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe,
  4. die Krankenhäuser sowie
  5. die Transplantationsbeauftragten.

Ergänzend zu diesen Aufklärungen setzt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen insbeson­dere folgende Maßnahmen um, um die Bereitschaft zur Organspende weiter zu erhöhen:

  • Auf der Internetseite des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales gibt es eine eigene Unterseite zur Organspende (https://www.mags.nrw/organspende), auf der zahl­reiche Informationen zur Organspende veröffentlicht sind.
  • Zum Tag der Organspende am 1. Juni veröffentlicht die Landesregierung jährlich eine Pressemitteilung, um für Organspenden zu werben.
  • Ich habe in den vergangenen Jahren zum Tag der Organspende regelmäßig an öffentli­chen Veranstaltungen teilgenommen, um persönlich für das Thema zu werben.
  • Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht im ständigen Austausch mit den Akteuren zur Organspende, beispielsweise mit den Entnahmekrankenhäusern in Nordrhein-Westfalen, mit dem Netzwerk Organspende Nordrhein-Westfalen e. V. und mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation.
  • Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat sowohl zum Entschließungsantrag als auch zur Gesetzesinitiative im Bundesrat über die Einführung der Widerspruchslösung mehrere Pressemitteilungen veröffentlicht (15. Dezember 2023, 4. und 14. Juni 2024 und 5. Juli 2024). In diesem Zusammenhang habe ich am 4. Juni 2024 im Rahmen einer Pressekonferenz auch persönlich für das Thema geworben.
  • Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat ein Projekt „Organspende-Info-terminal“ der Uniklinik Köln und des Netzwerks Organspende Nordrhein-Westfalen e. V. gefördert. Der Automat ermöglicht es, sich über das Thema Organspende zu informie­ren, sich mit der eigenen Position auseinanderzusetzen und am Ende direkt vor Ort ei­nen Organspendeausweis im Scheckkarten-Format auszudrucken.

Auf dem NRW-Tag in Köln am 17. und 18. August 2024 wurden die Bürgerinnen und Bürger an dem Stand des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales auch über das Thema Organspende informiert.

 

MMD18-10483