Kleine Anfrage 4748
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner AfD
Extremistische Bestrebungen und Sicherheitsgefahren unter Migranten aus dem Irak in Nordrhein-Westfalen
Der anhaltende Einfluss des Irans im Irak, insbesondere durch die Unterstützung schiitischer Milizen wie der Volksmobilisierungskräfte (PMF, auch bekannt als Hashd al-Shaabi), stellt eine bedeutende sicherheitspolitische Herausforderung dar. Diese Milizen, die stark vom iranischen Regime finanziell, logistisch und ideologisch unterstützt werden, haben im Irak beträchtliche Macht und Verbindungen aufgebaut und verfolgen neben nationalen auch klar pro-iranische und antiwestliche Interessen. Die PMF und verwandte Milizen agieren als verlängerte Arme des iranischen Regimes und werden wiederholt mit Gewaltakten sowie antiwestlicher und antiisraelischer Propaganda in Verbindung gebracht. Aufgrund dieser engen Vernetzung besteht auch in Europa die Sorge, dass Anhänger und Unterstützer dieser Milizen Einfluss ausüben oder extremistische Ziele fördern könnten. Dies wirft sicherheitsrelevante Fragen hinsichtlich einer möglichen Einflussnahme auf in Deutschland lebende Personen irakischer Herkunft auf, die möglicherweise Verbindungen zu diesen Gruppen oder zur iranischen Führung pflegen.
Angesichts der Rolle des Irans und seiner schiitischen Milizen im Irak stellt sich die Frage, ob unter den seit 2017 in Nordrhein-Westfalen eingereisten irakischen Staatsangehörigen Anhänger oder Unterstützer der Volksmobilisierungskräfte oder verwandter Milizen existieren, die extremistische oder staatsgefährdende Aktivitäten entfalten könnten.
In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung:
- Wie viele Personen irakischer Herkunft sind seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist?
- Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen über extremistische oder staatsgefährdende Aktivitäten von Personen irakischer Herkunft vor, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind und möglicherweise Verbindungen zu iranisch unterstützten Milizen pflegen?
- Welche Informationen liegen der Landesregierung darüber vor, ob unter den Personen aus dem Irak, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind, Kontakte zu den Volksmobilisierungskräften bzw. anderen schiitischen Milizen bestehen, die direkt oder indirekt vom iranischen Regime unterstützt werden?
- Inwiefern hat die Landesregierung Erkenntnisse über die Teilnahme von Personen irakischer Herkunft, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind, an Demonstrationen und Aktionen, bei denen zu Gewalt gegen Israel aufgerufen wurde?
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über mögliche organisierte kriminelle Strukturen unter Personen irakischer Herkunft, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind?
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4748 mit Schreiben vom 24. Januar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und/oder
- gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.
Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a, 234b oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
- Wie viele Personen irakischer Herkunft sind seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist?
Das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Registerbehörde geführte Ausländerzentralregister als maßgebliche Datenbank liefert keine Verlaufszahlen zu Einreisen von Drittstaatsangehörigen. Entsprechend liegen der Landesregierung keine Daten im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen obliegt die Kontrolle aus dem Ausland einreisender Personen der Bundespolizei. Zum Stichtag 30.09.2024 waren in Nordrhein-Westfalen laut Ausländerzentralregister insgesamt 92.049 Personen mit irakischer Staatsangehörigkeit registriert.
- Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen über extremistische oder staatsgefährdende Aktivitäten von Personen irakischer Herkunft vor, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind und möglicherweise Verbindungen zu iranisch unterstützten Milizen pflegen?
Im Rahmen des KPMD-PMK wird die Staatsangehörigkeit ermittelter Tatverdächtiger zum Zeitpunkt der Tatbegehung erfasst. Nicht erfasst werden hingegen die Herkunft und der Einreisezeitpunkt des Tatverdächtigen in die Bundesrepublik Deutschland.
Die Anzahl der Straftaten von Tatverdächtigen mit irakischer Staatsangehörigkeit, die seit dem 01.01.2015 bis zum 15.11.2024 statistisch erfasst wurden, beträgt 169. Dies umfasst auch Tatverdächtige, die vor dem 01.01.2015 eingereist sind oder von Geburt an in Deutschland leben.
In Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 3 Abs. 1 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen beobachtet der Verfassungsschutz Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen, bei denen jedenfalls tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen. Verbindungen von Personen mit irakischem Migrationshintergrund, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind, zu iranisch unterstützten Milizen unterfallen nicht in jedem Fall diesem Beobachtungsauftrag. Voraussetzung einer Beobachtung ist, das – nicht auf sämtliche Akteure innerhalb der Milizen der sogenannten „Volksmobilisierungskräfte“ zutreffende – verfolgen einer islamistischen Agenda. Die sogenannten „Volksmobilisierungskräfte“ stellen ein heterogenes Milizbündnis dar, das sich nicht ausschließlich, aber überwiegend aus schiitischen Akteuren zusammensetzt. Die beteiligten Milizen werden nicht allein durch den Iran gesteuert, sondern unterliegen verschiedenen Einflüssen und ordnen sich unterschiedlichen politischen Fraktionen und religiösen Organisationen zu, die nur in Teilen für den Verfassungsschutz relevant sind.
Zudem erfolgt eine abschließende systematische Erfassung des Einreisezeitpunktes des durch die Fragesteller auch in Bezug genommenen extremistischen Personenpotenzials nicht, so dass eine Beantwortung im Sinne der Fragestellung nicht möglich ist.
- Welche Informationen liegen der Landesregierung darüber vor, ob unter den Personen aus dem Irak, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind, Kontakte zu den Volksmobilisierungskräften bzw. anderen schiitischen Milizen bestehen, die direkt oder indirekt vom iranischen Regime unterstützt werden?
Dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Die in Rede stehenden irakischen Volksmobilisierungskräfte sowie „andere schiitische Milizen“ im Irak finden sich weder auf der EU-Terrorliste noch sind diese vom §129 b StGB (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) oder von Vereins-/Betätigungsverboten in Deutschland umfasst. Eine strukturelle Bearbeitung durch die Polizei NRW erfolgt daher nicht. Im Rahmen der statistischen Erfassung findet kein Monitoring hinsichtlich etwaiger Kontakte oder Netzwerkverbindungen von Personen aus dem Irak, die nach Deutschland eingereist sind, statt.
Ergänzend wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen.
- Inwiefern hat die Landesregierung Erkenntnisse über die Teilnahme von Personen irakischer Herkunft, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind, an Demonstrationen und Aktionen, bei denen zu Gewalt gegen Israel aufgerufen wurde?
Der KPMD-PMK erfasst u. a. politisch motivierte, strafrechtlich relevante Sachverhalte, die bei Demonstrationen oder Versammlungen begangen und polizeilich bekannt werden. Eine Erfassung von Personendaten bei bloßer Teilnahme an o. g. Veranstaltungen ohne selbst tatverdächtig zu sein, findet nicht statt.
Ergänzend wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen.
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über mögliche organisierte kriminelle Strukturen unter Personen irakischer Herkunft, die seit 2015 nach Nordrhein-Westfalen eingereist sind?
Im Zusammenhang mit der Erstellung des jährlichen Lagebildes „Organisierte Kriminalität Nordrhein-Westfalen“ wird der Einreisezeitpunkt ausländischer tatverdächtiger Personen bei Personen aus Drittstaaten, die zum Zeitpunkt der Erfassung Asylbewerbende, Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge oder Personen mit einer Duldung sowie unerlaubten Aufenthalts sind, erhoben.
Erkenntnisse zu irakisch dominierten Gruppierungen der Organisierten Kriminalität, denen tatverdächtige Personen mit irakischer Staatsangehörigkeit zugeordnet werden, die zum Zeitpunkt der Erfassung Asylbewerbende, Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge oder Personen mit einer Duldung sowie unerlaubten Aufenthalts waren und die seit 2015 nach Deutschland eingereist sind, liegen nicht vor.