Kleine Anfrage 5091
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD
Tödliche Gefahr im Zahnarztstuhl: Wie sicher sind zahnärztliche Narkosebehandlungen in Nordrhein-Westfalen?
Zahnärztliche Behandlungen, die unter Vollnarkose durchgeführt werden, stellen eine wichtige Option für Patienten dar, die aufgrund extremer Angststörungen oder schwerwiegender Eingriffe eine umfassende Schmerzausschaltung benötigen. Die Vollnarkose ist ein komplexer medizinischer Eingriff, der eine kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen des Patienten sowie die unmittelbare Verfügbarkeit von Notfallmaßnahmen erfordert. Anästhesisten müssen qualifiziert sein und die Räumlichkeiten entsprechend ausgerüstet werden, um gesundheitliche Risiken so gering wie möglich zu halten.
Gesundheitspolitisch ist es von großer Bedeutung, dass in Zahnarztpraxen strenge Sicherheits- und Hygienestandards eingehalten werden. In Nordrhein-Westfalen werden diese Standards von den Aufsichtsbehörden in Zusammenarbeit mit den Zahnärztekammern überwacht. In jüngster Zeit hat ein Fall in Baden-Württemberg, bei dem eine Patientin nach einer zahnärztlichen Narkosebehandlung verstarb,1 landesweite Aufmerksamkeit erregt. Der Vorfall brachte erhebliche Sicherheitslücken ans Licht, insbesondere in Bezug auf die medizinische Überwachung und das Einhalten von Notfallprotokollen. Obwohl sich der Vorfall in einem anderen Bundesland ereignete, stellt sich auch für NRW die Frage, inwiefern die hiesigen Vorschriften und Kontrollen ausreichend sind, um Patienten zu schützen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Fälle von schweren Komplikationen oder Todesfällen im Zusammenhang mit zahnärztlichen Behandlungen unter Vollnarkose in NRW sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren bekannt?
- Welche Maßnahmen zur Stärkung der Patientensicherheit bei zahnärztlichen Eingriffen unter Vollnarkose plant oder ergreift die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Zahnärztekammern?
- Inwiefern sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um die Schulung und Qualifikation der bei solchen Eingriffen eingesetzten Anästhesisten zu überprüfen oder zu verbessern?
- Wie viele Fälle von schweren Komplikationen oder Todesfällen bei ambulant durchgeführten Vollnarkosen, die außerhalb der Zahnmedizin stattfinden, sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren bekannt, und welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Patientensicherheit in diesem Bereich zu gewährleisten?
Dr. Martin Vincentz
1 https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/narkose-zahnarzt-100.html Datum des Originals: 12.02.2025/Ausgegeben: 14.02.2025
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 5091 mit Schreiben vom 19. März 2025 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele Fälle von schweren Komplikationen oder Todesfällen im Zusammenhang mit zahnärztlichen Behandlungen unter Vollnarkose in NRW sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren bekannt?
Der Landesregierung liegen zu der Frage keine eigenen Zahlen vor. Infolgedessen wurden die Zahnärztekammern in den Kammergebieten Nordrhein und Westfalen-Lippe befragt. Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe meldet in dem genannten Zeitraum keinen bestätigten Fall. Der Zahnärztekammer Nordrhein ist durch mediale Berichterstattung ein bestätigter Todesfall zur Kenntnis gelangt.
- Welche Maßnahmen zur Stärkung der Patientensicherheit bei zahnärztlichen Eingriffen unter Vollnarkose plant oder ergreift die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Zahnärztekammern?
Aufgrund der den Zahnärztekammern bekannten sehr geringen Fallzahl besteht von Seiten der Landesregierung bisher keine Veranlassung, Maßnahmen zur Stärkung der Patientensicherheit bei zahnärztlichen Eingriffen unter Vollnarkose zu ergreifen. Mit Blick auf bestehende aufsichtsrechtliche Befugnisse beobachtet die Landesregierung die Entwicklung dessen ungeachtet.
- Inwiefern sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um die Schulung und Qualifikation der bei solchen Eingriffen eingesetzten Anästhesisten zu überprüfen oder zu verbessern?
Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesie durchlaufen eine umfangreiche und anspruchsvolle Aus- und Weiterbildung. Nach dem sechsjährigen Medizinstudium absolvieren sie eine mindestens fünfjährige fachärztliche Weiterbildung, die mit der Facharztprüfung abschließt. Ein eigener Kompetenzblock im Rahmen dieser Weiterbildung ist die „Anästhesie bei Operationen im Kopf-Hals-Bereich“ (Weiterbildungsordnung 2020).
Darüber hinaus sind alle Ärztinnen und Ärzte gesetzlich und berufsrechtlich zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet. Es existiert ein „Qualitätsstandard für die Durchführung ambulanter Narkosen in zahnärztlichen Praxen“, der von der Bundeszahnärztekammer mit dem „Interdisziplinären Arbeitskreis für Zahnärztliche Anästhesie“, einer Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), erarbeitet und herausgegeben wurde.
Von daher sind Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesie durch ihre fundierte Ausbildung und die kontinuierliche Fortbildungsverpflichtung bereits sehr gut qualifiziert. Es liegen bisher keine Hinweise zu einer erhöhten Komplikationsrate bei ambulant tätigen Anästhesistinnen und Anästhesisten oder Hinweise auf ein strukturelles Problem in der Aus- und Weiterbildung vor.
- Wie viele Fälle von schweren Komplikationen oder Todesfällen bei ambulant durchgeführten Vollnarkosen, die außerhalb der Zahnmedizin stattfinden, sind der Landesregierung in den letzten fünf Jahren bekannt, und welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Patientensicherheit in diesem Bereich zu gewährleisten?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor. Auch die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe führen keine standardmäßigen Register zu Fällen von schweren Komplikationen oder Todesfällen im Zusammenhang mit ambulanten Anästhesien.
Der Landesregierung sind im genannten Zeitraum von den Ärztekammern keine Hinweise auf Todesfälle oder einer erhöhten Komplikationsrate bei ambulant tätigen Fachärztinnen und Fachärzten für Anästhesie zur Kenntnis gelangt.
Zur Überprüfung ärztlicher Behandlungen haben die Ärztekammern unabhängige Gutachter-kommissionen eingerichtet.
Diese ermöglichen den Verfahrensbeteiligten, ärztliche Behandlungen auf mögliche Behandlungsfehler hin überprüfen zu lassen. Ziel des Verfahrens ist es, durch eine neutrale medizinische und rechtliche Einschätzung zu einer außergerichtlichen Klärung von Vorwürfen fehlerhafter Behandlungen und damit verbundenen Schadensersatzforderungen beizutragen.
Vor diesem Hintergrund plant die Landesregierung keine zusätzlichen Maßnahmen.