Antrag
der Fraktion der AfD
Tickende Zeitbombe Sozialversicherung – Nordrhein-Westfalen muss endlich reagieren
I. Ausgangslage
„Die Gesundheitskatastrophe, die jetzt auf die Deutschen zukommt“1, „Gesetzliche Krankenkassen verzeichnen Milliardendefizit“2, „Krankenkassenbeiträge: Weiterer Erhöhungshammer steht bevor – „Sturm rollt auf uns zu“3 – hierbei handelt es sich um die dominierende Presseberichterstattung der vergangenen Tage bzw. Wochen. Das Defizit der Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betrug im vergangenen Jahr insgesamt rund 6,2 Milliarden Euro. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium mit dem vorläufigen Finanzergebnis für 2024 mit. Für den Bürger bedeutet dies in der Konsequenz steigende Beiträge.
Die finanzielle Schieflage der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland resultiert aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren und Fehlentscheidungen. Zum einen liegt dem Umstand der demografische Wandel zugrunde. Aufgrund der alternden deutschen Bevölkerung steigt der Anteil der Personen in der Gesellschaft, welche auf intensivere medizinische Betreuung angewiesen sind, was die Ausgaben der Krankenkassen erhöht. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung prognostizierte bereits 2019 einen Anstieg der GKV-Ausgaben bis 2040 auf rund 426 Milliarden Euro.4 Jedoch wurde seitens der Politik versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Darüber hinaus fungiert auch der medizinische Fortschritt als Kostentreiber, indem sich neue und verbesserte Behandlungsmethoden und Medikamente als sehr kostenintensiv darstellen. Diese Innovationen führen zwar zu einer besseren Gesundheitsversorgung, jedoch auch zu steigenden Ausgaben für die Krankenkassen.
Auch unzureichende Bundeszuschüsse stellen sich als ein nicht unerheblicher Faktor heraus. Die Pauschalzahlungen des Bundes für bestimmte Versichertengruppen, wie Bürgergeld-Bezieher, decken nicht die tatsächlichen Kosten. Dies führt zu jährlichen Mehrbelastungen von rund neun Milliarden Euro für die Krankenkassen. Das System der Pauschalzahlungen orientiert sich nicht am tatsächlichen Kostenfaktor und bedarf einer vollumfänglichen Anpassung auf Bundesebene.
Dies sind nur einige der Faktoren, welche zu finanziellen Engpässen bei den Krankenkassen führen, was letztlich die Versicherten durch höhere Beiträge oder eingeschränkte Leistungen belastet, denn die Krankenkassen können, wenn finanzielle Engpässe entstehen, ihren Zusatzbeitrag anpassen. Das bedeutet für Versicherte höhere monatliche Kosten und gesteigerte Kostenfaktoren in Form von Zuzahlungen für Medikamente, Krankenhausaufenthalte oder bestimmte Behandlungen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, weniger freiwillige Zusatzleistungen anzubieten: Viele Krankenkassen bieten über das gesetzliche Maß hinaus freiwillige Leistungen wie alternative Heilmethoden oder erweiterte Zahnbehandlungen an, welche bei finanziellen Problemen gestrichen oder eingeschränkt werden. Patienten müssen unter Umständen auch länger auf Bewilligungen für teure Behandlungen oder Hilfsmittel warten. Im Zuge von Budgetkürzungen könnten Ärzte weniger Geld für bestimmte Behandlungen erhalten. Das kann dazu führen, dass sie weniger Patienten aufnehmen oder lange Wartezeiten entstehen. Diese und weitere Faktoren hätten in einem Land, welches sich ohnehin in einem Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel und Unterfinanzierung im Gesundheitswesen befindet, gravierenden Einfluss auf die Qualität und Quantität der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.
Zwar haben die Bundesländer nur einen begrenzten Einfluss auf die Finanzlage der Krankenkassen, da die gesetzliche Krankenversicherung bundesweit geregelt wird. Dennoch sollte Nordrhein-Westfalen Maßnahmen ergreifen, um die Situation für seine Bürger zu verbessern und das Gesundheitssystem zu stabilisieren. Im bevölkerungsreichsten Bundesland muss hier proaktiv gegengesteuert werden, um eine stabile, wohnortnahe und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- einen Landesfonds zur gezielten Unterstützung regionaler Gesundheitsprojekte, insbesondere für Hausarztpraxen und ambulante Versorgungseinrichtungen in unterversorgten Gebieten einzusetzen;
- die Versicherten bei steigenden Krankenkassenbeiträgen zu entlasten, indem die Einführung eines Landeszuschusses für einkommensschwache Haushalte, um drastische Beitragserhöhungen sozial abzufangen geprüft wird;
- Modellprojekten zur Verbesserung der Gesundheitsprävention zu initiieren, um langfristig die Kosten für Krankenkassen und Versicherte zu senken;
- mittels Bundesratsinitiative auf Bundesebene für eine gerechtere Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere durch höhere Bundeszuschüsse für gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu werben (z. B. Bürgergeld-Bezieher, Rentner) um eine nachhaltige Finanzierungsstruktur zu erreichen;
- eine Verbesserung der Transparenz und Zusammenarbeit mit Krankenkassen herbeizuführen, und zwar durch die Einrichtung eines landesweiten Gremiums zur regelmäßigen Analyse der Krankenkassenfinanzen und zur frühzeitigen Lokalisierung von Engpässen, sowie durch eine Kooperation zwischen Landesregierung, Krankenkassen und medizinischen Fachverbänden zur Entwicklung von Lösungen zur nachhaltigen finanziellen Stabilisierung des Gesundheitssystems;
- im Rahmen einer Gesundheitsministerkonferenz dringend auf eine überfällige Reform des deutschen Gesundheitssystems hinzuwirken, bei der Bürokratie und Doppelstrukturen abgebaut, die Verwaltung verschlankt sowie Ausgaben für sachfremde Leistungen zumindest reduziert und Ausgaben für nicht wissenschaftlich erwiesen wirksame Heilmaßnahmen gestrichen werden.
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
2 https://www.zeit.de/gesundheit/2025-03/krankenkassen-defizit-gesundheitssystem-beitraege-lauter-bach