Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ehemaliger Lehrer und Schulleiter weiß ich ja, dass Politiker in dem Bestreben, den Eltern populistisch entgegenzukommen, ihnen alles Mögliche für die Schullaufbahn ihrer Kinder versprechen.
Und so war seinerzeit die Einführung des Faches Englisch wohl der Vorstellung geschuldet, dass durch eine frühe Kontaktaufnahme der Kinder mit dieser Fremdsprache besondere Kenntnisse erworben werden und dazu noch so etwas wie internationaler Flair Einzug halten soll in die Schulstuben der Kleinen.
Aber was alle diese Vielfaltspolitiker vergessen: Leipziger Allerlei mag für den Magen bekömmlich sein, die Aufnahme von Wissen und Erkenntnissen in unseren grauen Zellen braucht eher die Konzentration auf das Wesentliche und die intensive Beschäftigung mit diesem Wesentlichen und eben nicht das Allerlei.
Zum Wesentlichen gehören die deutsche Sprache und mathematische Kenntnisse. Die Sprache ist das Mittel, das Organon, das wir brauchen, um unsere Welt bewusst wahrzunehmen, diese zu ordnen, zu strukturieren und zu kategorisieren. Der Umfang des Wortschatzes und die Beherrschung grammatikalischer Regeln und Finessen sind verantwortlich für den Grad der Differenzierung von Wirklichkeitsauffassung und Ausdrucksfähigkeit.
Immer mehr ist zu beobachten, dass die Schüler und Schülerinnen große sprachliche Defizite vorweisen. Wortarten werden nicht identifiziert, Satzgrenzen nicht erkannt, Hypotaxe nicht beherrscht, und der Umfang des Wortschatzes ist eher gering. Die Erfassung von Sachverhalten, wie sie am Gymnasium behandelt werden, und der Erkenntnisgewinn werden durch diese Mängel erschwert. Fragen Sie einmal Geschichtslehrer, die in einer sechsten Klasse unterrichten, wie schwer sich mittlerweile die Schülerinnen und Schüler tun, einfache Lehrbuchtexte zu erfassen. Die Intensivierung des Sprachunterrichts im Fach Deutsch ist deshalb dringend geboten.
Besonders geboten ist sie auch durch die Tatsache, dass wir immer mehr Kinder aus Migrantenfamilien haben, die in ihren Elternhäusern in ihrer Muttersprache kommunizieren und der deutschen Sprache aus diesem Grund weniger mächtig sind. Deshalb ist ein intensiver Unterricht unbedingt notwendig, um die aus diesen sprachlichen Mängeln resultierenden Nachteile zu vermeiden. Daraus folgt zwingend, das Lernen einer zweiten Fremdsprache auf das fünfte Schuljahr zu verlegen.
Man sollte dies aber auch noch aus anderen Gründen tun:
Zum einen gibt es Interferenzen zwischen Deutsch und Englisch, die das vertiefte Erlernen der deutschen Sprache sehr erschweren, vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund.
Zum Zweiten mangelt es deutlich an Effizienz. Die Lehrkräfte der weiterführenden Schulen bemängeln die große Unterschiedlichkeit der Kenntnisse im Fach Englisch, wenn die Grundschulkinder auf die weiterführende Schule wechseln, sodass sie in ihrem Unterricht im Grund wieder von vorne anfangen müssen. Dazu fehlt den Schülerinnen und Schülern oftmals die Motivation, denn sie glauben natürlich, sie können bereits Englisch. Letzteres ist leider nicht der Fall.
Die unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden in den Grundschulen, die verschiedenen Formen der Fehlerkorrektur, die unterschiedliche Handhabung der Schreibung, schließlich die Heterogenität der Lerngruppen in den Grundschulen, die nicht ohne Weiteres einen in sich geschlossenen Lernzuwachs erlauben, all das führt zu einem chaotischen Kenntnisstand bei den Grundschülern, der weder den Kindern noch dem Unterricht in den aufnehmenden Klassen der weiterführenden Schulen nutzen.
Im Gegenteil, die Kinder, welche glauben, Englisch zu können, erfahren die ersten Frustrationen beim Anfangsunterricht in den weiterführenden Schulen. Die Englischlehrer der weiterführenden Schulen können nicht mehr auf die hohe Motivation von Lernanfängern aufbauen. Die Ineffizienz des fremdsprachlichen Frühbeginns belegt auch die Studie „Ganz In – Mit Ganztag mehr Zukunft. Das neue Ganztagsgym-nasium NRW“ von Jäkel, die 2017 erschienen ist.
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass Kinder, die in der ersten Klasse mit dem Englischunterricht beginnen, sieben Jahre später schlechter in diesem Fach sind als Kinder, die erst in der dritten Klasse in die Fremdsprache einsteigen. Baden-Württemberg hat bereits daraus Konsequenzen gezogen, wenn auch nur halbherzig, hat den Englischunterricht von der ersten in die dritte Klasse verlegt.
Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Mitglieder der CDU-Fraktion hier im Landtag NRW nicht weniger klug sind als ihre Kollegen im Landtag von Baden-Württemberg, und erwarte deswegen, dass sie wenigstens an dieser Stelle uns zustimmen, auch wenn es ihnen möglicherweise schwerfällt. Ich kann sie ja vielleicht noch durch das Zitat von Friedrich Nietzsche etwas befeuern in ihren Entscheidungszweifeln. Nietzsche sagte einmal: „Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird.“ – Vielen Dank.