Adipositasprävalenz durch verfehlte Coronapolitik – Maßnahmen entwickeln, um Kin­der und Jugendliche vor den Folgen des Lockdowns zu schützen

Antrag
vom 08.06.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 08.06.2021

 

Adipositasprävalenz durch verfehlte Coronapolitik Maßnahmen entwickeln, um Kin­der und Jugendliche vor den Folgen des Lockdowns zu schützen

I. Ausgangslage

Wenn das Körpergewicht bei einer gegebenen Körpergröße über das medizinisch definierte Normalmaß hinausgeht, spricht man von Übergewicht. Starkes Übergewicht wird auch als Adi-positas bezeichnet und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenständige Krank­heit eingestuft.1

Adipositas ist definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körper­fetts mit häufig krankhaften Auswirkungen. Als Berechnungsmaßstab für die Gewichtsklassifi­kation gilt der Köpermasseindex, der sogenannte Body Mass Index (BMI). Nach dem Klassifi­kationsschema der WHO ist ein Erwachsener mit einem BMI von weniger als 18,5 kg/m2 un­tergewichtig. Ein BMI zwischen 18,5 und weniger als 25 kg/m2 wird als Normalgewicht, ein BMI von 25 bis unter 30 kg/m2 als Übergewicht und ein BMI von 30 kg/m2 und mehr als Adi-positas definiert.

Zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) in Deutschland sind übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen (23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen) ist stark übergewichtig (adipös).2

Zusätzlich sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig oder adipös.3 Das ist eine besonders verheerende Entwicklung; denn je älter das Kind wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zustand im Erwachsenenalter bestehen bleibt, inklusive aller gesundheitlichen Einschränkungen, die mit dem Übergewicht einherge­hen. Es können jedoch bereits im Kindesalter verschiedene Erkrankungen, wie Herz-Kreis­lauferkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme oder Depressionen, auftreten.

Neben den gesundheitlichen Folgen der Adipositas müssen die Betroffenen auch mit der so­zialen Ablehnung innerhalb der Gesellschaft leben. Kinder und Jugendliche haben oft keine Hemmungen, andere zu hänseln oder zu verspotten. Aber auch Eltern und Lehrer stehen Übergewicht häufig kritisch gegenüber und neigen zu Vorurteilen. Nicht selten werten sich übergewichtige Kinder auch selbst ab. Stress, Ängste und Depressionen sind mögliche Fol-gen.4

Laut einer Umfrage des Else Kröner- Fresenius- Zentrums für Ernährungsmedizin (EKFZ) hat sich diese Situation im Zuge der Coronapandemie noch einmal grundlegend verschärft. Rund 40 Prozent der Befragten haben im Verlaufe der Coronamaßnahmen an Gewicht zugelegt, ihren BMI demnach erhöht, im Durchschnitt um 5,6 Kilogramm. Zudem bewegt sich etwas mehr als die Hälfte der Befragten weniger als sonst üblich. Ursächlich für diese Entwicklung sind hauptsächlich die politischen Maßnahmen, welche zu sämtlichen Schließungen von Sportvereinen, Fitnessstudios etc. führten. Je höher der Body-Mass-Index (BMI), desto öfter gaben die Teilnehmer an, seit Corona zugenommen zu haben. „Corona befeuert damit die Adipositas-Pandemie“, erklärte EKFZ-Leiter Hans Hauner.5 Insbesondere Kinder und Jugend­liche sind und waren überdurchschnittlich stark von diesen Maßnahmen betroffen; Sportange­bote wurden gestrichen, Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt. Der Aufenthalt im Freien wurde ebenfalls beschränkt, die Wege zur Schule, zum Sportverein etc. entfielen lange Zeit hindurch. Zudem kamen neue Herausforderungen wie das Home-Schooling, oft parallel zum Home-Office der Eltern, dazu. Hier waren familiärer Stress und emotionale Ausnahmesituationen vo­rauszusehen.

Die aktuelle Lage begünstigt jedoch nicht nur die Entwicklung von Übergewicht, sondern be­günstigt auch einen schweren Verlauf von COVID-19. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktu­elle amerikanische Studie, die in „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht wurde. Der Bericht basierte auf 50 schwerwiegenden Fällen von COVID-19 bei Kindern, die deswegen in einem New Yor­ker Krankenhaus aufgenommen wurden. Elf der 50 Kinder (22 Prozent) waren fettleibig, ebenso wie sechs der neun Kinder, die ein Beatmungsgerät benötigten.6 „Adipositas ist einer der Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe bei COVID-19“, erläuterte Hans Hauner, der Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU Mün-chen.7

COVID-19 wird sich in der Europäischen Region der WHO negativ auf die Adipositasraten von Kindern auswirken. Schulschließungen und Lockdowns haben Einfluss auf den Zugang zu Schulmahlzeiten und auf die Möglichkeiten zu körperlicher Betätigung und verschärfen damit Ungleichheiten. Strategien zur Prävention von Adipositas im Kindesalter sollten daher auch während der Pandemie weiterhin eine Priorität behalten, heißt es in einer Pressemitteilung der WHO angesichts der alarmierend hohen Adipositasraten unter Kindern.

Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten politische Handlungsempfehlungen zu entwi­ckeln um diesen gefährlichen Trend aufzuhalten.

II. Der Landtag stellt fest, dass

  1. Übergewicht ein Problem gesellschaftlicher Tragweite ist.
  2. die Bekämpfung und Prävention Aufgabe einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik ist.
  3. Vor dem aktuellen Hintergrund der Corona Politik die bereits bestehenden Maßnahmen nicht mehr ausreichen und neue Präventionsmaßnahmen geschaffen werden müssen.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. eine valide Datenbasis zu erstellen um Übergewicht und Adipositasraten in Nordrhein-Westfalen analysieren und auswerten zu können;
  2. eine gesunde, vollwertige, regionale und saisonale Mittagsversorgung in allen nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen und Schulen zu gewährleisten, darüber hinaus einen kostenfreien Zugang zu Trinkwasser zu ermöglichen und den Verkauf stark gezu­ckerter Produkte in den jeweiligen Einrichtungen zu untersagen respektive einzuschrän­ken;
  3. Beratungs- und Therapieangebote zu schaffen, um betroffene Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Eltern zu beraten und zu betreuen;
  4. die Bewegungsförderung in Kindertageseinrichtungen und Schulen weiter auszubauen und entsprechende Projekte zu fördern;
  5. Ernährungsunterricht an den Schulen unabhängig von wirtschaftlichem Interesse anzu­bieten um somit wertvolle Präventionsarbeit sicherzustellen.
  6. alle Akteure aus Sport, Bildung, Erziehung und medizinsicher Prävention zu einem Post-Coronagipfel zu laden und gemeinsam einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln um der Entwicklung entgegen zu wirken.

Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 World Health Organization (2000) Obesity: preventing and managing the global epidemic. World Health Organization. Technical Report Series 894

2https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Uebergewicht_Adiposi-tas/Uebergewicht_Adipositas_node.html;jsessionid=7C69B350E8F4DFBD8B244EFF69C4574F.inter-net051

3 Adipositasrelevante Einflussfaktoren im Kindesalter – Aufbau eines bevölkerungs­weiten Monitorings in Deutschland – Concepts & Methods – JoHM 2/2017

4 https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/uebergewicht-fettsuchtadipositas/auswirkungen/

5 https://www.welt.de/vermischtes/article231540209/Studie-Viele-Deutsche-haben-in-der-Corona-Krise-deutlich-zugenommen.html

6 https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/starkes-uebergewicht-erhoeht-moeglicherweise-das-risiko-fuer-einen-schweren-verlauf-von-covid-19/

7 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/117486/Corona-beguenstigt-Gewichtszunahme-sozial-schwa-cher-Kinder

8 https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2021/high-rates-of-childhood-o-besity-alarm ing-given-anticipated-impact-of-covid-19-pandemic