Ahaus: Jugendbande terrorisiert münsterländische Kleinstadt – Wie ist die Lage?

Kleine Anfrage
vom 21.05.2024

Kleine Anfrage 3856

der Abgeordneten Christian Loose und Markus Wagner AfD

Ahaus: Jugendbande terrorisiert münsterländische Kleinstadt Wie ist die Lage?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Seit mehreren Monaten versetzt eine „kriminelle Jugendbande“ die münsterländische Klein­stadt Ahaus in Angst und Schrecken.1 Nach Angaben der zuständigen Kreispolizeibehörde Borken besteht die Bande aus insgesamt 23 Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-grund im Alter von 9 bis 17 Jahren und agiert vor allem im Innenstadtbereich, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus.2

„Ein noch Elfjähriger, der bald zwölf Jahre alt wird, wird von uns als Haupttäter angesehen“, gibt der Polizeisprecher an. Allein ihm ordnet die Kreispolizeibehörde 50 Straftaten zu.3 Die Liste der Tatvorwürfe gegen die Gruppierung ist lang, u. a. Bedrohungen von Mitschülern, Schlägereien, Nachstellungen, Erpressung mit Filmmaterial, Erniedrigung, Sachbeschädi­gung, Ruhestörung und Hausfriedensbruch. Sogar Einbrüche und Drogenhandel werden der Gruppe zugeschrieben.

Vor allem jüngere Bandenmitglieder werden wegen ihrer Strafunmündigkeit vorgeschickt.4 Beispielsweise berichten besorgte Eltern, wie die Gruppe ihr Kind umzingelte, es zu Boden drückte und schlug, während sie die Tat filmten. Die Eltern bezeichnen die entstandenen Auf­nahmen als demütigend.5 Zahlreiche Einwohner der Stadt Ahaus leben in Furcht vor den Kin­dern und Jugendlichen. Einzelne Bürger schildern, dass sie lieber die Straßenseite wechseln würden, wenn sie auf die Bande stoßen.6

Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3856 mit Schreiben vom 18. Juni 2024 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleich­stellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Schule und Bildung namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen? (Bitte nach Tathergang, Straf­tatbeständen sowie Tatverdächtigen aufschlüsseln und Vorstrafen der Tatver­dächtigen sowie sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Münster hat mir unter dem 29. Mai 2024 im Wesentlichen berichtet, die Kreispolizeibehörde Borken habe der Staatsanwaltschaft eine Übersicht über insgesamt 88 Verfahren und Vorfälle im Sachzusammenhang mit den in der Kleinen Anfrage thematisierten Vorgängen übersandt. Die Polizei habe für den Zeitraum vom 10. April 2023 bis zum 8. Mai 2024 insgesamt 88 Verfahren im Sachzusammenhang identifiziert, die sich gegen 22 Personen im kindlichen und jugendlichen Alter zwischen neun und siebzehn Jah­ren richteten.

Von durch die Polizei ermittelten Verfahren sind acht der Staatsanwaltschaft noch nicht über­mittelt worden. Die Ermittlungen erfolgen durch die bei der Kreispolizeibehörde Borken für die Ermittlung gegen die identifizierte Gruppe eingerichtete Ermittlungskommission „Schloss“.

Ausweislich einer dem vorgenannten Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Münster beigefügten Auflistung richten sich von den 88 Verfahren 64 Verfahren gegen Einzeltäter, fünfzehn Verfahren gegen zwei Beschuldigte und neun Verfahren gegen mehr als zwei Be­schuldigte. Gegenstand der Verfahren sind neben Beleidigungen und Bedrohungen im We­sentlichen Gewalt- und Eigentumsdelikte.

Eine darüber hinausgehende Darstellung der konkreten Tatvorwürfe, der angefragten Tat­hergänge und der Anzahl der den Verfahren jeweils konkret zugrunde liegenden Taten hätte, so der Leitende Oberstaatsanwalt in Münster in dem vorgenannten Bericht, eine Beiziehung und Auswertung aller genannten Verfahrensakten erfordert. Dies sei in der für die Beantwor­tung zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit vertretbarem Aufwand möglich.

  1. Welches Alter haben die für die in Frage 1 abgefragten Vorfälle verantwortlichen Tatverdächtigen?

Ausweislich der dem vorgenannten Bericht beigefügten Tabelle waren von den 22 tatver­dächtigen Personen am 1. Juni 2024 jeweils eine Person neun, zehn, elf und siebzehn Jahre, sechs Personen zwölf Jahre, fünf Personen dreizehn Jahre, drei Personen vierzehn und jeweils zwei Personen fünfzehn und sechzehn Jahre alt.

  1. Welche Nationalität haben die für die in Frage 1 abgefragten Vorfälle verantwort­lichen Tatverdächtigen? (Bitte Vorname und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei ei­nem deutschen Tatverdächtigen nennen sowie angeben, seit wann die Tatver­dächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind.)

Ausweislich der dem vorgenannten Bericht beigefügten Tabelle haben von den 22 tatver­dächtigen Personen zwölf ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Vier weitere Per­sonen haben daneben eine weitere Staatsbürgerschaft und zwar in zwei Fällen die türkische, in einem Fall die kosovarische und in einem Fall die libanesische. Darüber hinaus haben zwei weitere Personen die libanesische und jeweils eine Person die aserbaidschanische, die serbische, die syrische und die ukrainische Staatsbürgerschaft.

Von Angaben zu den Vornamen der vorgenannten Personen wird unter Abwägung des par­lamentarischen Informationsinteresses mit deren allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Unschuldsvermutung sowie zum Schutz der kindlichen und jugendlichen Tatverdächtigen vorliegend abgesehen. Wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Verfahren wären die genannten Personen bei Nen­nung der Vornamen identifizierbar bzw. würde die Gefahr der Identifizierbarkeit erheblich er­höht. Dem parlamentarischen Informationsinteresse, das nicht der konkreten Strafverfolgung einzelner Personen gilt, sondern der Regierungskontrolle und Gesetzgebung dient, wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand entsprochen.

Weitergehende Daten im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Bin­nen der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehen Zeit können die Daten nicht erhoben werden, da hierzu umfassende Abfragen bei nachgeordneten Behörden erfor­derlich sind.

  1. Welche Hinweise gibt es, dass die verdächtigen Kinder und Jugendlichen in di­rektem Kontakt mit der Organisierten Kriminalität respektive der Clan Kriminali­tät stehen?

Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen liegen Hinweise im Sinne der Fragestellung nicht vor.

  1. Welche konkreten Maßnahmen planen staatliche Stellen in Ahaus, insbesondere das zuständige Jugendamt, das Ordnungsamt, die Polizei, das städtische Ju­gendwerk, die zuständigen Schulleitungen, die Schulsozialarbeit, die Jugendge­richtshilfe oder sonstige Stellen, um weiteren Vorfällen, welche ausgehend von den verdächtigen Kindern und Jugendlichen drohen, vorzubeugen?

Durch die Ermittlungskommission „Schloss“ wurden Treffpunkte von Jugendlichen lokalisiert, die im Rahmen eines Präsenzkonzeptes regelmäßig bestreift werden. Hierdurch soll einer­seits das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und insbesondere von Kindern und Jugendli­chen erhöht und andererseits potentielle Täterinnen und Täter in den Fokus der Polizei ge­rückt werden.

Der Kontakt und der Austausch mit dem Jugendamt der Stadt Ahaus sowie den Schulleitun­gen der betroffenen Schulen wurde nach Bekanntwerden der Taten intensiviert, um die Gruppenstruktur weiter aufhellen und passgenaue Maßnahmen abzustimmen zu können.

Das Kriminalkommissariat Kriminalprävention / Opferschutz der Kreispolizeibehörde Borken hat am 8.Mai 2024 Kontakt zu den betroffenen Schulen aufgenommen, um das Anzeigever-halten der Schülerinnen und Schüler durch eine entsprechende Sensibilisierung – insbeson­dere bei gruppenbezogenen Straftaten – zu verbessern und ferner eine gemeinsame Veran­staltung zum Thema „Zivilcourage“ für die Jahrgangsstufen sechs und sieben zu planen. Diese Veranstaltung soll noch vor den kommenden Sommerferien durchgeführt werden. Hierdurch sollen die Schülerinnen und Schüler ermutigt werden, sich niederschwellig, auch bereits bei übergriffigem Verhalten, zu melden und im Falle auftretender Konflikte die Hilfe­stellung von Erwachsenen einzufordern.

Darüber hinaus befinden sich derzeit zwei Kinder der in Rede stehenden Gruppierung in der Initiative „Kurve kriegen“.

 

MMD18-9649

 

1 Vgl. https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/nrw-jugendbande-terrorisiert-kleinstadt-ahaus-15-gegen-einen-6635000e763a460859c0f24d, zuletzt abgerufen am 08.05.2024 um 09:10 Uhr.

2 Vgl. https://www.express.de/nrw/nrw-messer-bomberjacke-so-terrorisiert-jugendgang-eine-stadt-789165, zu­letzt abgerufen am 08.05.2024 um 09:30 Uhr.

3 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/gruppe-bedroht-jugendliche-ahaus-100.html, zuletzt abgerufen am 08.05.2024 um 09:40 Uhr.

4 Vgl. https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/nrw-jugendbande-terrorisiert-kleinstadt-ahaus-15-gegen-einen-6635000e763a460859c0f24d, zuletzt abgerufen am 08.05.2024 um 10:00 Uhr.

5 Vgl. https://www.focus.de/panorama/welt/jugendgang-drangsaliert-ahaus-dann-spielen-sie-15-gegen-einen-und-schicken-die-zwerge-vor_id_259924018.html, zuletzt abgerufen am 08.05.2024 um 10:10 Uhr.

6 Vgl. https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/nrw-jugendbande-terrorisiert-kleinstadt-ahaus-15-gegen-einen-6635000e763a460859c0f24d, zuletzt abgerufen am 08.05.2024 um 10:20 Uhr.