Kleine Anfrage 37
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Prof. Dr. Daniel Zerbin vom 29.06.2022
Ahmadiyya Muslim Jamaat bald als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Nordrhein-Westfalen?
Bereits am 19.01.2018 ist der Antrag der Ahmadiyya Muslim Jamaat auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen eingegangen.1
Wie einer letztmals am 05.04.2022 aktualisierten Auflistung zu entnehmen ist, ist diese Anerkennung bis zum heutigen Tag erstaunlicherweise nicht erfolgt.2
Der Leitfaden für die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vom 16. Februar 2017 (MBI. NRW. 2017, S. 1403) skizziert die Voraussetzungen für eine Anerkennung. Darin heißt es:
„[Dem Staat ist es …] aus rechtsstaatlichen Gründen verwehrt, einer Religionsgemeinschaft Körperschaftsrechte zu verleihen und ihr damit öffentlich-rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zugänglich zu machen, wenn sie die Grundsätze der verfassungsrechtlichen staatlichen Ordnung ablehnt oder staatliche Gesetze nicht beachtet. [Es ist …] an der Grundprämisse festzuhalten, dass die antragstellende Religionsgemeinschaft – ungeachtet der Gestaltung ihrer inneren Struktur – die Regeln des demokratischen und sozialen Rechtsstaates achtet. Daher muss eine Religionsgemeinschaft […] die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen oder sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird. […] Insbesondere muss eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwerben will, die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet. Dazu gehören die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürdegarantie, die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie gem. Art. 20 GG, der grundrechtliche Schutz des menschlichen Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, das Kindeswohl gemäß dem staatlichen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 2 GG, das verfassungsrechtliche Verbot der Staatskirche sowie die staatskirchenrechtlichen Prinzipien von Neutralität und Parität. Infolgedessen können einer Religionsgemeinschaft nicht die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden, wenn sie auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung hinwirkt.“
Im Rahmen zweier Kleiner Anfragen wurden Gründe dargelegt, dass diese Voraussetzungen möglicherweise nicht vollumfänglich erfüllt sind. Dabei ging es insbesondere um Schriften der Ahmadiyya Muslim Jamaat4 sowie um Redebeiträge führender Vertreter anlässlich der deutschen Jalsa Salana (Jahresversammlung) vom 05. bis zum 07.07.2019 in Karlsruhe.5 In einem Redebeitrag hieß es dabei u.a.:
„Bei der Frage nach Überzeugungen und Meinungen geht es auch um die Frage nach Erkenntnis. Im westlich säkularen Denken wurde an die Stelle von Gott die Vernunft gesetzt. Diese Absolutsetzung der Vernunft ist nicht mit dem Islam in Einklang zu bringen. In dieser Hinsicht ist die erkenntnistheoretische Position des Islam sehr klar. Und dieser steht der westlich säkularen Position diametral entgegen. […] Der erste Punkt, den ich klarstellen möchte, ist daher, dass die AMJ-Gemeinde nicht als liberale oder reformistische Strömung des Islams betrachtet werden sollte. Stattdessen folgen wir den ursprünglichen Lehren des Islams, wie sie vom heiligen Koran und dem heiligen Propheten Mohammed vorgeschrieben wurden.“
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Aus welchen Gründen wurde dem Antrag der Ahmadiyya Muslim Jamaat auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in NRW seit der Antragstellung im Jahre 2018 bisher nicht stattgegeben?
- Welche der aus dem Leitfaden für die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religions-und Weltanschauungsgemeinschaften aufgeführten Versagungsgründe liegen nach Ansicht der Landesregierung im Falle der Ahmadiyya Muslim Jamaat vor?
- Bei welchen der aufgeführten Versagungsgründe liegen nach Ansicht der Landesregierung Verdachtsmomente vor?
- Gemäß ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 685 erwartet die Landesregierung, dass die verfassungsgemäß garantierten Grundrechte – insbesondere auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau – von allen Religionsgemeinschaften respektiert und eingehalten werden.6 In welchem Umfang sieht die Landesregierung diese Grundvoraussetzung bei der Ahmadiyya Muslim Jamaat als gegeben an?
- Bis wann soll die Entscheidung über die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der
Ahmadiyya Muslim Jamaat als Körperschaft des öffentlichen Rechts in NRW voraussichtlich verkündet werden?
Enxhi Seli-Zacharia
Andreas Keith
Prof. Dr. Daniel Zerbin
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/1915
3 Vgl. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=16271&ver=8&val=16271&sg=0&me nu=0&vd_back=N; https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_show_anlage?p_id=33702
4 Vgl. Lt.-Drucksache 17/1915
5 Vgl. Lt.-Drucksache 17/7294
6 Vgl. Lt.-Drucksache 17/1915; Frage 5
Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien hat die Kleine Anfrage 37 mit Schreiben vom 25. Juli 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration namens der Landesregierung beantwortet.
- Aus welchen Gründen wurde dem Antrag der Ahmadiyya Muslim Jamaat auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in NRW seit der Antragstellung im Jahre 2018 bisher nicht stattgegeben?
- Welche der aus dem Leitfaden für die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aufgeführten Versagungsgründe liegen nach Ansicht der Landesregierung im Falle der Ahmadiyya Muslim Jamaat vor?
- Bei welchen der aufgeführten Versagungsgründe liegen nach Ansicht der Landesregierung Verdachtsmomente vor?
- Gemäß ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 685 erwartet die Landesregierung, dass die verfassungsgemäß garantierten Grundrechte – insbesondere auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau – von allen Religionsgemeinschaften respektiert und eingehalten werden. In welchem Umfang sieht die Landesregierung diese Grundvoraussetzung bei der Ahmadiyya Muslim Jamaat als gegeben an?
- Bis wann soll die Entscheidung über die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der Ahmadiyya Muslim Jamaat als Körperschaft des öffentlichen Rechts in NRW voraussichtlich verkündet werden?
Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage 37 wird zunächst auf die von den Fragestellern bereits zitierten Antworten der Landesregierung auf die Kleinen Anfragen 685 und 2831 der 17. Legislaturperiode (LT-Drs. 17/1915, 2. Neudruck und 17/7294) Bezug genommen, insbesondere auf den Hinweis, dass der vorgelegte Antrag seitens der Landesregierung unter Würdigung und Bewertung aller für die Anerkennung maßgeblichen Sachumstände umfassend und gründlich geprüft werde.
Diese Prüfung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.
Im laufenden Prüfungsverfahren werden auch weiterhin keine Zwischenbewertungen veröffentlicht.