Antragder AfD-Fraktion vom 20.11.2019
Alternative Wege gehen – Pflegenotstand mit neuen Konzepten begegnen
I. Ausgangslage
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird laut einer neuen Studie im Jahr 2035 bundesweit auf vier Millionen steigen. Das sind rund eine Million Menschen mehr als im Jahr 2015, wie aus dem Report des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)1 hervorgeht. Alleine in Nordrhein Westfalen ist die Zahl der Pflegebedürftigen von 1999 bis 2015 von 470.000 auf 679.00 angestiegen, so beträgt der Anteil der Pflegebedürftigen 3,8% der Bevölkerung in Nordrhein Westfalen2. Der Simulation zufolge könnte diese Zahl bis 2035 um 33,5% auf 906.777 ansteigen3.
Laut Daten des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein Westfalen wurden im Jahr 2015 74, 2% der Pflegebedürftigen zu Hause betreut4. Hier wirken pflegende Angehörige dem drohenden Fachkräftemangel entgegen und leisten damit einen erheblichen Beitrag um die Pflege, Versorgung und Betreuung der Pflegebedürftigen auch zukünftig sicherzustellen. Ein Beitrag, der häufig mit erheblichen Einbußen verbunden ist. So müssen viele pflegende Angehörige zum Beispiel ihre Arbeitszeit erheblich reduzieren, die daraus resultierenden finanziellen Einbußen können häufig nicht durch das Pflegegeld ausgeglichen werden, welches in keinen Fall eine adäquate Anerkennungsleistung für die erbrachte Pflege darstellt.
Tatsächlich stellt sich die Situation sogar noch dramatischer dar. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ermittelte, dass Pflegehaushalte pro Woche durchschnittlich 63 Stunden und 360 Euro pro Monat zusätzlich zum Pflegegeld aufwenden müssen5. Somit stellt die häusliche Pflege für viele eine eklatante finanzielle Belastung dar. Die fehlenden finanziellen Mittel und die daraus resultierende verminderte Deckung des pflegerischen und Teilhabe-Bedarfs schränkt die Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen ein und führt zu keiner optimalen pflegerischen Versorgung. Ebenso kann die Angehörigenpflege nur attraktiv werden, wenn die materielle und finanzielle Anerkennung der geleisteten Arbeit eine adäquate Kompensation entgangenen Einkommens und sozialer Absicherung ist; so sind Geldleistungen für pflegende Angehörige so zu konzipieren, dass entgangenes Einkommen aufgrund reduzierter Erwerbstätigkeit und weitere Kostenaufwendungen angemessen berücksichtigt wird.
Der Freistaat Bayern hat 2018 mit einem Pflegepakt das Pflegegeld eingeführt, demnach sollen alle Pflegebedürftigen, die mindestens einen Pflegegrad 2 nachweisen können und ihren Hauptwohnsitz in Bayern haben, Landespflegegeld erhalten. Das Ziel der Landesregierung in Bayern war es, ein Signal für soziale Gerechtigkeit, sowie Respekt und Würde in der häuslichen Pflege zu setzen und so die Angehörigen und Pflegebedürftigen finanziell zu entlasten. Nordrhein Westfalen sollte diesem Beispiel folgen und ein weitere Zeichen – auch auf Bundesebene – setzen, den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. ein Landespflegegeld zu prüfen und konzipieren, welches sich als monetäre Zuwendung für eine vom Pflegebedürftigen (Pflegegrad 2) benannte Pflegeperson als angemessenen Einkommensersatz darstellt.
2. ein Maßnahmenkonzept zu entwickeln, welches die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert, insbesondere in Form von Anreizen für Unternehmen, welche Angebote für ihre Mitarbeiter schaffen, steuerlich zu entlasten.
3. sich auf Bundesebene, insbesondere im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz, für die Absicherung der pflegenden Angehörigen in den Sozialversicherungen einzusetzen, insbesondere den Ausgleich in den Rentenversicherungen zu erweitern und den tatsächlichen Bedürfnissen anzupassen, sowie die bedarfsgerechte Erhöhung der Kostenerstattung und die Prüfung der Möglichkeiten für die Stärkung von Entlastungsangeboten zugunsten pflegender Angehöriger zu prüfen.
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 IW Report 33/18 „Die Entwicklung der Pflegefallzahlen in den Bundesländern“
2 Ebenda S. 6 ff
3 Ebenda S. 16 ff.