Ampel macht Migrationspolitik gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Die NRW-Landesregierung folgt bereitwillig?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1115
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 20.01.2023

Ampel macht Migrationspolitik gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Die NRW-Landesregierung folgt bereitwillig?

„Die Deutschen haben genug von der Migrationspolitik der Ampel.“ So heißt es bei der BILD als Reaktion auf neue Umfrage-Daten, die das Meinungsforschungsinstitut INSA für BILD ermittelt hat. Der ungebremste starke Zustrom von Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland wird danach von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt.1

Damit zeigt sich indirekt auch, dass die bei der Bundesinnenministerin sowie bei der Landesregierung2 ungehört verhallenden Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nach Ansicht einer Mehrheit der Bevölkerung den richtigen Weg weisen würden. Am 30. September 2022 wurde ein ausführliches DPolG-Strategiepapier vorgelegt.3 Darin ging es insbesondere um eine sofortige Notifizierung der Grenzen, um die Einführung stationärer Grenzkontrollen, um die Bündelung der Kräfte von Bundespolizei, BAMF, THW und BALM an den Grenzübergängen sowie um die Einrichtung und Inbetriebnahme von Gewahrsamszentren zur Sicherung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Bedauerlicherweise verfolgen Bundes- und Landesregierung eine komplett entgegengesetzte migrationspolitische Agenda.

Auch der permanente Versuch einer einseitigen Schuldzuweisung – quasi als Alibi – in Richtung Moskau zur Ablenkung von den Folgen der bedingungslosen Hinnahme einer ungesteuerten Sekundärmigration von Griechenland und Italien nach Deutschland verfängt offensichtlich bei der Bevölkerung immer weniger. Zu eklatant ist der erneute bzw. seit 2015 anhaltende Kontrollverlust an der deutschen EU-Binnengrenze, insbesondere zu Tschechien und Österreich, sowie neuerdings vermehrt zur Schweiz.

Die INSA-Umfrage für die Bild hat folgendes ergeben:

68,3 Prozent der Befragten gaben an, dass die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingszahlen ihnen Sorgen bereitet.

Unter den Anhängern aller Parteien – mit Ausnahme der Grünen – gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie aufgrund der Flüchtlingszahlen besorgt sind.

48,4 Prozent der Befragten erklärten, dass die aktuell einreisenden Migranten Deutschland eher zum Schlechteren als zum Besseren verändern werden.

46 Prozent der Deutschen betrachten die Einwanderung aus muslimischen Ländern kritisch.

Selbst 50,5 Prozent der Unions-Unterstützer teilten mit, dass sie den Zuzug von Migranten aus islamischen Ländern schlecht finden.

Die Jüdische Rundschau führte in einem aktuellen Artikel weitere Gründe für den Stimmungsumschwung innerhalb der Bevölkerung an.4 Dazu zählt u.a. ein Anstieg des Anteils von Migranten an den Hartz-IV-Beziehern seit 2016 von 25 auf 45 Prozent. Weiter heißt es: „Erst in diesem Sommer kamen 588.000 Ukrainer neu dazu, die dank des ihnen gewährten Instant-Asyl – warum der Flüchtlingsstatus laut UNHCR nicht reichte, wurde nie erörtert – sofort Anspruch auf normale Sozialleistungen haben. Aber die „Grundlast“ befindet sich seit den Jahren 2015 und 2016 im System. Zwei Drittel der Syrer leben noch immer von Hartz IV. Etwa jeder zehnte Arbeitslose ist Syrer.“

Zur Vermischung von Fachkräftezuwanderung und Asyl heißt es: „Da aber Deutschland nicht in der Lage scheint, ausgebildete Fachkräfte in der genannten Zahl entweder anzuziehen oder im Land zu halten, wird regelmäßig auch die illegale Zuwanderung – die über das Zauberwort „Asyl“ funktioniert – ins Spiel gebracht, um an dieser Stelle auszubessern. In Wahrheit ist es aber eine Verschlimmbesserung.“

Selbst aus den Reihen der Grünen kommen in Person des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer in einer ZDF-Talkshow mahnende Aussagen. Nur etwa ein Viertel aller Flüchtlinge von 2015 hätten in Tübingen einen sozialversicherungspflichtigen Job.5

Anfang Dezember widmete sich auch das Wall Street Journal der deutschen Migrationspolitik.6 So stellte man die berechtigte Frage, warum Deutschland trotz der hohen Anzahl zugewanderter Personen so viele Arbeitskräfte fehlten. Die meisten Asylbewerber seien nach Ansicht des Wall Street Journals für den Arbeitsmarkt völlig ungeeignet und würden eher zu den Leistungsempfängern gehören. Zudem habe die Bundesregierung keinen Plan, wie sie das migrationspolitische Staatsversagen stoppen könne. Die aktuelle Mischung von „Einwanderern“ können die Fachkräftelücke – mangels Qualifikation – nicht decken. Unter den Migranten seien kaum Menschen mit ausreichender Ausbildung oder Arbeitserfahrung. „Viele Geflüchtete sind für den deutschen Hochqualifizierten-Arbeitsmarkt schlecht geeignet.“ Deutschland sei zudem „nicht gut darin, sie auszubilden“.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie positioniert sich die Landesregierung zum oben zitierten Strategiepapier der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)?
  2. Inwiefern sieht die Landesregierung ein Problem im Vorschieben der Ukraine-Flüchtlinge als Alibi, um von der weiterhin hingenommenen Sekundärmigration aus den EU-Ersteinreiseländern Griechenland und Italien nach Deutschland abzulenken?
  3. Was sagt nach Ansicht der Landesregierung der überproportional hohe Anteil syrischer Hartz-4-Empfänger über den Erfolg der Integrationspolitik bei diesen Menschen aus?
  4. Inwiefern gehört es zur politischen Agenda der Landesregierung die mangelnde Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte durch ein Ausschöpfen anerkannter, aber auch abgelehnter und ausreisepflichtiger Asylbewerber auszugleichen?
  5. Inwiefern gedenkt die Landesregierung den Stimmungsumschwung in der Bevölkerung bei ihrer politischen Agenda zu berücksichtigen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s: / /www. B i l d.de/politik/inland/p o l i tik-ausland/um frage-d e b a k e l-fuer-die-ampel-mehrheit-der-deutschen-gegen-mehr-m i g r a t i on -823 01 68 8.bild.h t m l

2 Vgl. Lt.-Drucksache 18/1371

3 Vgl. htt p s :/ / www. D p o l g-bundes po liz e i .de/aktuelles/news/wir-stecken-m i t t e n drin-in-der-naechsten-fluechtlings krise/

4 Vgl. htt p s :/ / juedische rund s c h a u .de/article.2 0 2 2 – 1 2.anteil-von-migranten-an-den-h a r t z-iv-beziehern-steigt.h t m l?

5 Vgl. htt p s : / / www. Y o u tube.com/w a t c h ?v=xV ST P w y H b Ds

6 Vgl. htt p s ://www.w s j. com/articles/germany-is-short-of-w o r k e r s-but-its-migrants-a r e-struggling-to-find-jobs-11 67 0 8 4 4 9 30 und htt p s :/ / junge f r e i heit.de/politik/2 0 2 2/wall-street-journal-m i g r a ti o n -brd/?


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1115 mit Schreiben vom 28. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

  1. Wie positioniert sich die Landesregierung zum oben zitierten Strategiepapier der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)?

Nordrhein-Westfalen ist ein weltoffenes Einwanderungsland. NRW macht aus, dass Vielfalt als Stärke gesehen wird. Chancengerechtigkeit, Menschenrechte und gelebte Humanität stehen im Mittelpunkt unserer Integrations-, Migrations- und Flüchtlingspolitik. Sozial, kulturell und nicht zuletzt wirtschaftlich profitiert Nordrhein-Westfalen von Einwanderung. Gleichzeitig ist das Zusammenleben in einer vielfältigen und von unterschiedlichen Erfahrungen und Biogra­fien geprägten Gesellschaft auch vor Herausforderungen gestellt, der sich alle im Sinne des sozialen Miteinanders gleichermaßen stellen müssen.

  1. Inwiefern sieht die Landesregierung ein Problem im Vorschieben der Ukraine-Flüchtlinge als Alibi, um von der weiterhin hingenommenen Sekundärmigration aus den EU-Ersteinreiseländern Griechenland und Italien nach Deutschland abzu­lenken?

Es gibt unterschiedliche Formen des Zuzugs von Menschen nach Deutschland bzw. Nord­rhein-Westfalen. Beispielhaft zu nennen sind der Zuzug im Zusammenhang mit dem Vorüber­gehenden Schutzmechanismus, humanitäre Aufnahmeprozesse, Äußerungen von Asylgesu­chen oder die Fachkräftegewinnung. Alle Formen besitzen unterschiedliche Rechtsgrundla­gen, Akteure oder operative Aufnahmemechanismen, die zu trennen sind.

  1. Was sagt nach Ansicht der Landesregierung der überproportional hohe Anteil sy­rischer Hartz-4-Empfänger über den Erfolg der Integrationspolitik bei diesen Men­schen aus?

Die Grundannahme der Frage ist unzutreffend. Der Anteil von erwerbsfähigen Leistungsbe­rechtigten (ELB) im SGB II mit Staatsangehörigkeit „Arabische Republik Syrien“ (103.329 ELB von insgesamt 1.095.930 ELB, entspricht 9,4 Prozent) folgt in etwa ihrem Anteil an allen im Ausländerzentralregister gemeldeten Personen mit dieser Staatsangehörigkeit in Nordrhein-Westfalen. Syrerinnen und Syrer stellen mit 271.771 Personen den weitaus größten Teil der hier gemeldeten Personen aus den so genannten „8 zugangsstärksten nichteuropäischen Asylherkunftsländern“ (neben Syrien: Irak, Iran, Afghanistan, Eritrea, Nigeria, Pakistan, Soma­lia). Von allen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (3.149.405 Personen) machen syrische Staatsangehörige einen Anteil von 8,6 Prozent aus. An zweiter Stelle folgen mit Ab­stand Personen mit der Staatsangehörigkeit Irak (94.218, entspricht 3,0 Prozent).

Der Anteil von ELB mit syrischer Staatsangehörigkeit im Leistungssystem SGB II in Nordrhein-Westfalen liegt mit 9,4 Prozent somit nicht deutlich über ihrem Anteil an allen ausländischen Personen (8,6 Prozent, Zahlen jeweils Stand Dezember 2022).

Darüber hinaus werden bei Geflüchteten allgemein durchaus beachtliche Integrationserfolge erzielt. Bei allen Personen aus den genannten 8 Asylherkunftsländern (und damit auch ELB aus Syrien) verzeichnen die Jobcenter in Nordrhein-Westfalen aktuell deutlich höhere Integra­tionsquoten (11,7 Prozent) als bei allen ELB (9,7 Prozent).

Die Zahl der ELB im Kontext Flucht im SGB II in Nordrhein-Westfalen ist zuletzt deutlich stärker zurückgegangen (- 5,4 Prozent) als bei allen ELB (- 2,0 Prozent).

Aufgrund von Krieg, Verfolgung und traumatischen Erfahrungen haben syrische ebenso wie andere Geflüchtete in vielerlei Hinsicht schwierigere Startbedingungen als Personen, die als Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten mit der Perspektive der Beschäftigungsaufnahme einwandern. Das erklärt, warum Geflüchtete soziale Leistungen gerade in den ersten Jahren nach der Aufnahme in höherem Maße in Anspruch nehmen. Diese Tatsache allein erlaubt keine Rückschlüsse auf den Erfolg der Integrationspolitik.

  1. Inwiefern gehört es zur politischen Agenda der Landesregierung die mangelnde Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte durch ein Ausschöpfen an­erkannter, aber auch abgelehnter und ausreisepflichtiger Asylbewerber auszuglei­chen?
  2. Inwiefern gedenkt die Landesregierung den Stimmungsumschwung in der Bevöl­kerung bei ihrer politischen Agenda zu berücksichtigen?

Die Fragen 4 und 5 werden wegen des bestehenden Sachzusammenhangs gemeinsam be­antwortet.

Die Landesregierung verfolgt auf dem Politikfeld der Migration einen differenzierten Ansatz. Ein modernes Einwanderungsland braucht auch ein modernes Migrationsrecht. Legale Wege der Einwanderung müssen gestärkt und damit klare Perspektiven eröffnet werden. Das ent­lastet letztlich auch das Asylsystem. Denn Nordrhein-Westfalen steht uneingeschränkt zu sei­ner humanitären Verantwortung bei der Aufnahme von Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen. Aber nicht für alle ist dies der richtige rechtliche Rahmen, die trotzdem eine Perspektive in Deutschland suchen und deren Potentiale wir angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels dringend brauchen. Der andere Teil einer modernen Migrationspolitik ist die Begleitung von Rückkehr und Rückführung anhand von rechtsstaatlichen und humanitären Kriterien in einer verlässlichen Abstimmung mit den Herkunftsländern.

Für weitergehende Details wird auf die Landtags-Vorlage 18/204 und auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

 

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