Anschlagspläne gegen Mitglieder der Bürgerbewegung Pax Europa e.V. (BPE) – Warum halten es seit über einem Jahr weder LKA, Polizei, Kripo, noch die Staatsanwaltschaft oder der Staatsschutz für erforderlich, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen?

Kleine Anfrage
vom 05.11.2024

Kleine Anfrage 4725

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Anschlagspläne gegen Mitglieder der Bürgerbewegung Pax Europa e.V. (BPE) Warum halten es seit über einem Jahr weder LKA, Polizei, Kripo, noch die Staatsanwaltschaft oder der Staatsschutz für erforderlich, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen?

Im Zusammenhang mit einem Islamistenprozess vor dem Amtsgericht Duisburg1 wurde bekannt, dass das LKA NRW bereits am 6. Oktober 2023 über konkrete Anschlagspläne gegen ein Mitglied der Bürgerbewegung Pax Europa e.V. (BPE) [S.] und einen Sympathisanten [P.] informiert war. S., wurde beim islamistischen Anschlag vom 31. Mai 2024 in Mannheim schwer verletzt. Der Anschlag, bei dem ein Polizist auf heimtückische und brutale Weise durch den afghanischen Tatverdächtigen A. ermordet wurde, erregte deutschlandweit Aufsehen.

Nachdem das LKA NRW bereits am 6. Oktober 2023 über Anschlagspläne informiert war, fand in Köln eine öffentliche Kundgebung des BPE statt, bei der auch S. als Redner auftrat. Eine Warnung durch die Sicherheitsbehörden erfolgte nicht. Bis zum Anschlag in Mannheim gab es bundesweit zahlreiche weitere BPE-Kundgebungen unter Teilnahme von S. und P., ebenfalls ohne Unterrichtung der Betroffenen über die Gefahrenlage.

Die beiden mit dem Leben bedrohten Personen sollten erst im Rahmen eines Presseartikels vom 14.08.2024 über die Anschlagspläne erfahren. Im Artikel heißt es dazu: „Zwischenzeitlich hieß es, „Schlüsselfiguren der islamfeindlichen Szene“ wie etwa [S.] oder [P.] sollten getötet werden.“2

Im Rahmen der Aussprache im Landtag NRW zum Antrag der AfD „Über welche Zellen operiert der islamische Staat in NRW? – Die Landesregierung muss endlich die richtigen Prioritäten bei der Bekämpfung des fundamentalistischen Islams setzen.“3 am 11. September 2024 machte die Abgeordnete Seli-Zacharias diesen Fall öffentlich. In der Rede hieß es:

„Ich weiß nicht, Herr Reul, ob Sie sich für die Dutzenden Islamistenprozesse in NRW interessieren. Deshalb erlaube ich mir mal, aus einem zu berichten. Es geht um T.S., angeklagt wegen der Vorbereitung von Anschlägen für den Islamischen Staat. Besonders bekannt ist dabei der Umstand, dass zwischenzeitlich zwei Zeugen, geladene Mitarbeiter des Innenministeriums, wieder vom Gericht abgeladen werden mussten, da ihr Arbeitgeber, also Herr Reul, ihnen keine Aussagegenehmigung erteilt hatte. Dabei soll es sich mutmaßlich um Mitarbeiter des Aussteigerprogramms Islamismus gehandelt haben. Warum, Herr Reul, haben Sie diese zwei Mitarbeiter nicht aussagen lassen? Gibt es da irgendetwas zu verheimlichen? Etwa zum Beispiel den Umstand, so wie es der Rechtsbeistand des Angeklagten in der Presse verlautbaren ließ, dass T. S. vom Wegweiser-Programm ein Belobigungsschreiben des Innenministeriums erhalten haben soll. Ein Staatsschützer vor Ort sagte wortwörtlich: Wir wollten glauben, dass er deradikalisiert worden sei. Als sei das nicht genug – und das ist für mich die Spitze des Eisberges –: Dieser Islamist, der nun vor Gericht steht, hatte tatsächlich Größeres vor. Er hatte ein Attentat auf S. und P. geplant. Obwohl es Hinweise des BKA gab – an die NRW-Polizei –, hat es niemand in NRW für notwendig gehalten, diese zwei gefährdeten Personen zu informieren. Ich habe mit P. persönlich gesprochen. Er hat von dieser Bedrohungslage erst über die Presse erfahren. Bis heute kam vom NRW-Staatsschutz nichts in dieser Sache. Der gute Mann weiß bis heute nicht, was gegen ihn geplant worden ist und was womöglich in Zukunft noch folgen mag.“

Auch über einen Monat nach dieser Rede – und über ein Jahr, nachdem das LKA NRW erstmals Bescheid über die Anschlagspläne wusste – haben es weder die Sicherheitsbehörden auf Landes- noch auf Bundesebene für nötig erachtet, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen, um ihnen beispielsweise Details mitzuteilen oder Schutz anzubieten.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Warum haben die Sicherheitsbehörden in NRW bis zum heutigen Tag, seit nunmehr über ein Jahr, die Betroffenen S. und P. nicht über die konkreten Anschlagspläne gegen ihre Person informiert?
  2. Inwiefern sind der Landesregierung Verbindungen zwischen dem Attentäter von Mannheim und dem Beschuldigten im Rahmen des aufgeführten Verfahrens vor dem Amtsgericht Duisburg bekannt?
  3. Warum wurden S. und P. insbesondere anlässlich von BPE-Kundgebungen zwischen dem 6. Oktober 2023 und dem 31. Mai 2024 in NRW durch die Sicherheitsbehörden in NRW nicht über die konkrete Gefahr gegen ihr Leben informiert?
  4. Welche Erkenntnisse haben die Mitarbeiter des Wegweiser-Programms zum Beschuldigten im Rahmen des aufgeführten Verfahrens vor dem Amtsgericht Duisburg seinerzeit gewonnen?
  5. Wann werden die Sicherheitsbehörden in NRW bzw. Staatsschutz und Staatsanwaltschaft mit S. und P. Kontakt aufnehmen, um sie über die Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Anschlagsplänen gegen ihre Person zu unterrichten?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-11285

 

1 Vgl. https://www.achgut.com/artikel/tariks_doppelleben

2 Ebd.

3 Vgl. Lt.-Drucksache 18/10518 sowie Plenarprotokoll 18/73 (S. 76 f.)


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4725 mit Schreiben vom 9. Dezember 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Warum haben die Sicherheitsbehörden in NRW bis zum heutigen Tag, seit nun­mehr über ein Jahr, die Betroffenen S. und P. nicht über die konkreten Anschlags-pläne gegen ihre Person informiert?

Den mit den Ermittlungen befassten Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen lagen zu keinem Zeitpunkt Erkenntnisse zu konkretisierten Anschlagsplänen oder Anschlagsvorbereitungen zum Nachteil von Herrn S. oder Herrn P. vor.

  1. Inwiefern sind der Landesregierung Verbindungen zwischen dem Attentäter von Mannheim und dem Beschuldigten im Rahmen des aufgeführten Verfahrens vor dem Amtsgericht Duisburg bekannt?

Der Präsident des Landgerichts Duisburg und die Generalstaatsanwältin in Düsseldorf haben dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem 15.11.2024 überein­stimmend berichtet, dass sich bislang keine Hinweise dafür ergeben hätten, dass zwischen dem Angeklagten in dem Verfahren 35 Ks 4/24 vor dem Landgericht Duisburg und dem „At­tentäter von Mannheim“ eine Verbindung bestehe oder bestanden habe.

Den mit den Ermittlungen befassten Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen lagen zu keinem Zeitpunkt Erkenntnisse zu einer Verbindung zwischen dem Angeklagten im aufgeführten Ver­fahren vor dem Landgericht Duisburg und dem Beschuldigten des Angriffs in Mannheim vor.

  1. Warum wurden S. und P. insbesondere anlässlich von BPE-Kundgebungen zwi­schen dem 6. Oktober 2023 und dem 31. Mai 2024 in NRW durch die Sicherheits­behörden in NRW nicht über die konkrete Gefahr gegen ihr Leben informiert?

Den mit den Ermittlungen befassten Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen lagen zu keinem Zeitpunkt Erkenntnisse zu einer konkreten Gefahr bzw. einem Gefährdungssachverhalt für Herrn S. oder Herrn P. anlässlich von BPE-Kundgebungen zwischen dem 6. Oktober 2023 und dem 31.05.2024 in Nordrhein-Westfalen vor.

  1. Welche Erkenntnisse haben die Mitarbeiter des Wegweiser-Programms zum Be­schuldigten im Rahmen des aufgeführten Verfahren vor dem Amtsgericht Duis­burg seinerzeit gewonnen?

Der Angeklagte des in Frage 2 bezeichneten Verfahrens vor dem Landgericht Duisburg war Teilnehmer im Aussteigerprogramm Islamismus des Landes Nordrhein-Westfalen (API). Im Rahmen dieser, nicht in formalem Bezug zum gerichtlichen Verfahren stehenden, Teilnahme an dem API wurden keine Erkenntnisse zu Anschlagsplänen oder Anschlagsvorbereitungen gegen Mitglieder der Bürgerbewegung „Pax Europa e. V.“ gewonnen.

  1. Wann werden die Sicherheitsbehörden in NRW bzw. Staatsschutz und Staatsan­waltschaft mit S. und P. Kontakt aufnehmen, um sie über die Erkenntnisse im Zu­sammenhang mit den Anschlagsplänen gegen ihre Person zu unterrichten?

Die Generalstaatsanwältin in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 15. und 22.11.2024 u. a. berichtet, dass dem Akteninhalt zufolge die Polizei bei Bekanntwerden der Vorwürfe gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen ergriffen habe. Im Übrigen befinde sich der Angeklagte in dem mit der Kleinen Anfrage angesprochenen Strafverfahren vor dem Landge­richt Duisburg seit dem 24.10.2023 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 verwiesen.

 

MMD18-12004