Arbeitern in der Kohleindustrie in NRW den Rücken stärken: Kein Bergmann darf ins Bergfreie fallen – der Ministerpräsident muss sein Versprechen halten!

Antrag
vom 02.07.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 02.07.2019

 

Arbeitern in der Kohleindustrie in NRW den Rücken stärken: Kein Bergmann darf ins Bergfreie fallen – der Ministerpräsident muss sein Versprechen halten!

I. Ausgangslage

Mit Wirkung zum 31.12.2019 wurde ca. 200 Mitarbeitern der Ruhrkohle AG (RAG) die Kündi­gung ihres Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Mitarbeitern, die zum Teil eine Betriebszuge­hörigkeit von über 30 Jahren vorweisen können.

Das Aus für den deutschen Steinkohlebergbau wurde endgültig besiegelt, nachdem im April 2011 der Deutsche Bundestag die sogenannte Revisionsklausel strich, mit der das Parlament den Ausstiegsbeschluss aus dem Januar 2007 noch einmal hätte überprüfen können. Die Po­litik hatte in diesem Zusammenhang von Anfang an garantiert, dass „kein Bergmann ins Berg­freie fällt“. Zum damaligen Zeitpunkt wurde von der RAG geplant, dass der Rückbau der Berg­werke und der bergrechtlichen Anlagen auf Umstellung der Brunnentechnik zur Grubenwas-serhaltung bis zum Ende des Jahres 2021 erfolgen sollte.

Inzwischen steht fest, dass der Rückbau nicht mehr bis zum Ende des Jahres 2021 zu reali­sieren ist. Die Arbeiten verzögern sich nach eigenen Angaben der RAG bis in das Jahr 2035. Erst dann wird die Wasserhaltung auf Brunnentechnik umgebaut sein und das letzte Gruben­gebäude geschlossen. Über das Jahr 2035 hinweg finden die sogenannten Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlebergbaus bis auf unbestimmte Zeit statt.

Zu den Ewigkeitsaufgaben zählen das Grubenwassermanagement, Poldermaßnahmen, die Grundwasserreinigung sowie kaufmännische Tätigkeiten. Nun wäre zu erwarten, dass die ver­bleibenden Mitarbeiter bis zum Ende des Rückbaus der Bergwerke und später weiter in den Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlebergbaus bei der RAG bzw. RAG Stiftung beschäftigt wer­den.

Die nun von der RAG ausgesprochenen Kündigungen sind nicht nur unnötig, sondern auch unsozial. Aufgrund der speziellen Fachkenntnisse der Bergleute sowie deren körperlichen Ein­schränkungen durch die geleistete schwere Arbeit und des zum Teil höheren Lebensalters, sind die Chancen auf einen Wechsel zu einem anderen industriellen Arbeitgeber sehr gering. Mit dem aktuell zusätzlich durch die Politik entschiedenen Ausstieg aus der Braunkohle und der Kohleverstromung geraten viele Industriezweige wie die Automobilindustrie oder Stahlin­dustrie vermehrt unter Druck.1 Insgesamt sind mehr als 120.000 Arbeitsplätze in NRW gefähr-det2 und die kritische Beschäftigungssituation in diversen Städten des Ruhrgebietes lässt be­reits jetzt jeden einzelnen Arbeitsplatz wertvoller denn je sein.

Immer wieder verkündete die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, dass kein Berg­mann ins Bergfreie fällt. Gleiches verkündete schon zu ihrer Dienstzeit die seinerzeitige Minis­terin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Christa Thoben; ihre Nachfolger im Amt erklärten sich genauso. Noch im Dezember 2018 wiederholte Ministerpräsident Armin Laschet in seiner Rede im Plenum diese Zusicherung.

Bereits 6 Monate später wurde dieses Versprechen gebrochen. Die RAG sprach die Kündi­gung der Bergleute im Juni 2019 zum 31.12.2019 aus.

Gleichzeitig zeigt sich aber, dass die RAG weiterhin Personal für den Rückbau der bergtech­nischen Anlagen und für die Ewigkeitsaufgaben benötigt. Hierfür werden nun jedoch nicht die bestens ausgebildeten und langjährig erfahrenen, eigenen Mitarbeiter heran gezogen. Diesen Mitarbeitern wurde zum Teil gekündigt. Stattdessen vergibt die RAG die Arbeiten in Form von Fremddienstleistungen, zum Beispiel an die Firma Thyssen Schachtbau GmbH aus Mülheim an der Ruhr, deren Mitarbeiter teilweise durch die Mitarbeiter der RAG angelernt und geschult wird.

Ebenso werden Mitarbeiter bei der RAG im Service-Bereich Technik- und Logistikdienstleis-tungen (BT) weiterbeschäftigt, die altersbedingt bereits jetzt die Möglichkeit hätten, in den Vor-ruhestand3 zu wechseln, anstatt die eigenen qualifizierten langjährigen und gekündigten Mit­arbeiter des Bergwerks Prosper-Haniel in diesen Bereich zu verlegen.

Beide Maßnahmen erscheinen unüberlegt, sozial unangemessen und sind für die Betroffenen genauso enttäuschend, wie es für die Verantwortlichen aus Politik und RAG beschämend sein sollte.

Die Kündigungen der Mitarbeiter haben zur Folge, dass diesen Menschen die Möglichkeit für den Vorruhestand im Alter von unter Tage mit 50 Jahren und über Tage mit 57 Jahre genom­men wird.4 Unter den gekündigten Bergleuten gibt es viele, die bereits mehr als 30 Jahre im Bergbau tätig sind.

Die von der RAG vereinzelt alternativ angebotenen Arbeitsplätze entsprachen in der Regel nicht der Qualifikation der Mitarbeiter, so dass den Bergleuten ein deutlicher Gehaltsverzicht abverlangt wurde. Zudem würden die Mitarbeiter bei einem Wechsel in einen anderen, nicht knappschaftlich geführten Betrieb die langjährige Betriebszugehörigkeit und die Möglichkeit auf einen Vorruhestand verlieren. Die Bergleute müssen in einem solchen Fall dann bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter von bis zu 67 Jahren arbeiten und damit bis zu 17 Jahren länger als es den Bergleuten zum Beginn ihrer Tätigkeit versprochen wurde.

Dabei ist gerade die Arbeit im Bergbau eine Tätigkeit, die den Körper stark in Anspruch nimmt. Ein größerer Anteil der nun gekündigten Bergleute ist bereits jetzt körperlich beeinträchtigt und im Besitz eines Bergmannsversorgungsscheins oder aber schwerbehindert und im Besitz ei­nes Schwerbehindertenausweises.

Nicht nur die genannten körperlich beeinträchtigten Bergmänner haben eine Kündigung erhal­ten, sondern auch diejenigen, die einen anderweitigen Kündigungsschutz haben. Nachdem der Bergbau über Jahrzehnte ein Garant für gut bezahlte Arbeitsplätze und für eine gelungene Integration im Arbeitsalltag war, in dem Religion, Nationalität, Sprache oder auch das Alter belanglos waren und jeder jedem half, werden diesen Mitarbeitern nun kaltherzig die Stühle vor die Tür gestellt und ihre Lebensleistung entwertet.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Ihr jahrzehntelanger Beitrag zu unserer Energieversorgung, ihr Engagement in Vereinen, Familien und einer gefahrgeneigten Arbeitswelt und vielen anderen Bereichen ist eine überwältigende Lebensleistung der Bergleute, die auch für herausragend gelungene In­tegrationen steht.

2. Die Leistungen der Bergleute waren Garant für den Wiederaufbau nicht nur im Ruhrgebiet und NRW, sondern waren an entscheidender Stelle Grundpfeiler des wirtschaftlichen Neubeginns Deutschlands.

3. Die ausgesprochenen Kündigungen, die die Lebensleistung der Bergleute nicht würdigen, sind sozial ungerecht.

4. Das Ende des Rückbaus des Steinkohlebergbaues hat sich auch durch immer größere Anforderungen von Seiten der Politik und Behörden um mehrere Jahre nach hinten ver­schoben, so dass das ursprüngliche Personalkonzept nicht mehr zum Rückbaukonzept passt.

5. Der Rückbau der Bergwerke erfordert qualifiziertes Personal, welches mit den gekündig­ten Mitarbeitern vorhanden ist.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die RAG Ihre bereits ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen zurücknimmt, um Zeit für eine tatsächliche sozial verträg­liche Lösung für alle gekündigten Mitarbeiter zu finden, die dem Leitsatz „Niemand fällt ins Bergfreie“ gerecht wird.

2. Die Landesregierung setzt sich bei der RAG dafür ein, dass sie ihre Mitarbeiter im Rahmen des Rückbaus und der Ewigkeitsarbeiten möglichst bis zum Erreichen der Bedingungen für den Vorruhestand weiterbeschäftigt.

3. Die Landesregierung setzt sich bei der RAG dafür ein, dass den Mitarbeitern bei einem Wechsel in ein Fremdunternehmen die Vorruhestandsregel garantiert wird, so dass die „Unter-Tage“-Mitarbeiter mit 50 Jahren und die „Übertage“-Mitarbeiter“ mit 57 Jahren in den Vorruhestand gehen können, so als wenn sie die ganze Zeit bei der RAG beschäftigt gewesen wären.

4. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass alle rechtliche Regelungen, die den Punk­ten zwei und drei entgegen stehen – insbesondere § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG –, ange­passt werden.

Markus Wagner
Andreas Keith
Christian Loose
Herbert Strotebeck

und Fraktion

 

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1    Beispiele aus der Automobilbranche sind Ford mit einem Stellenabbau von rund 5.000, Kostal mit dem Abbau von 330 Mitarbeitern und Wielpütz mit Insolvenzantrag. ThyssenKrupp will 6.000 Stel­len streichen. Vgl. hierzu https://rp-online.de/wirtschaft/thyssenkrupp-stoppt-aufspaltung-und-plant-boersengang-der-aufzugsparte aid-38692311, abgerufen am 29.06.2019 um 07:12 Uhr.

2 Vgl. Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 77. Dort sind aufgeführt: 9.000 direkt Beschäftigte in der Braunkohlewirtschaft, 18.000 indirekt/induzierte Beschäftigte und 93.000 Beschäftigte in der energieintensiven Industrie in NRW. Dazu kommen weitere Beschäftige in anderen abhängigen Industriezweigen.

3 Den Mitarbeitern stünde jetzt ein Anpassungsgeld von längstens fünf Jahren zu, bis die Mitarbeiter dann beispielsweise eine Knappschaftsausgleichsleistung erhalten. Näheres dazu in „Richtlinien zur Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Steinkohlen­bergbaus vom 12. Dezember 2008“, insbesondere Nr. 3.

4Regelung gem. § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG.