Kleine Anfrage 2565
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias AfD
Attacken auf Juden und jüdische Einrichtungen in NRW im ersten Halbjahr 2023
Die Antwort der Landesregierung vom 2. Februar 2023, Drucksache 18/2816, auf unsere Kleine Anfrage vom 4. Januar 2023, Drucksache 18/2365, hat ergeben, dass im Jahr 2022 in Nordrhein-Westfalen insgesamt sechs antisemitische Straftaten gegen jüdische Personen oder Personengruppen verübt wurden. Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt 251 antisemitische Straftaten mit dem Unterangriffsziel „religiöser Repräsentant“ erfasst.1
Ziel dieser Anfrage ist es, ein genaueres Lagebild über die Gefährdung von Juden und jüdischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen zu erhalten.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele Angriffe auf jüdische Einrichtungen gab es in NRW im ersten Halbjahr 2023? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
- Wie viele Angriffe auf Juden gab es in NRW im ersten Halbjahr 2023? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
- Welche Motive lagen den Straftaten zu Grunde (religiös, politisch etc.)? (Bitte die Straftatbestände den Motiven zuordnen.)
- In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)
- In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen zusätzlich zur deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)
Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias
1 Antwort der Landesregierung vom 02.02.2023, Drs. 18/2816.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2565 mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
- gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Ob-jekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.
Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das erste Halbjahr 2023 ist noch nicht abgeschlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 19. September 2023 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.
- Wie viele Angriffe auf jüdische Einrichtungen gab es in NRW im ersten Halbjahr 2023? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
Für das erste Halbjahr 2023 wurden bislang insgesamt zwei antisemitische Straftaten gegen jüdische Einrichtungen statistisch erfasst.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 1 (Angriffe auf jüdische Einrichtungen) zu entnehmen.
- Wie viele Angriffe auf Juden gab es in NRW im ersten Halbjahr 2023? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
Im ersten Halbjahr 2023 wurden bisher 95 antisemitische Straftaten mit dem Unterangriffsziel „religiöser Repräsentant“ erfasst. Eine Differenzierung zwischen Personen und Personengruppen auf Basis des KPMD-PMK wäre nur nach einer händischen Auswertung aller Einzelmeldungen möglich, die in der für die Bearbeitung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten ist. Ob diese Personen oder Personengruppen tatsächlich dem jüdischen Glauben angehören, ist nicht auswertbar.
Die unter Frage 1 genannten antisemitischen Straftaten wurden ebenso als Straftaten gegen „Religiöse Repräsentanten“ erfasst.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 2 (Angriffe auf jüdische Personen/Personengruppen) zu entnehmen.
- Welche Motive lagen den Straftaten zu Grunde (religiös, politisch etc.)? (Bitte die Straftatbestände den Motiven zuordnen.)
Straftaten der politisch motivierten Kriminalität werden Phänomenbereichen zugeordnet, wenn in Würdigung der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer entsprechenden Orientierung zuzurechnen sind. Anhand der Zuordnung des Phänomenbereichs lassen sich somit im Wesentlichen die ideologischen Hintergründe und Ursachen einer Straftat abbilden.
Ich bitte, die Zuordnung der Phänomenbereiche den Anlagen 1 (Angriffe auf jüdische Einrichtungen) und 2 (Angriffe auf jüdische Personen/Personengruppen) zu entnehmen.
- In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)
In drei Fällen wurden Personen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit als Tatverdächtige erfasst. Die beigefügte Anlage 3 bildet die Aufschlüsselung nach Monat und Staatsbürgerschaft ab.
- In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen zusätzlich zur deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)
Fünf Tatverdächtige der erfassten Taten besaßen bei Tatfeststellung neben der deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft. Die beigefügte Anlage 4 bildet die Aufschlüsselung nach Monat und Staatsbürgerschaft ab.