Attacken auf Juden und jüdische Einrichtungen in NRW im Jahr 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 954
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 05.01.2022

Attacken auf Juden und jüdische Einrichtungen in NRW im Jahr 2022

Die Antwort auf die Kleine Anfrage mit der Drucksache 18/181 hat ergeben, dass im Zeitraum vom 01.01.2020 bis 18.07.2022 in Nordrhein-Westfalen insgesamt 724 antisemitische Straftaten verübt wurden1.

Ziel dieser Anfrage ist es, ein genaueres Lagebild über die Gefährdung von Juden und jüdischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen zu erhalten.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Angriffe auf jüdische Einrichtungen gab es in NRW im Jahr 2022? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
  2. Wie viele Angriffe auf Juden gab es in NRW im Jahr 2022? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
  3. Welche Motive lagen den Straftaten zu Grunde (religiös, politisch etc.)? (Bitte die Straftatbestände den Motiven zuordnen.)
  4. In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)
  5. In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen zusätzlich zur deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)

Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/399.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 954 mit Schreiben vom 2. Februar 2023 na­mens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Hal­tung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorur­teilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religi­onszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten kön­nen sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftli­chen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) o­der sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2022 ist noch nicht abge­schlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 10. Januar 2023 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.

  1. Wie viele Angriffe auf jüdische Einrichtungen gab es in NRW im Jahr 2022? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
  2. Wie viele Angriffe auf Juden gab es in NRW im Jahr 2022? (Bitte nach Monat, Ort und Straftatbestand aufschlüsseln.)
  3. Welche Motive lagen den Straftaten zu Grunde (religiös, politisch etc.)? (Bitte die Straftatbestände den Motiven zuordnen.)

Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Für das Jahr 2022 wurden bisher insgesamt sechs antisemitische Straftaten gegen jüdische Einrichtungen erfasst. Hiervon richteten sich vier Straftaten zugleich auch gegen jüdische Per­sonen oder Personengruppen.

Insgesamt wurden im angeführten Zeitraum bisher 251 antisemitische Straftaten mit dem Un­terangriffsziel „religiöser Repräsentant“ erfasst. Eine Differenzierung zwischen Personen und Personengruppen auf der Basis des KPMD-PMK wäre nur nach einer händischen Auswertung aller Einzelmeldungen möglich. Eine insoweit erforderliche händische Auswertung dieser De­likte ist in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Ob diese Personen oder Personengruppen tatsächlich dem jüdischen Glauben an­gehören, ist nicht auswertbar.

Straftaten der politisch motivierten Kriminalität werden Phänomenbereichen zugeordnet, wenn in Würdigung der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer entsprechenden Orientierung zuzurechnen sind. An­hand der Zuordnung des Phänomenbereichs lassen sich somit im Wesentlichen die ideologi­schen Hintergründe und Ursachen einer Straftat abbilden.

Die Anlagen 1 und 2 bilden die Aufschlüsselungen nach Monat, Ort, Straftatbestand und Phänomenbereich ab.

  1. In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen nicht die deutsche Staatsbürger­schaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüsseln.)

In zehn Fällen wurden Personen mit nicht deutscher Staatangehörigkeit als Tatverdächtige erfasst. Die beigefügte Anlage 3 bildet die Aufschlüsselung nach Monat und Staatsbürger­schaft ab.

  1. In wie vielen Fällen besaßen die Tatverdächtigen zusätzlich zur deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft? (Bitte nach Monat und Staatsbürgerschaft aufschlüs­seln.)

Sieben Tatverdächtige der erfassten Taten besaßen bei Tatfeststellung neben der deut­schen eine weitere Staatsbürgerschaft. Die beigefügte Anlage 4 bildet die Aufschlüsselung nach Monat und Staatsbürgerschaft ab.

 

Antwort samt Anlage als PDF