Aufbau kostenintensiver Doppelstrukturen im Rahmen der Anti-Diskriminierungsarbeit in NRW

Kleine Anfrage
vom 15.02.2022

Kleine Anfrage 6421der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Christian Loose vom 15.02.2022

 

Aufbau kostenintensiver Doppelstrukturen im Rahmen der Anti-Diskriminierungsarbeit in NRW

Im September 2019 hat sich NRW unter anderem dazu verpflichtet, verbesserte Beratungsangebote zu schaffen und die Bürger stärker für den Diskriminierungsschutz zu sensibilisieren. Im Jahre 2021 folgte daraufhin der Ausbau von zusätzlichen Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Dabei erhöhte sich die Anzahl der Servicestellen von 13 auf 42.1

Neben kommunalen Projekten im Rahmen der Anti-Diskriminierungsarbeit, dem Bundes- und Landesprogramm „Demokratie leben“ und weiteren Initiativen diverser NGOs gibt es als höchste Instanz in diesem Bereich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Wie einer Pressemitteilung des MKFFI vom 14. Januar 2022 zu entnehmen ist, soll die Anti-Diskriminierungsarbeit trotz dieser zahlreichen bereits bestehenden Beratungsstellen um ein komplett neues „bundesweit einzigartiges koordiniertes System von Meldestellen“ ergänzt werden.2

Neben der Meldestelle Antisemitismus soll es dabei jetzt zusätzlich um Meldestellen in den Bereichen Antiziganismus, antimuslimischen Rassismus, anti-Schwarzen-, antiasiatischen und andere Formen von Rassismus sowie Queerfeindlichkeit gehen.

Momentan können (bis zum 25. Februar 2022) gegenüber der Landesverwaltung NRW – MKFFI NRW für den anschließenden Auswahlprozess Interessensbekundung abgegeben werden. Die Fördersumme je aufzubauender Meldestelle soll für den Projektzeitraum auf maximal 140.000 Euro begrenzt werden. Der Durchführungs-/Förderzeitraum der Projekte soll nach erfolgreichem Antragsverfahren beginnen.

Der Betrieb der einzelnen Meldestellen soll nach erfolgreichem Abschluss des Aufbauprojekts in einem weiteren Schritt einem gesonderten Förderverfahren vorbehalten bleiben.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Meldestellen mit einer maximalen Fördersumme in Höhe von 140.000 Euro sollen im Projektzeitraum aufgebaut werden?
  2. Mit welchen Fördersummen je Meldestelle und Jahr rechnet die Landesregierung nach aktueller Planung für den späteren Betrieb der Meldestellen?
  3. Inwiefern kann es nach Einschätzung der Landesregierung, bedingt durch die zukünftige Fülle der Meldestellen, zu Konflikten bzw. Kompetenzstreitigkeiten mit den offiziellen Sicherheitsorganen und insbesondere mit bereits bestehenden Anti-Diskriminierungsstellen in NRW kommen?
  4. Welche zusätzlichen Aufgaben machen den Aufbau eines – nach Aussage der Landesregierung – komplett neuen „bundesweit einzigartigem koordinierten System von Meldestellen“ erforderlich?
  5. Inwiefern wurde von Seiten der Landesregierung geprüft, ob es – alternativ zur Einrichtung eines weiteren Meldestellensystems und unter Beachtung des Paragrafen (§7) des Teilhabe- und Integrationsgesetzes – als unter Umständen günstigere Alternative möglich gewesen wäre, die vorhandene Beratungsinfrastruktur zu nutzen, ggf. verbunden mit einer personellen Aufstockung?

Gabriele Walger-Demolsky
Christian Loose

 

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1 Vgl. https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/21-10-26_kontaktliste_ada_nrw.pdf

2 Vgl. https://www.mkffi.nrw/pressemitteilung/nordrhein-westfalen-verstaerkt-engagement-gegen-hass-und-diskriminierung-mit?fbclid=IwAR2xc7iQofRmhaT4bnMf9GTIv_7uWpNUnRqW41NGuBW87vdIjdNLwyNqkeA

3 Vgl. https://www.bra.nrw.de/system/files/media/document/file/aufruf_interessenbekundungen_meldestellen_fin_0.pd f


Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 6421 mit Schreiben vom 15. März 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Wie viele Meldestellen mit einer maximalen Fördersumme in Höhe von 140.000 Euro sollen im Projektzeitraum aufgebaut werden?

Es sind insgesamt vier NRW-weit ausgerichtete Meldestellen geplant: eine Meldestelle Anti-ziganismus, eine Meldestelle antimuslimischer Rassismus, eine Meldestelle anti-Schwarzer, antiasiatischer inklusive weiterer Formen von Rassismus sowie eine Meldestelle Queerfeind-lichkeit (Diskriminierung von LSBTIQ*). Im Rahmen des einjährigen Projektzeitraums wird es zunächst um die erforderlichen Aufbauarbeiten und Konzepterstellungen gehen.

  1. Mit welchen Fördersummen je Meldestelle und Jahr rechnet die Landesregierung nach aktueller Planung für den späteren Betrieb der Meldestellen?

Der Betrieb der Meldestelle bleibt nach erfolgreichem Abschluss des jeweiligen Aufbauprojekts einem gesonderten Förderverfahren vorbehalten. Aussagen über die Höhe der Fördersummen können erst nach der Verabschiedung des Landeshaushalts 2023 (und ggf. Folgejahre) durch den Landtag Nordrhein-Westfalen gemacht werden.

  1. Inwiefern kann es nach Einschätzung der Landesregierung, bedingt durch die zu­künftige Fülle der Meldestellen, zu Konflikten bzw. Kompetenzstreitigkeiten mit den offiziellen Sicherheitsorganen und insbesondere mit bereits bestehenden Anti-Diskriminierungsstellen in NRW kommen?
  2. Welche zusätzlichen Aufgaben machen den Aufbau eines – nach Aussage der Lan­desregierung – komplett neuen „bundesweit einzigartigem koordinierten System von Meldestellen“ erforderlich?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Meldestellen verfolgen das Ziel, in Ergänzung zu den polizeilichen Statistiken eine landes­weit einheitliche zivilgesellschaftliche Erfassung und Dokumentation von menschenfeindlichen Vorfällen sicherzustellen, die auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen. Konflikte oder Kompetenzstreitigkeiten mit den offiziellen Sicherheitsorganen bestehen somit nicht. Ein enger Austausch und eine Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden wird jedoch als wichtig er­achtet und ist konzeptionell auch vorgesehen. Als Vorbild dienen die Prozesse der schon be­stehenden Antisemitismus-Meldestellen in anderen Bundesländern.

Die Meldestellen haben die Aufgabe, eine wissenschaftlich fundierte, systemische, flächende­ckende und kohärente Erfassung von Vorfällen von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie die Analyse und Auswertung dieser Daten sicherzustellen. Dabei können und sollen auch Vorfälle aus anderen Quellen, z.B. von Zeugen, aus Medien etc. Be­rücksichtigung finden. Die bestehenden Beratungsstellen für Antidiskriminierungsarbeit hinge­gen haben die Aufgabe, Betroffene von Diskriminierung vertraulich, parteiisch und unabhängig zu beraten und zu begleiten. Bei ihrer fallbezogenen Arbeit steht die Unterstützung und das Empowerment der Menschen im Mittelpunkt. Auch hier bestehen somit keine Konflikte oder Kompetenzstreitigkeiten. Die Meldestellen stellen vielmehr eine wichtige Erweiterung der be­stehenden Maßnahmen dar.

  1. Inwiefern wurde von Seiten der Landesregierung geprüft, ob es alternativ zur Einrichtung eines weiteren Meldestellensystems und unter Beachtung des Para­grafen (§7) des Teilhabe- und Integrationsgesetzes als unter Umständen günsti­gere Alternative möglich gewesen wäre, die vorhandene Beratungsinfrastruktur zu nutzen, ggf. verbunden mit einer personellen Aufstockung?

Wie in der Antwort auf die Fragen 3-4 erläutert, unterscheidet sich die Aufgabe der Meldestel­len klar von den Aufgaben, die vorhandene Antidiskriminierungsstrukturen aktuell wahrneh­men. Sie erfordert wissenschaftliche und je nach Meldestelle besondere fachliche und phäno-menspezifische Kompetenzen. Um Aufgaben und Zuständigkeiten zu unterscheiden und nicht zu vermischen, wurde die Schaffung einer eigenen Struktur als sinnvollstes Vorgehen identifi­ziert. Dies entspricht dem Vorgehen beim Aufbau der Meldestellen Antisemitismus auch in anderen Bundesländern.

 

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